VwGH Ra 2017/22/0008

VwGHRa 2017/22/000821.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, in der Revisionssache des M K in G, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 20. Oktober 2016, LVwG 26.20-1164/2016-11, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark), den Beschluss gefasst:

Normen

ARB1/80 Art13;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ARB1/80 Art13;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht den Erstantrag des Revisionswerbers vom 21. September 2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG und die damit verbundenen Zusatzanträge auf Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG und auf Absehen vom Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß § 21a Abs. 5 NAG ab.

Nach der wesentlichen Begründung habe der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, - obwohl mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25. Juni 2013 sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und seine Ausweisung ausgesprochen worden sei - das Bundesgebiet nicht verlassen, sondern hier am 21. August 2015 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und den gegenständlichen Antrag gestellt. Der Revisionswerber könne sich nicht auf die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB) berufen, weil sein Aufenthalt im Bundesgebiet auf Grund der rechtskräftigen und durchsetzbaren Rückkehrentscheidung vom 25. Juni 2013 nicht ordnungsgemäß sei (Hinweis auf den hg. Beschluss vom 20. Juli 2016, Ro 2015/22/0031). Der beantragten Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe daher das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 3 NAG entgegen. Den Begehren gemäß § 21 Abs. 3 und § 21a Abs. 5 NAG sei ebenso nicht stattzugeben gewesen, weil die Ehe erst seit kurzem bestehe, der Revisionswerber kaum Deutsch (und die Ehefrau nicht Türkisch) spreche und seine Erwerbstätigkeit lediglich durch eine nicht korrekte Anwendung der Stillhalteklausel ermöglicht worden sei.

2.2. Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig erklärt.

3. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird. Der Revisionswerber führt in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen aus, er halte sich auf Grund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 komme zur Anwendung, es sei daher auf die Vorschriften des FrG 1997 abzustellen, wonach der Revisionswerber als Familienangehöriger einer Österreicherin Niederlassungsfreiheit genieße.

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem (bereits vom Verwaltungsgericht zitierten) Beschluss vom 20. Juli 2016, Ro 2015/22/0031, Folgendes ausgesprochen:

"Das LVwG stützt seine Entscheidung unter anderem darauf, dass sich nur jene türkischen Arbeitnehmer auf die Stillhalteklausel gemäß Art. 13 ARB berufen könnten, die sich ordnungsgemäß im Mitgliedstaat aufhielten.

Damit steht das angefochtene Erkenntnis mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - basierend auf der Rechtsprechung des EuGH - in Einklang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2015, Ro 2014/09/0057, mwN, sowie den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0117, mwN, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur des EuGH).

Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsansicht unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von jenem, der dem Urteil des EuGH vom 15. November 2011, C-256/11  - Dereci ua, zugrunde lag. Jenem Beschwerdeführer kam aufgrund des auf seinen Fall anzuwendenden § 49 Abs. 1 FrG 1997 als Ehemann einer Österreicherin Niederlassungsfreiheit zu und er durfte Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung in Österreich stellen; gegen ihn wurde keine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen. Gegen den Revisionswerber wurde hingegen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom (...) eine Ausweisung erlassen, der dieser nicht nachkam. Der Aufenthalt des Revisionswerbers war somit unrechtmäßig, und zwar unabhängig von der mit 1. Jänner 2006 durch das NAG eingeführten ‚neuen Beschränkung'. Die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Revisionswerbers liegt schon darin, dass gegen ihn eine asylrechtliche Ausweisung erlassen wurde, der er nicht Folge leistete. Er kann sich daher nicht auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen (vgl. in diesem Sinn den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0117, mwN)."

4.2. Im Hinblick auf diese - zu einer ganz ähnlichen Sachverhaltskonstellation getätigten - Aussagen des Verwaltungsgerichtshofs hat das Verwaltungsgericht fallbezogen die Anwendung der Stillhalteklausel zu Recht verneint.

5. In der Zulässigkeitsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit den hg. Beschluss vom 19. April 2016, Ra 2016/22/0003) werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2017

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