Normen
AVG §45 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020063.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Über Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gab der Revisionswerber als Zulassungsbesitzer eines näher angeführten Kraftfahrzeuges gemäß § 103 Abs. 2 KFG bekannt, das Fahrzeug sei von E. R. (der Mutter des Revisionswerbers) zum angefragten Zeitpunkt gelenkt worden.
2 Der Anfrage lag zu Grunde, dass mit diesem Fahrzeug eine Geschwindigkeitsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO begangen wurde.
3 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 20. Juni 2016 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer die Auskunft erteilt, dass E. R. das Fahrzeug gelenkt habe, obwohl am Radarfoto ersichtlich sei, dass es sich beim Lenker um eine männliche Person handle. Der Revisionswerber habe daher nicht innerhalb von zwei Wochen darüber Auskunft erteilt, wer das Fahrzeug zum angefragten Zeitpunkt gelenkt habe. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 201 Stunden) verhängt.
4 In der dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber unter anderem die Einvernahme von E. R (seiner Mutter).
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde abgewiesen mit der wesentlichen Begründung, auf dem die Geschwindigkeitsübertretung dokumentierenden Radarfoto sei eine männliche Person mit "fester Statur" zu erkennen, weshalb die Angabe der Mutter des Revisionswerbers als Lenkerin als reine Schutzbehauptung zu werten sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
7 Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen verweist in ihrem Schriftsatz auf den bisherigen Akteninhalt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Der Revisionswerber erachtet die Revision unter anderem deshalb als zulässig, weil sich das Verwaltungsgericht über seine Beweisanträge zum Nachweis der Lenkereigenschaft seiner Mutter, insbesondere deren Einvernahme, hinweggesetzt habe. Es liege eine antizipierende Beweiswürdigung vor.
10 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und berechtigt. 11 Eine antizipierende Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn
ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird (VwGH 25.9.2017, Ra 2017/20/0282, mwN).
12 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (VwGH 24.1.2018, Ra 2018/02/0005, mwN).
13 Durch die Heranziehung allein des Radarfotos erweist sich die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, die Mutter des Revisionswerbers sei keinesfalls die Lenkerin gewesen, ohne Berücksichtigung weiterer Beweismittel als unschlüssig.
14 Auf dem im Akt einliegenden Foto ist die lenkende Person nämlich nur schemenhaft zu sehen. Der Revisionswerber hat weitere Beweise für seinen Standpunkt angeboten, die das Verwaltungsgericht in vorgreifender Beweiswürdigung nicht berücksichtigt hat. Das Verwaltungsgericht wäre verhalten gewesen, diese weiteren Beweise aufzunehmen und erst dann beweiswürdigend über die entscheidungswesentliche Feststellung zu erwägen.
15 Da das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, war auf das weitere Revisionsvorbringen nicht einzugehen.
16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. März 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)