VwGH Ra 2018/02/0188

VwGHRa 2018/02/018818.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des F in S, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 8. Mai 2018, Zl. 405-4/1656/1/11-2018, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 2 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Normen

VStG §51e Abs7;
VStG §51e;
VStG §51f;
VStG §51g;
VStG §51h Abs2;
VStG §51h Abs4;
VStG §51h;
VStG §51i;
VStG §65;
VwGVG 2014 §47 Abs2;
VwGVG 2014 §47 Abs4;
VwGVG 2014 §47;
VwGVG 2014 §52 Abs8;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020188.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 24. Oktober 2017 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, am 31. Juli 2017 um 23:30 Uhr an einem näher angeführten Ort ein bestimmtes Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Die am 1. August 2017 um 7:35 Uhr durchgeführte Atemluftalkoholuntersuchung habe einen Messwert von "0,19 mg/l = 0,38 Promille" ergeben. Die Rückrechnung des Alkoholgehaltes auf den Lenkzeitpunkt ergebe somit eine Blutalkoholkonzentration von 1,18 Promille (0,59 mg/l). Der Revisionswerber habe dadurch die §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1b StVO übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 800,--

(Ersatzfreiheitsstrafe: 168 Stunden) verhängt wurde.

2 Gegen dieses Straferkenntnis der BH erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht.

3 Über diese Beschwerde führte das Landesverwaltungsgericht am 20. Februar 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser Verhandlung erstattete der Vertreter des Revisionswerbers eine "Schlussäußerung" und verzichtete auf eine "öffentliche Erkenntnisverkündung".

4 Daraufhin wurde die Verhandlung geschlossen. 5 Am 22. Februar 2018 beraumte das Landesverwaltungsgericht

für den 25. April 2018 eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung an, zu der der Revisionswerber und ein medizinischer Amtssachverständiger geladen wurden. Gegenstand dieser Verhandlung war die Ermittlung des Alkoholisierungsgrades des Revisionswerbers durch den Amtssachverständigen zum "Zeitpunkt des Lenkens (31. 7. 2017, 23:30 Uhr) unter Berücksichtigung des Alkomatergebnisses der Messung am 1. 8. 2017, 07:35 Uhr: 0,19 mg/l und eines Nachtrunkes von 2 1/2 Bier (Zipfer Märzen) in der Zeit von 00:15 bis 01:15 Uhr".

6 Mit Schriftsatz vom 24. April 2018 teilte der Vertreter des Revisionswerbers mit, dass sowohl er als auch der Revisionswerber selbst an der Verhandlung vom 25. April 2018 nicht teilnehmen könnten.

7 Wörtlich heißt es in diesem Schreiben dann wie folgt:

"Ich ersuche um Übermittlung des Protokolls der Verhandlung mit der Entscheidung, der Verzicht auf die mündliche Verhandlung des Erkenntnisses gilt nicht mehr für die bereits geschlossene sondern auch für die neue Verhandlung.

Der Sachverständige möge gefragt werden, ob das Alkomatmessergebnis mit oder ohne Nachtrunk wahrscheinlicher ist."

8 In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 25. April 2018 wurde vom Landesverwaltungsgericht eingangs festgestellt, dass weder der Vertreter des Revisionswerbers noch der Revisionswerber selbst - wie bereits angekündigt - zur Verhandlung erschienen seien. Die Verhandlung erschöpfte sich in der Darlegung des Gutachtens des medizinischen Amtssachverständigen entsprechend des diesbezüglichen Auftrages.

9 Die Verhandlung wurde sodann geschlossen und die Entscheidung gemäß § 47 Abs. 4 VwGVG verkündet.

10 Der Spruch des mündlich verkündeten Erkenntnisses lautet wie folgt:

"I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als der letzte Satz der Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat: ‚Die Rückrechnung des Alkoholgehaltes auf den Lenkzeitpunkt ergibt unter Berücksichtigung des angegebenen Nachtrunkes eine Blutalkoholkonzentration von 0,88 Promille'.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 160,-- zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig."

11 Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses datiert mit 8. Mai 2018 wurde dem Revisionswerber gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG zugestellt.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, dass das Landesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung am 20. Februar 2018 geschlossen habe, nachdem eine Schlussäußerung des Revisionswerbers vorgetragen worden sei. In der Folge habe das Landesverwaltungsgericht - ohne hierüber Beschluss zu fassen - das Verfahren wieder eröffnet und eine Stellungnahme eines medizinischen Amtssachverständigen zur Frage des Alkoholisierungsgrades zum Lenkzeitpunkt (Rückrechnung) eingeholt, diese im Rahmen einer weiteren mündlichen Verhandlung am 25. April 2018 erörtert und schließlich seiner Entscheidung über die Beschwerde des Revisionswerbers zu Grunde gelegt.

16 Da das Landesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2018 nicht vertagt sondern diese geschlossen habe, sei es nicht mehr zulässig gewesen, das Verfahren wieder zu eröffnen und ein weiteres Beweisverfahren in Form der Einholung des Gutachtens eines medizinischen Amtssachverständigen durchzuführen. Dieses Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen hätte der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden dürfen.

17 Dem ist Folgendes entgegen zu halten:

18 Nach den Erläuterungen zur RV 2009 BlgNR 24.GP , 8, entsprechen die Bestimmungen des VwGVG  über die Verhandlung den §§ 51e bis 51i VStG mit Ausnahme des § 51e Abs. 7 VStG (vgl. VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0069). § 47 VwGVG  über den Schluss der Verhandlung entspricht jener des § 51h VStG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013, die für das Verfahren der unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafsachen zur Anwendung kam. Deshalb kann die bisherige Rechtsprechung zu § 51h VStG auch auf § 47 VwGVG  umgelegt werden (vgl. dazu zum Verhältnis von § 51e VStG zu § 44 VwGVG: VwGH 31.7.2014, Ra 2014/02/0011).

19 Der "Schluss der Beweisaufnahme" im Sinne des § 51h Abs. 2 VStG hindert nicht die Berücksichtigung allfälliger späterer, sich noch vor der Verkündung des Bescheides ergebender Beweise. Gleiches hat für den Formalakt des "Schlusses der Verhandlung" gemäß § 51h Abs. 4 VStG zu gelten (VwGH 20.5.2003, 2002/02/0200, mwN). Nach dem Vorgesagten lässt sich diese Rechtsprechung auf § 47 Abs. 2 und 4 VwGVG  übertragen.

20 Entgegen den Zulässigkeitsausführungen des Revisionswerbers konnte das Landesverwaltungsgericht daher in der vorliegenden Verfahrenskonstellation von Amts wegen die Einholung des Gutachtens eines medizinischen Amtssachverständigen veranlassen.

21 Damit gehen auch die weiteren Zulässigkeitsausführungen, wonach das Landesverwaltungsgericht nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2018 das Erkenntnis mündlich verkünden hätte müssen, ins Leere.

22 Entgegen den weiteren Zulässigkeitsausführungen widerspricht der vom medizinischen Amtssachverständigen herangezogene Rückrechnungswert von 0,15 Promille Alkoholabbau im Blut pro Stunde auch nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Rückrechnung mit einem Abbauwert von 0,10 bis 0,12 Promille pro Stunde vorzunehmen gewesen wäre. Beim letztgenannten Wert handelt es sich nach der hg. Judikatur nämlich um den durchschnittlichen Verbrennungswert des Alkohols im Blut im Verlauf einer Stunde (VwGH 16.2.2007, 2006/02/0090, mwN).

23 Diese Judikatur verbietet es indessen nicht, den Abbauwert - wie im vorliegenden Revisionsfall - auf die Besonderheiten des Einzelfalles bezogen individuell durch einen medizinischen Amtssachverständigen feststellen zu lassen. Einwendungen gegen eine solche Berechnung durch den medizinischen Amtssachverständigen hätten vom Revisionswerber in der Verhandlung vom 25. April 2018 vorgebracht werden müssen. Im Schriftsatz vom 24. April 2018 wurde eine Vertagung dieser Verhandlung seitens des Revisionswerbers nicht beantragt. Die nunmehrigen Einwendungen in den Zulässigkeitsausführungen des Revisionswerbers erweisen sich somit als verspätet.

24 Schließlich hält der Revisionswerber in seinen Zulässigkeitsausführungen fest, dass die Auferlegung der Kosten für das Beschwerdeverfahren im vorliegenden Revisionsfall der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Gegenständlich habe nämlich das Landesverwaltungsgericht entgegen dem behördlichen Straferkenntnis den Alkoholisierungsgrund nicht mit 1,18 sondern mit lediglich 0,88 Promille Blutalkoholgehalt angenommen. Damit sei der Unrechtsgehalt der Übertretung - vergleichbar mit der Einschränkung des Tatzeitraumes - reduziert worden. Damit widerspreche die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

25 Dem ist Nachstehendes entgegen zu halten:

26 Bezüglich des Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs. 8 VwGVG  ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 65 VStG auf die neue Rechtslage zu übertragen (VwGH 28.4.2017, Ra 2016/17/0165, mwN). Der leitende Gedanke des § 65 VStG war, dass es nicht begründet wäre, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bestraften aufzuerlegen, wenn die Berufungsbehörde eine Änderung zu Gunsten des Beschuldigten vorgenommen hat. § 65 VStG hat dann Platz zu greifen, wenn infolge einer Berufung eine Strafe herabgesetzt, in eine mildere Strafart umgewandelt oder, bei aufrechterhaltenem Schuldspruch, ganz nachgesehen wird, aber auch dann, wenn infolge einer Berufung ein Teil eines strafbaren Tatbestandes aus dem Spruch ausgeschieden wird (VwGH 28.6.2013, 2011/02/0002, mwN). Keine dieser Umstände sind im vorliegenden Revisionsfall eingetreten.

27 Eine Änderung zu Gunsten des Beschuldigten durch die Berufungsbehörde erblickte der Verwaltungsgerichtshof auch dann, wenn wenigstens der von der Strafbehörde erster Instanz angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist. Das ist unter anderem auch dann der Fall, wenn der Tatzeitraum gegenüber der Vorinstanz und damit der Unrechtsgehalt zu Gunsten des Beschuldigten verringert wurde (vgl. wiederum VwGH 28.4.2017, Ra 2016/17/0165, mit Verweis auf VwGH 30.8.1991, 91/09/0022).

28 Der vorliegende Revisionsfall ist mit der zitierten Rechtsprechung der Verringerung des Unrechtsgehaltes durch Einschränkung des Tatzeitraumes nicht vergleichbar.

29 § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO normiert nämlich eine unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass bei Erreichen oder Überschreiten der dort genannten Werte eine Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt gilt (VwGH 26.3.2004, 2003/02/0279). Da auch vor dem Landesverwaltungsgericht von dieser unwiderleglichen Rechtsvermutung auszugehen war, wurde der strafbare Tatbestand weder eingeschränkt noch ein Teil desselben ausgeschieden. Da auch keine Herabsetzung der Strafe erfolgte, wurde keine Änderung zu Gunsten des Revisionswerbers vorgenommen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Revisionswerber zu Recht auferlegt.

30 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Juni 2018

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