VwGH Ra 2017/11/0031

VwGHRa 2017/11/003120.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Wien, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Reichsratstraße 17/11, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 7. Dezember 2016, Zl. LVwG-300154/44/MK/BZ, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz; mitbeteiligte Partei: S K in L, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41), zu Recht erkannt:

Normen

AufwandersatzV VwGH 2014;
AVRAG 1993 §7i Abs3;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VwGG §47 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der belangten Behörde auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 2015, Zl. Ra 2014/11/0013, und vom 9. November 2016, Zl. Ra 2016/11/0120, verwiesen.

2 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. März 2013 wurde der Mitbeteiligte als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 7i Abs. 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) in der für den Tatzeitraum maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 24/2011 schuldig erkannt, weil diese Gesellschaft als Arbeitgeberin vier namentlich genannte Arbeitnehmer im Zeitraum 1. September 2011 bis 31. Oktober 2011 als Eisenbieger beschäftigt habe, ohne ihnen den nach dem Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn (Bruttostundenlohn von EUR 11,46) geleistet zu haben. Über den Mitbeteiligten wurden deshalb vier Geldstrafen zu je EUR 2.500,-- verhängt.

3 Mit Erkenntnis vom 14. März 2014 gab das Verwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde statt und hob das genannte Straferkenntnis unter gleichzeitiger Einstellung des Strafverfahrens auf. Der Verwaltungsgerichtshof hob dieses Erkenntnis mit hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2015, Zl. Ra 2014/11/0013, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil die Beschwerde des Mitbeteiligten, obwohl in dieser neue Tatsachen vorgebracht worden waren, der Revisionswerberin entgegen § 10 VwGVG nicht zugestellt wurde.

4 Mit (Ersatz‑)Erkenntnis vom 8. Juni 2016 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 50 VwGVG neuerlich statt, hob das angefochtene Straferkenntnis bei gleichzeitiger Einstellung des Strafverfahrens auf und begründete dies zusammengefasst damit, dass eine Unterschreitung des nach dem Kollektivvertrag zustehenden Grundlohnes nicht habe festgestellt werden können. Der Verwaltungsgerichtshof hob dieses (Ersatz‑)Erkenntnis vom 8. Juni 2016 mit Erkenntnis vom 9. November 2016, Zl. Ra 2016/11/0120, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, weil es das Verwaltungsgericht in unzutreffender Beurteilung der Rechtslage unterlassen hatte, Feststellungen über die maßgeblichen Bestimmungen des hier relevanten Kollektivvertrages zu treffen.

5 Mit dem - im mittlerweile 3. Rechtsgang ergangenen - angefochtenen "Beschluss" vom 7. Dezember 2016 (richtig:

Erkenntnis; vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2016, Zl. Ra 2016/02/0137) wurde das eingangs genannte Straferkenntnis "wegen Eintritt der Strafbarkeitsverjährung aufgehoben" und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG (abermals) eingestellt.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

6 In der Begründung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass für die gegenständliche Verwaltungsübertretung der unterentlohnten Beschäftigung von Arbeitnehmern die dreijährige Frist des § 31 Abs. 2 VStG für die Strafbarkeitsverjährung mit dem im Straferkenntnis angelasteten Ende der Tatzeit am 31. Oktober 2011 zu laufen begonnen habe. Unter Herausrechnung der Zeit, in welcher gegenständlich ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesen sei (§ 31 Abs. 2 Z 4 VStG), sei die Strafbarkeit im vorliegenden Fall am 1. Oktober 2016 erloschen, sodass das Strafverfahren einzustellen gewesen sei.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

 

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revisionslegitimation der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse ergibt sich aus § 7i Abs. 8 Z 3 AVRAG. Daran hat sich für den vorliegenden Fall durch die Novelle BGBl. I Nr. 44/2016 nichts geändert, weil diese gemäß § 19 Abs. 1 Z 38 AVRAG (in der Fassung dieser Novelle) nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich vor dem 1. Jänner 2017 ereignet haben.

10 Die Revision ist zulässig, weil darin zutreffend ausgeführt wird, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung, wann bei einem Delikt wie dem vorliegenden (Übertretung des § 7i Abs. 3 AVRAG in der für den Tatzeitraum maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 24/2011) die Verjährung begonnen hat, die hg. Rechtsprechung außer Acht gelassen hat.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 9. März 2015, Zl. Ra 2015/11/0014 (unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 23. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/11/0063) ausgeführt, dass die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG im gesetzwidrigen (weil unzureichend entlohnten) Beschäftigen des Arbeitnehmers liegt und als Dauerdelikt andauert, so lange die unterbezahlte Beschäftigung aufrecht erhalten wird. Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof im damaligen Revisionsfall (es ging um kurzfristige Beendigungen der Arbeitsvertragsverhältnisse) ab, dass (jedenfalls) mit dem Ende einer Beschäftigung (fallbezogen die Abmeldung eines Dienstnehmers in auftragsschwachen Zeiträumen und die Wiedereinstellung zu einem späteren Zeitpunkt) die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG endet und gleichzeitig (§ 31 Abs. 1 VStG) die Frist für die Verfolgungsverjährung beginnt.

12 An dieser Stelle ist klarzustellen, dass die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG, die nach dem Gesagten im unzureichend entlohnten Beschäftigen des Arbeitnehmers liegt, mit dem jeweiligen Ende der unterentlohnten Beschäftigung endet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. August 2015, Zl. Ra 2015/11/0044), somit auch mit jenem Zeitpunkt, in welchem bei aufrechter Beschäftigung (wieder) das gebührende Entgelt geleistet wird.

13 Diese Ausführungen gelten nicht nur für die Verfolgungsverjährung, sondern gleichermaßen für die gegenständlich relevante Strafbarkeitsverjährung, weil auch diese gemäß § 31 Abs. 2 zweiter Satz VStG ab dem in Abs. 1 (zweiter Satz) genannten Zeitpunkt zu berechnen ist.

14 Dies hat das Verwaltungsgericht, das den Beginn der Strafbarkeitsverjährung gleichsam automatisch mit dem Ende des angelasteten Tatzeitraumes (der lediglich eine Phase der unterentlohnten Beschäftigung beschreibt) angenommen hat, offensichtlich verkannt und daher Feststellungen zum Ende der Beschäftigung der vier Arbeitnehmer bzw. zum Ende ihrer Unterentlohnung unterlassen.

15 Die Relevanz solcher Feststellungen ergibt sich daraus, dass der Mitbeteiligte, worauf sowohl die Revision als auch die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung hinweisen, nach dem (aktenkundigen) Protokoll der Verhandlung vom 31. Mai 2016 selbst ausgesagt hat, dass alle vier Arbeitnehmer bei ihm "bis zum Ende der Bausaison 2012" beschäftigt gewesen seien. Von daher geht auch der Einwand des Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung, beim genannten Revisionsvorbringen handle es sich um eine unzulässige Neuerung, fehl (ganz abgesehen davon, dass die Verjährung nach ständiger hg. Rechtsprechung von Amts wegen wahrzunehmen ist und somit die erforderlichen Feststellungen amtswegig zu treffen sind; vgl. etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, II2, E 22 ff zu § 31 VStG).

16 Für das fortgesetzte Verfahren wird (zur Vermeidung eines weiteren Rechtsganges) darauf hingewiesen, dass zwar durch die Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 in § 7i Abs. 7 und Abs. 7a AVRAG eine lex specialis betreffend die Verjährung bei rechtswidriger Unterentlohnung eingefügt wurde. Diese Sonderbestimmungen sind gegenständlich aber nicht relevant, weil sie gemäß § 19 Abs. 1 Z 31 AVRAG in der Fassung der letztgenannten Novelle auf Sachverhalte (wie den vorliegenden), die sich vor dem 1. Jänner 2015 ereignet haben, nicht anzuwenden sind (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 18. August 2015, Zl. Ra 2015/11/0044).

17 Das angefochtene Erkenntnis war nach dem Gesagten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18 Das Begehren der belangten Behörde, ihr für die Revisionsbeantwortung Aufwandersatz im gebührenden Ausmaß zuzuerkennen, war abzuweisen, weil der Rechtsträger iSd § 47 Abs. 5 VwGG, der einerseits zum Aufwandersatz verpflichtet und dem andererseits der Aufwandersatz zufließen würde, im vorliegenden Fall ident ist (vgl. dazu das zitierte Vorerkenntnis, Zl. 2016/11/0120, mit Hinweis auf weitere, bei Mayer/Muzak, B-VG, 5. Auflage (2015), unter VI. zu § 47 VwGG referierte hg. Rechtsprechung).

Wien, am 20. September 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte