VwGH Ra 2017/10/0007

VwGHRa 2017/10/00074.7.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des Stadtschulrates für Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. November 2016, Zl. W128 2130401-1/15E, betreffend Beendigung des Schulbesuchs (mitbeteiligte Partei: J M in W), den Beschluss gefasst:

Normen

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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100007.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. November 2016 wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 20. Juni 2016 stattgegeben und festgestellt, dass rücksichtswürdige Gründe im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV) vorgelegen seien und die Eigenschaft der Mitbeteiligten als Studierende des Aufbaulehrgangs für Tourismus für Berufstätige der Höheren Bundeslehranstalt für Tourismus und wirtschaftliche Berufe in Wien aufgrund von rücksichtswürdigen Gründen nicht beendet sei. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht ging im Wesentlichen davon aus, dass infolge einer Erkrankung der Mitbeteiligten (an Epilepsie und einer Angststörung), einer Erkrankung der Mutter (an Krebs) und einer Erwerbstätigkeit der Mitbeteiligten Umstände vorlägen, die "in Kombination, in Zusammenhang mit ihrer zeitlichen Lage und Dauer, jedenfalls rücksichtswürdige Gründe" im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV darstellten.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/04/0109, mwN). In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2017/10/0187, mwN).

7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wann "rücksichtswürdige Gründe vorliegen, bzw. welche Gründe als rücksichtswürdige Gründe in Betracht kommen".

8 Mit diesem Vorbringen wird allerdings weder konkret dargelegt, unter welchem Aspekt es im Revisionsfall einer höchstgerichtlichen Klärung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "rücksichtswürdige Gründe" in § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV bedarf, noch, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, ist der Revision doch nicht einmal die Behauptung zu entnehmen, dass die vom Verwaltungsgericht als ausschlaggebend angesehene Kombination aus eigener Erkrankung der Studierenden, Erkrankung einer nahen Angehörigen und vorliegender Erwerbstätigkeit keinen rücksichtswürdigen Grund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 4 SchUG-BKV darzustellen vermag.

9 Im Übrigen kann die Frage, ob "rücksichtswürdige Gründe" vorliegen, nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. zu "besonders berücksichtigungswürdigen Gründen" nach § 10 Abs. 1 BSchEG 1957 etwa VwGH 22.11.1990, 89/09/0018, VwSlg. 13320 A, mwN). Im Hinblick auf eine derartige einzelfallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichtes läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Derartiges zeigt die Revision aber nicht auf.

10 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision im Weiteren geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Überprüfungsbefugnis bei Ermessensentscheidungen ab, wird damit eine grundsätzliche Rechtsfrage schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Beurteilung, ob das Fehlen des erfolgreichen Abschlusses von Modulen im vorgesehenen Mindestausmaß "auf rücksichtswürdige Gründe zurückzuführen ist" - anders als dies der Revisionswerber aus Formulierungen der Gesetzesmaterialien abzuleiten versucht - keine Ermessensentscheidung darstellt.

11 In der Zulässigkeitsbegründung wird schließlich geltend gemacht, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil dem Revisionswerber - als belangter Behörde vor dem Verwaltungsgericht - zu den von der Mitbeteiligten nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Urkunden kein Parteiengehör eingeräumt worden sei.

12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel - wie dargelegt - voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/10/0037, mwN). Derartiges wird vom Revisionswerber mit dem bloßen Verweis darauf, es hätte bei Gewährung von Parteiengehör eine Stellungnahme abgegeben bzw. die Einholung eines medizinischen Gutachtens beantragt werden können, jedoch nicht aufgezeigt.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juli 2018

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