VwGH Ra 2017/10/0050

VwGHRa 2017/10/005030.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der K K in S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 16. Februar 2017, Zl. 405- 9/184/1/10-2017, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Normen

EURallg
MeldeG 1991
MSG Slbg 2010 §4 Abs2 Z2 idF 2012/057
NAG 2005 §51 Abs1 Z1
NAG 2005 §51 Abs2 Z3
NAG 2005 §53
NAG 2005 §81 Abs4
VwRallg
32004L0038 Unionsbürger-RL Art7 Abs3 litc

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017100050.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 16. Februar 2017 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Gewährung von Mindestsicherung für September 2016 gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg. MSG) abgewiesen. Weiters wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Begründend ging das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges zusammengefasst davon aus, dass die 1965 geborene Revisionswerberin tschechische Staatsangehörige und seit 27. Jänner 1998 durchgehend mit Hauptwohnsitz in der Stadt Salzburg gemeldet sei. Zuvor hätten vom 8. Oktober 1990 bis 3. Dezember 1997 Hauptwohnsitzmeldungen in der Stadt Salzburg bestanden. Die Revisionswerberin sei vom 13. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2006 in der Krankenversicherung selbstversichert gewesen. Sie sei während ihres gesamten Aufenthaltes im Inland seit 8. Oktober 1990 vor dem 20. Juli 2016 keiner der Sozialversicherungspflicht unterliegenden Beschäftigung nachgegangen; dass sie bis dahin aufgrund sonstiger einkommensbegründender Tätigkeiten oder aus anderen Quellen über ausreichende Existenzmittel und (abgesehen von den Zeiten der Selbstversicherung in der Krankenversicherung) über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt habe, sei weder hervorgekommen noch im Beschwerdeverfahren behauptet worden. Die Revisionswerberin habe von Oktober 2011 bis August 2016 (nicht durchgehend) Mindestsicherung in der Höhe von insgesamt EUR 17.405,64 bezogen.

3 Die Revisionswerberin habe im Juni 2016 die Zusage für eine befristete Tätigkeit als Billeteurin vom 21. Juli 2016 bis 30. August 2016 erhalten; eine Zusage für eine Beschäftigung über den 30. August 2016 hinaus sei nicht erfolgt. Für die genannte Tätigkeit habe sie für Juli 2016 EUR 180,54 und für August 2016 EUR 726,30 lukriert. Auch für den Bedarfsmonat September 2016 habe bei der Revisionswerberin keine maßgebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestanden. Trotz Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses am 30. August 2016 sei die Revisionswerberin erst am 14. September 2016 beim Arbeitsmarktservice vorstellig geworden, um sich diesem als arbeitssuchend zur Verfügung zu stellen. Die Revisionswerberin habe keine maßgeblichen Anstrengungen dahingehend unternommen, eigeninitiativ eine Beschäftigung zu erlangen.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften zunächst aus, die Revisionswerberin stütze sich primär darauf, dass ihre Arbeitnehmereigenschaft gemäß § 51 Abs. 2 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach dem 30. August 2016 erhalten geblieben sei; es sei jedoch zunächst eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob ihr ein (unionsrechtliches) Daueraufenthaltsrecht im Inland zukomme. 5 In weiterer Folge ging das Verwaltungsgericht - mit umfangreichen Darlegungen - davon aus, dass dies nicht der Fall sei: Ihr sei vor dem 20. Juli 2016 nicht die Stellung als Arbeitnehmerin oder Selbständige im Sinne des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG bzw. Art. 7 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (im Folgenden: Freizügigkeitsrichtlinie) zugekommen, zumal keine maßgebliche unselbständige oder selbständige Tätigkeit vorgelegen habe. Es sei für den Zeitraum vor dem 20. Juli 2016 auch nicht (im Sinne des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG) vom Vorhandensein ausreichender Existenzmittel auszugehen; zudem habe ein umfassender Krankenversicherungsschutz (abgesehen von einer Versicherung resultierend aus dem Bezug von Mindestsicherung vom 1. November 2011 bis 15. Dezember 2013) lediglich vom 13. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2006 bestanden, somit durchgängig weniger als fünf Jahre. Es sei ebenso nicht hervorgekommen, dass die Revisionswerberin "resultierend aus der

Stellung ... als Studentin der Hochschule für Musik und

darstellende Kunst" ab dem Wintersemester 1997/1998 bis 30. April 2003 ein Daueraufenthaltsrecht (aufgrund des § 51 Abs. 1 Z 3 NAG bzw. des Art. 7 Abs. 1 lit. c Freizügigkeitsrichtlinie) ableiten könne, zumal es vor dem 13. Dezember 2002 diesbezüglich schon an einem umfassenden Krankenversicherungsschutz fehle. 6 Zum eigentlichen Beschwerdevorbringen - so das Verwaltungsgericht weiter - sei auszuführen, dass für den Bedarfsmonat September 2016 nicht vom Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft aufgrund der Tätigkeit vom 21. Juli 2016 bis 30. August 2016 auszugehen sei. Die Würdigung der Tatsachen, ob die Voraussetzungen einer ordnungsgemäß bestätigten Arbeitslosigkeit des Hilfesuchenden vorlägen und ob dieser sich dem zuständigen Arbeitsmarktservice (im vorliegenden Fall insbesondere ausreichend zeitnah) zur Verfügung gestellt habe, falle alleine in den wahrzunehmenden Verantwortungsbereich des innerstaatlichen Gerichts. Es sei dabei davon auszugehen, dass sich der Betreffende "unmittelbar" nach dem Ende seiner Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsmarktservice zur Verfügung zu stellen habe. Dass dies der Revisionswerberin erst nach einem Zeitraum von zwei Wochen möglich bzw. zumutbar gewesen sei, sei weder hervorgekommen noch behauptet worden (Verweis auf VwGH 22.4.2015, 2012/10/0218, sowie auf VwGH 13.5.2011, 2009/10/0112, und den dortigen Hinweis auf EuGH 4.6.2009, Vatsouras ua, C-22/08 , C-23/08 ).

7 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin habe die belangte Behörde ihr auch nicht eine Frist bis zur gebotenen Meldung beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend zugestanden, sondern sie lediglich aufgefordert, die Meldung beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend bis spätestens 15. September 2016 vorzulegen. Von einer gebotenen unmittelbaren Vorsprache beim Arbeitsmarktservice könne bei einem ungenutzten Verstreichen eines Zeitraumes von zwei Wochen jedenfalls nicht mehr ausgegangen werden. Eine zeitlich zumindest innerhalb weniger Tage vorgenommene (wenn nicht sogar vorangehende) Meldung beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend sei in Anbetracht des Beschäftigungsendes an einem Dienstag jedenfalls möglich und für den Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft auch zwingend notwendig gewesen. § 51 Abs. 2 Z 3 NAG bzw. Art. 7 Abs. 1 lit. c Freizügigkeitsrichtlinie normiere "unabhängig von Vermittlungschancen und finanziellen Ansprüchen" als Voraussetzung für den Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer, dass sich der Betreffende der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stelle. Dies sei im Fall der Revisionswerberin "innerhalb des bei gebotener individueller Betrachtung zuzugestehenden zeitlichen Rahmens in der Gesamtschau" nicht erfolgt. Von einem Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmerin und damit einem rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 51 Abs. 2 Z 3 NAG bzw. Art. 7 Abs. 1 lit. c Freizügigkeitsric htlinie über den 30. August 2016 hinaus sei somit nicht auszugehen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 10 Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 § 4 des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 63/2010 idF LGBl. Nr. 57/2012 (Sbg. MSG), lautet auszugsweise:

"Persönliche Voraussetzungen

§ 4

(1) Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben vorbehaltlich Abs 3 nur Personen, die ihren Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Salzburg haben und zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind, gehören:

...

2. Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß den §§ 65 und 65a FPG 2005 oder gemäß den §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen;

..."

12 Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2015 (NAG), lautet auszugsweise:

"Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate

§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

  1. 1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
  2. 2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende

    Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

    3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.

...

Anmeldebescheinigung

§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

...

Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern

§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

...

Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

...

Übergangsbestimmungen

§ 81. ...

(4) Für EWR-Bürger und Schweizer Bürger, die bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen und nach dem Meldegesetz 1991 gemeldet sind, gilt ihre aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz 1991 als Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53.

..."

13 Artikel 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), lautet auszugsweise:

"Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c) - bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

...

(3) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

a) Er ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig;

b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

d) er beginnt eine Berufsausbildung; die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft setzt voraus, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

..."

14 Die vorliegende Revision erweist sich mit Blick auf die Frage der Auslegung des § 51 Abs. 2 Z 3 NAG als zulässig. 15 Die Revision bringt diesbezüglich vor, weder aus dem Gesetzestext noch aus den vom Verwaltungsgericht genannten Entscheidungen ergebe sich "die Notwendigkeit, sich sofort bzw. ‚unmittelbar' (ohne jeden Tag Zeitverzug) nach Eintritt der ‚unfreiwilligen Arbeitslosigkeit' bei der ‚zuständigen regionalen Geschäftsstelle'" des Arbeitsmarktservice (§ 51 Abs. 2 Z 3 NAG) bzw. dem zuständigen Arbeitsamt (Art. 7 Abs. 3 lit. c Freizügigkeit srichtlinie) zur Verfügung zu stellen. Es habe sohin keine Verpflichtung der Revisionswerberin bestanden, "sich bereits vor dem 14.09.2016 durch Meldung bei der zuständigen AMS-Behörde dem Arbeitsmarkt" zur Verfügung zu stellen. Selbst bei "strenger Auslegung" der zeitlichen Komponente des "Sich-Zur-Verfügung-Stellens für den Arbeitsmarkt" sei ein Zeitraum von 14 Tagen einschließlich von zwei Wochenenden als angemessen anzusehen, um die Meldung beim Arbeitsmarktservice als rechtzeitig im Sinne der in Rede stehenden Normen einstufen zu können.

16 Dem ist nicht zu folgen:

17 Nach § 51 Abs. 2 Z 3 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 leg. cit. dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt. Dieser Bestimmung liegt Art. 7 Abs. 3 lit. c Freizügigkeitsrichtlinie zugrunde.

18 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist dieser Bestimmung eine dem Arbeitnehmer eingeräumte Frist für das "Zur-Verfügung-Stellen" bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, bei deren Einhaltung von einem Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft auszugehen wäre, nicht zu entnehmen. Vielmehr stellt die Bestimmung darauf ab, dass die Erwerbstätigeneigenschaft nach Ablauf eines - wie hier - auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages nur dann erhalten bleibt, wenn der Arbeitnehmer nach Ende der befristeten Tätigkeit, die die Arbeitnehmereigenschaft begründet hat, sich - bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit - der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "zur Verfügung stellt". Das Gesetz bietet keinen Hinweis darauf, dass trotz des Umstandes, dass der Betreffende sich nach Ende der befristeten Tätigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht (unverzüglich) zur Verfügung stellt, die Arbeitnehmereigenschaft dann, wenn er dies nachträglich tut, gleichsam rückwirkend wiederauflebte. Einem derartigen Verständnis steht der insofern klare Wortlaut der Bestimmung entgegen, der von einem "Erhalt" der Arbeitnehmereigenschaft trotz Beendigung der Tätigkeit (und nicht von einem nachträglichen Wiederaufleben derselben) und einem (in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkten und somit andauernden) "Zur-Verfügung-Stellen" zwecks Vermittlung eines neuen Arbeitsverhältnisses ausgeht. Nichts anderes ergibt sich aus der zugrundeliegenden Bestimmung des Art. 7 Abs. 3 lit. c Freizügigkeitsrichtlinie.

19 Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung, die Erwerbstätigeneigenschaft sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 51 Abs. 2 Z 3 NAG nicht erhalten geblieben, weil die Revisionswerberin sich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erst rund zwei Wochen nach Ende der befristeten Beschäftigung zur Verfügung gestellt habe, begegnet fallbezogen daher keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes. Auf Abgrenzungsfragen im Hinblick darauf, wann ein Zur-Verfügung-Stellen bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in tatsächlicher Hinsicht als möglich anzusehen ist (vgl. zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Arbeitslosenversicherungsges etz 1977 bei Eintritt der Arbeitslosigkeit an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag dessen § 17 Abs. 1), ist bei der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht einzugehen. 20 Soweit die Revisionswerberin im Weiteren die Ansicht vertritt, sie erfülle alle Voraussetzungen für ein Aufrechtbleiben der Arbeitnehmereigenschaft nach den genannten Bestimmungen auch deshalb, weil sie aufgrund einer Verfahrensanordnung der Mindestsicherungsbehörde darauf vertrauen habe dürfen, dass diese "es als zeitlich ausreichend ansieht, wenn die (Revisionswerberin) bis spätestens 15.09.2016 einen Nachweis über die ‚AMS-Anmeldung als arbeitslos/arbeitssuchend und Einhaltung aller AMS-Termine und -Maßnahmen' vor(...)legt", genügt es darauf hinzuweisen, dass es nach den oben genannten Bestimmungen auf ein Zur-Verfügung-Stellen bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, nicht aber darauf ankommt, wann dieser Umstand der Mindestsicherungsbehörde bekanntzugeben ist. Davon abgesehen kann aber auch keine Rede davon sein, dass die ins Treffen geführte Verfahrensanordnung der Mindestsicherungsbehörde anderes zum Ausdruck bringt als die Aufforderung, die genannten Nachweise der Mindestsicherungsbehörde bis zum 15. September 2016 vorzulegen.

21 Soweit die Revisionswerberin zudem geltend macht, sie habe schlüssig begründet, warum sie nicht unmittelbar nach dem 30. August 2016 beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen und um Vermittlung ersucht habe (es wird insoweit auf einen "eigeninitiativen Versuch", einen Arbeitsplatz zu finden, verwiesen bzw. auf eine im fraglichen Zeitraum stattgefundene Entscheidungsfindung dahin, eine neuerliche Tätigkeit beim selben Arbeitgeber nicht mehr anzustreben), und das Verwaltungsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt, sodass wesentliche Feststellungs- und Begründungsmängel vorlägen, ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem oben Gesagten darauf nicht ankommt. Dieses Vorbringen ist daher von vornherein nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. 22 Die Revision bringt auch vor, die Revisionswerberin könne sich auf ein gemäß "§ 81 Abs. 4 NAG ‚übergeleitetes' dauerndes, unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen". Es bestehe aus diesem Grund spätestens seit dem 1. Jänner 2006 "ein dauerndes Aufenthaltsrecht" der Revisionswerberin in Österreich. 23 Auch damit ist die Revision nicht im Recht:

24 Nach der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 4 NAG gilt für EWR-Bürger und Schweizer Bürger, die bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (dem 1. Jänner 2006) rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen und nach dem Meldegesetz 1991 gemeldet sind, ihre aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz 1991 als Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53 NAG.

25 Unabhängig von der Frage der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Norm sieht diese - als Rechtsfolge - lediglich vor, dass eine aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz 1991 als Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53 NAG "gilt". Einer Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53 NAG kommt allerdings im gegebenen Zusammenhang bloß deklarative Wirkung - und auch keine Bindungswirkung für die Mindestsicherungsbehörde - zu (vgl. VwGH 9.8.2016, Ro 2015/10/0050, VwSlg. 19429 A; siehe etwa auch VwGH 26.4.2016, Ra 2015/09/0137, VwSlg. 19357 A, zur Aufenthaltskarte nach § 54 NAG in Bezug auf die Ausländerbeschäftigungsbehörde; vgl. weiters VwGH 26.2.2013, 2010/22/0182, zur Anmeldebescheinigung bzw. Aufenthaltskarte eines anderen EU-Staates, der keine Bindungswirkung zukommt; vgl. auch die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach sich eine Anmeldebescheinigung nur auf das Aufenthaltsrecht bezieht, sodass ihre nur deklarativ wirkende Ausstellung keine Auswirkung auf den Sozialleistungsanspruch hat: OGH 20.2.2018, 10 ObS160/17b; 19.7.2016, 10 ObS 31/16f; 19.7.2016, 10 ObS 53/16s; 10.5.2016, 10 ObS 15/16b).

26 Die Annahme der Revisionswerberin, ihr komme im Grunde des § 81 Abs. 4 NAG ein "dauerndes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht" zu, ist demnach verfehlt (vgl. auch EuGH 21.7.2011, Dias, C- 325/09 , Rn. 53 ff, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt zum Erwerb des Daueraufenthaltsrechtes nicht vorliegt, wenn zwar eine innerstaatliche, bloß deklaratorisch wirkende Aufenthaltserlaubnis bestanden hat, die unionsrechtlichen Voraussetzungen für einen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat aber nicht bestanden haben). 27 Soweit die Revision schließlich Ermittlungsm��ngel im Hinblick auf das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts der Revisionswerberin rügt, wird schon die Relevanz der behaupteten Verfahrensfehler nicht dargelegt, zumal die Revision jegliche konkrete Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und den dieser Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen vermissen lässt (vgl. auch den die Revisionswerberin betreffenden hg. Beschluss vom 24. April 2018, Ro 2016/10/0037).

28 Die sich somit als unbegründet erweisende Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 30. April 2019

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