Normen
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §99;
VStG §19 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020284.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 8. Jänner 2018 wurde dem Revisionswerber Folgendes zur Last gelegt:
"Sie haben am 10.07.2016 um 10.34 Uhr in der Gemeinde St. Konrad, auf der B120 bei km 9.505, Kranichsteg in Fahrtrichtung Gmunden, mit dem Kleinkraftrad einspurig mit dem amtlichen Kennzeichen (...) die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 48 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen."
Wegen einer Übertretung von § 20 Abs. 2 StVO wurde über den Revisionswerber gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von EUR 210,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 76 Stunden) verhängt.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29. Juni 2018 mit der Maßgabe, dass die Strafe gemäß § 20 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 2e StVO verhängt werde, als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte dazu fest, der Revisionswerber habe zum Tatzeitpunkt mit einem näher bezeichneten Kleinkraftrad in der Gemeinde St. Konrad auf der B120 bei km 9.505, Kranichsteg in Fahrtrichtung Gmunden, im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 48 km/h überschritten. Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich schlüssig aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der der verkehrstechnische Amtssachverständige ausführlich dargelegt habe, dass im Hinblick auf die Aufstellung des Radargerätes von einer korrekten Messung auszugehen sei. Mit näheren Ausführungen kam das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die Radarmessung korrekt durchgeführt worden sei. Der Revisionswerber habe den objektiven Tatbestand des § 20 Abs. 2 StVO daher erfüllt.
Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung betrage gemäß § 99 Abs. 2e StVO EUR 2.180,--, die Mindeststrafe EUR 150,--. Die belangte Behörde habe sich fälschlicherweise auf § 99 Abs. 3 lit. a StVO gestützt und habe insofern korrigiert werden müssen. Bei Bemessung der Strafe könne ihr nicht entgegengetreten werden. Die Verhängung einer geringeren als die von der belangten Behörde verhängte Strafe könne nicht verantwortet werden. Diese befinde sich im untersten Bereich des Strafrahmens und betrage lediglich 10 % der möglichen Höchststrafe. In Anbetracht dessen, dass der Revisionswerber die zulässige Höchstgeschwindigkeit massiv überschritten habe, indem er fast doppelt so schnell gefahren sei als erlaubt und damit eine besonders gefährliche Situation verursacht habe, sei die verhängte Geldstrafe nach Ansicht des Verwaltungsgerichts jedenfalls notwendig, um den Revisionswerber von der Begehung weiterer derartiger Verwaltungsstraftaten abzuhalten.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen, dieser Folge geben und das angefochtene Erkenntnis aufheben sowie dem Revisionswerber Kostenersatz zuerkennen, in eventu der Revision stattgeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass der Beschwerde des Revisionswerbers stattgeben werde, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis behoben werde und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werde. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie lediglich vollinhaltlich auf die begründeten Ausführungen in ihrem Straferkenntnis vom 8. Jänner 2018 verwies.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Der hier gegenständliche § 20 Abs. 2 StVO lautet wie folgt:
"(2) Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren."
7 Gemäß § 99 Abs. 2e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von EUR 150,-- bis EUR 2.180,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.
8 Der Revisionswerber bringt in seiner Zulässigkeitsbegründung unter anderem vor, das Verwaltungsgericht widerspreche der hg. Judikatur (Hinweis auf VwGH 12.12.2001, 99/03/0006), indem es unverändert den Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 8. Jänner 2018 übernehme, in welchem sich entgegen § 44a Z 1 VStG das Tatbestandsmerkmal "im Ortsgebiet" nicht finde. Neben Tatort und Tatzeit führe die belangte Behörde im Spruch des Straferkenntnisses lediglich aus, dass der Revisionswerber die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 48 km/h "in der Gemeinde St. Konrad auf der B 120" überschritten habe. Da das Gemeindegebiet sowohl die Straßen im Ortsgebiet, als auch im Freiland umfasse, vermöge der Passus "in der Gemeinde St. Konrad" das Tatbestandsmerkmal "im Ortsgebiet" i.S.d. § 20 Abs. 2 erster Fall StVO nicht zu ersetzen. Lediglich in der Begründung im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung sei von der Tatbegehung im Ortsgebiet die Rede. Da das angefochtene Erkenntnis der zitierten hg. Judikatur widerspreche, sei die gegenständliche Revision zulässig.
9 Die Revision ist aus dem vom Revisionswerber aufgezeigten Widerspruch zu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig. Sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.
10 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nach § 44a Z 1 VStG rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird (vgl. etwa VwGH 29.10.2015, Ra 2015/07/0097, m.w.H.). Diesen Erfordernissen entspricht der (modifizierte) Spruch im vorliegenden Fall nicht:
Während in der Strafverfügung vom 12. Oktober 2016 das Tatbestandselement "im Ortsgebiet" im Spruch noch enthalten ist (und somit entgegen der Revisionsansicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zum Vorwurf gemacht wurde), findet sich dieses im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft und im angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts nicht mehr. Dabei handelt es sich jedoch gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um ein wesentliches Tatbestandselement (vgl. VwGH 13.12.2000, 2000/03/0294; 12.12.2001, 99/03/0006). Da das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom Verwaltungsgericht lediglich im Hinblick auf die herangezogene Strafnorm berichtigt wurde, das Tatbestandselement "im Ortsgebiet" jedoch keinen Eingang in den Spruch gefunden hat und aus der Tatumschreibung nicht hervorgeht, dass der Tatort "im Ortsgebiet" liegt, erweist sich das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts als rechtswidrig.
11 Zudem hat das Verwaltungsgericht, wie vom Revisionswerber ebenfalls zutreffend aufgezeigt, gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen:
Das Verwaltungsgericht berücksichtigte bei der Strafbemessung unter anderem, dass der Revisionswerber die zulässige Höchstgeschwindigkeit massiv überschritten habe, indem er fast doppelt so schnell gefahren sei als erlaubt und damit eine besonders gefährliche Situation verursacht hat. Gemäß der hg. Judikatur zum Doppelverwertungsverbot dürfen Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (vgl. VwGH 6.7.2015, Ra 2015/02/0042, m.w.H.). Im gegenständlichen Fall war das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung bereits für den anzuwendenden Strafsatz relevant, weshalb dieses Kriterium nicht auch noch in die Strafbemessung hätte einfließen dürfen. Der Gesetzgeber hat die mit einer erhöhten Geschwindigkeitsüberschreitung einhergehenden Umstände bereits durch die Gliederung der Absätze in § 99 StVO mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen entsprechend gewichtet (vgl. erneut VwGH 6.7.2015, Ra 2015/02/0042). Eine besonders massive Überschreitung der strafsatzbestimmenden Geschwindigkeit, die zulässigerweise im Rahmen der Strafbemessung nach § 99 Abs. 2e StVO hätte berücksichtigt werden können, ist im Anlassfall nicht vorgelegen. Aus diesen Erwägungen erweist sich auch der Strafausspruch des angefochtenen Erkenntnisses als mit Rechtswidrigkeit belastet.
12 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das weitere Vorbringen in der Revision war nicht mehr einzugehen.
13 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 23. Jänner 2019
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