VwGH Ra 2017/17/0812

VwGHRa 2017/17/081222.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer, Mag. Liebhart‑Mutzl und Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der F A Kft. in S in Ungarn, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. September 2016, LVwG‑480003/14/Gf/MSch/DC/Mu, LVwG‑480004/14/Gf/MSch/DC/Mu, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: 1. Landespolizeidirektion Oberösterreich, 2. Finanzamt Grieskirchen Wels),

Normen

VwGG §42 Abs3
VwGVG 2014 §35

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170812.L00

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Spruchpunkt V. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Am 22. Juni 2016 wurde in einem von der revisionswerbenden Partei betriebenen Lokal in Wels eine behördliche Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) durchgeführt. Dabei wurden von Organen der belangten Behörden Türen aufgebrochen, das Lokal betreten, eine Mitarbeiterin der revisionswerbenden Partei durchsucht und Objektive von Überwachungskameras abgedeckt.

2 Sowohl die revisionswerbende Partei als auch deren Mitarbeiterin erhoben dagegen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das LVwG aus, dass das zwangsweise Eindringen in die Betriebsräumlichkeiten der Revisionswerberin diese in ihrem Grundrecht auf die Unverletzlichkeit des Hausrechts verletzt habe (Spruchpunkt I.). Weiters habe die Durchsuchung der Mitarbeiterin diese in ihrem Grundrecht auf Menschenwürde sowie auf Nichtvornahme einer erniedrigenden Handlung verletzt (Spruchpunkt II.). Die Beschwerde gegen das Abdecken von Kameraobjektiven werde wegen sachlicher Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zurückgewiesen (Spruchpunkt III.). Der Bund sei gemäß § 35 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 1 und 2 VwG‑Aufwandersatzverordnung (VwG‑AEV) verpflichtet, sowohl der revisionswerbenden Partei als auch deren Mitarbeiterin jeweils Kosten in der Höhe von EUR 1.198,60 binnen 14 Tagen zu ersetzen (Spruchpunkt IV.). Die revisionswerbende Partei sei gemäß § 35 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 3 und 5 VwG‑AEV verpflichtet, dem Bund Kosten in der Höhe von EUR 887,20 binnen 14 Tagen zu ersetzen (Spruchpunkt V.). Gegen dieses Erkenntnis sei eine Revision nicht zulässig (Spruchpunkt VI.).

4 Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangten Behörden verzichteten auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

5 Ebenfalls gegen diese Entscheidung richteten sich die Amtsrevisionen des Bundesministers für Finanzen sowie der Landespolizeidirektion Oberösterreich (protokolliert zu den hg. Zlen. Ra 2016/17/0302, Ra 2016/17/0303 und Ra 2017/01/0373).

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Liegen ‑ wie hier ‑ trennbare Ansprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 9.3.2018, Ra 2018/17/0005, mwN).

10 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit ausschließlich vorgebracht, der Kostenzuspruch (an den Bund in Spruchpunkt V.) hätte hinsichtlich des Vorlageaufwandes in jenem Ausmaß vermindert werden müssen, als dem Obsiegen der belangten Behörde ein Unterliegen hinsichtlich der Verwaltungsakte, die für rechtswidrig erklärt worden seien, gegenüberstehe.

11 Mit diesem Vorbringen zeigt die revisionswerbende Partei ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf, weil nach der hg. Rechtsprechung bei teilweisem Obsiegen der Behörde dieser nicht der gesamte Vorlageaufwand zuzusprechen ist. Vielmehr ist dieser in jenem Ausmaß zu vermindern, als dem Obsiegen der Behörde ein Unterliegen hinsichtlich der Verwaltungsakte, die für rechtswidrig erklärt wurden, gegenübersteht (vgl. Ennöckl in Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde2, 71f, und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung ergibt sich jedoch, dass im Revisionsfall der revisionswerbenden Partei der Vorlageaufwand in Höhe von € 57,40 zur Gänze auferlegt wurde.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile mit Erkenntnis vom 22. November 2017, Ra 2016/17/0302, 0303, die Spruchpunkte I. und IV. und mit Erkenntnis vom 5. Dezember 2017, Ra 2017/01/0373, Spruchpunkt II. der auch hier angefochtenen Entscheidung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

13 Nach § 43 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gemäß Abs. 2 die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Beschlusses befunden hat.

14 Dies gilt auch für die bloß teilweise Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (vgl. dazu etwa VwGH 16.2.2001, 2000/19/0054, mwN). Die Rechtssache tritt in diesem Fall lediglich in Ansehung der durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Spruchpunkte in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung befunden hat.

15 Somit gibt es noch keinen Abspruch über die von der revisionswerbenden Partei erhobene Maßnahmenbeschwerde betreffend das zwangsweise Eindringen von Beamten in ihre Betriebsräumlichkeiten. Im Rechtsbestand ist derzeit lediglich die Zurückweisung der von der revisionswerbenden Partei eingebrachten Maßnahmenbeschwerde betreffend das Abdecken von Kameraobjektiven (Spruchpunkt III.) samt Kostenfolge zu Lasten der revisionswerbenden Partei (Spruchpunkt V.). Mangels Vorliegens eines Abspruchs über Spruchpunkt I. erweist sich aber die in Spruchpunkt V. der revisionswerbenden Partei auferlegte Kostenersatzpflicht in Ansehung des gesamten ‑ und somit auch den nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden Spruchpunkt I. betreffenden ‑ Vorlageaufwands als rechtswidrig.

16 Spruchpunkt V. des angefochtenen Erkenntnisses war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Mangels Zulässigkeitsvorbringens zu den übrigen Spruchpunkten war die Revision diesbezüglich zurückzuweisen.

17 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

18 Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. Mai 2018

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