European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030132.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht (VwG) im Rechtszug den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses für eine genehmigungspflichtige Schusswaffe der Kategorie B gemäß § 21 Abs. 2 WaffG ab (Spruchpunkt I.) und erachtete eine Revision dagegen als unzulässig (Spruchpunkt II.).
2 Nach dieser Entscheidung habe der Revisionswerber seinen Antrag damit begründet, dass er Besitzer der Trafik in einem Einkaufszentrum in B und für sechs Mitarbeiter verantwortlich sei. In dieser Trafik befände sich ein sehr hoher Warenwert mit einem Einkaufswert von ca. EUR 150.000,--. Da das Lager viel zu klein sei, müsse der Revisionswerber eine große Menge von Zigaretten auch in ein angemietetes Büro ständig hin und zurück transportieren. Der Schutz der Angestellten des Revisionswerbers vor Straftaten wie gefährlichen Angriffen und Überfällen bei der Erfüllung des Dienstverhältnisses falle unter die Fürsorgepflicht des Dienstgebers. Außerhalb seiner Trafik habe der Revisionswerber Aufsteller, die er zu betreuen habe. Der Revisionswerber habe näher genannte monatliche hohe Bareinnahmen. Diese hohen Bargeldbeträge brächte der Revisionswerber zweimal pro Woche zu unterschiedlichen Zeiten in eine Bank. Bei der Bank würde eine solche Menge Geld in kleinen Scheinen die Aufmerksamkeit aller anderen Anwesenden auf sich ziehen, sodass auf den Revisionswerber oftmals neidvolle und auch drohende Blicke fallen würden. Wechselgeld transportiere der Revisionswerber an einem anderen Tag. Der Eingang zur Trafik sei durch einen Rollbalken gesichert, den der Revisionswerber am Morgen sowie am Abend von außen bedienen müsse. Im Februar dieses Jahres sei eine Amokfahrt im Einkaufszentrum nur 10 m vor der Trafik des Revisionswerbers gestoppt worden. Weiters sei im April dieses Jahres eine näher genannte Schule von einem bewaffneten Täter überfallen worden. Seitdem sei dem Revisionswerber bewusst, welcher Gefahr er sich täglich auch außerhalb der Trafik mit den großen Bargeld- und Zigarettentransporten aussetze und dass er sich dementsprechend schützen müsse ("Pfefferspray gegen Auto oder Schusswaffe ist leider nicht ausreichend"). Ein weiterer näher angesprochener Überfall im Jahr 2018 sei von zwei Männern durchgeführt worden, die einen Mann schwer verletzt hätten. Aus einem aktuellen allgemeinen Sicherheitskonzept der Polizei für Trafikanten ergebe sich, dass in den letzten Jahren eine Steigerung von Straftaten im Geschäftsbereich feststellbar gewesen sei. Einzeltäter oder auch Tätergruppen hätten erkannt, dass es auf Grund fehlender oder mangelhafter Sicherheitseinrichtungen relativ gefahrlos sei, strafbare Handlungen zu verüben. Generell könne davon ausgegangen werden, dass die Täter ihre Opfer bzw. Objekte durch einen "Risikocheck" auswählten: Lage, Größe des Objekts, Anzahl des Personals und die Höhe der zu erwartenden Beute. Geschäfte, in denen in kurzer Zeit viel Geld umgesetzt werde, seien oft Angriffsziele von Räubern. Trafiken, meist nur von einem Verkäufer besetzt, seien besonders gefährdet. Als häufigste Straftaten schienen Raubüberfälle und Einbrüche auf. Weiters heiße es zu Raubüberfällen, dass ein absoluter Schutz vor Raubüberfällen und anderen kriminellen Formen im täglichen Geschäftsbetrieb kaum zu erreichen sei. Ausdrücklich werde der Risikocheck, also das Auskundschaften der Opfer seitens der Täter, betont. Der Revisionswerber beantrage die Ausstellung eines Waffenpasses, weil er außerhalb seiner Geschäftsräume besonders angreifbar und ungeschützt sei.
3 B.a. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 B.b. Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Schusswaffen der Kategorie B nur auf Grund einer behördlichen Bewilligung zulässig. Die Bewilligung zum Erwerb, Besitz und zum Führen dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung eines Waffenpasses, die Bewilligung zum Erwerb und zum Besitz dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zu erteilen.
5 Nach § 21 Abs. 2 WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.
6 Gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann.
7 Nach § 10 WaffG sind bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist. Gemäß § 6 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 313/1996 (2. WaffV), darf das der Behörde in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen nur im Rahmen privater Interessen ausgeübt werden, die einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nahe kommen.
8 Auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine ganz konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. dazu aus der ständigen Judikatur etwa VwGH 13.11.2018, Ro 2018/03/0120, mwH).
9 C. Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich die Revision als unzulässig, zumal das Verwaltungsgericht die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtete.
10 Entgegen der Revision kann es vorliegend nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn sich das VwG in sachverhaltsmäßiger Hinsicht von den Angaben des Revisionswerbers in seinem Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses leiten ließ. Der Revisionswerber stellt auch den vom VwG aufgenommenen Hinweis aus dem beim VwG bekämpften Bescheid nicht konkret in Abrede, wonach eine konkrete Bedrohung gegenüber dem Revisionswerber bislang nicht nachgewiesen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bezüglich der von der revisionswerbenden Partei relevierten Möglichkeit eines räuberischen Überfalls in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass selbst die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellen, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet; liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl. nochmals VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0120, mwH). Wenn das Verwaltungsgericht diese Beurteilung auch für die vorliegende Konstellation für einschlägig erachtete, hat es die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verlassen.
11 Ferner liegt, wie in der bekämpften Entscheidung angesprochen, die Abwehr von gefährlichen Angriffen (insbesondere die Bedrohung des Lebens bzw. der körperlichen Integrität, wie dies dem Revisionswerber offensichtlich vor Augen steht) bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive. Damit ist es dem Revisionswerber zuzumuten, gegebenenfalls die Sicherheitsbehörden zu verständigen, anstatt sich aus eigenen Stücken in (mutmaßliche) Gefahrensituationen zu begeben (vgl. dazu und zum Folgenden wiederum die schon genannte Rechtsprechung). Dies auch vor dem Hintergrund, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen und der Versuch, Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, eine Erhöhung der Gefährlichkeit solcher Situationen mit sich bringen kann. Ausgehend davon ist für den Revisionswerber auch mit seinem offenbar gegenläufigen Einwand, es sei grob rechtswidrig, ein "staatliches Gewaltmonopol" anzunehmen, nichts zu gewinnen. Gleiches gilt im Ergebnis für den Hinweis des Revisionswerbers auf seine Fürsorgepflicht für seine Dienstnehmer, wobei er danach vorzusorgen hat, dass eine befürchtete Gefahr im Wege der Organisation der Arbeit möglichst hintangehalten wird. Im Übrigen ist für die Erteilung eines Waffenpasses entgegen der Revision nicht die Bestimmung über die Notwehr in § 3 StGB, sondern die geschilderte Rechtslage nach dem WaffG maßgebend. Schon deshalb ist schließlich der Hinweis der Revision auf einen Bericht in einer Zeitung am 10. November 2018 nicht zielführend, wonach in W an einem Freitag innerhalb kurzer Zeit zwei Überfälle auf Trafiken verübt worden seien.
12 Wenn das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von dem besagten Sachverhalt ausgegangen ist, der (wie erwähnt) in der Revision nicht konkret in Abrede gestellt wird, lässt sich entgegen der Revision nicht erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache iSd § 24 Abs. 4 VwGG hätte erwarten lassen (vgl. dazu und zum Folgenden VwGH 9.5.2018, Ra 2018/03/0046, mwH). Damit stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb diesbezüglich weder Fragen seiner Ergänzung noch Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Übrigen auch mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; EGMR 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland).
13 D. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
Wien, am 19. Dezember 2018
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