VwGH Ra 2017/03/0018

VwGHRa 2017/03/001830.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des J B in W, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23/1, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. Dezember 2016, Zl VGW-103/040/10398/2015-15, betreffend Waffenverbot gemäß § 12 WaffG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52;
WaffG 1996 §12 Abs1;
AVG §52;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 A. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Auf dem Boden des § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

2 B. Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses verfügte der Revisionswerber seit 1972 über eine Waffenbesitzkarte und war seit 1976 im Besitz eines Waffenpasses. Im März 2014 wurde der Revisionswerber im Zuge einer psychotischen Episode - er hielt sich für einen auserwählten Sioux-Indianer, sprach mit einer imaginären Frau Heidi, die er in seinem Kronleuchter wahrnahm und die ihn bedrohte, und attackierte diese mit einem Holzstab und einem Messer - nach den Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes im Sozialmedizinischen Zentrum Wien Ost (SMZ Ost) aufgenommen. Die in seinem Besitz befindlichen Waffen wurden vorläufig sichergestellt. Mit Schreiben vom 13. März 2014 regte das SMZ Ost ein Waffenverbot an und begründete dies mit dem Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung des Revisionswerbers. Der Revisionswerber hielt sich vom 9. März 2014 bis zum 9. April 2014 in der psychiatrischen Abteilung des SMZ Ost auf. Aus dem Schreiben des SMZ Ost vom 23. April 2014 geht hervor, dass die Entlassungsdiagnose "psychotische Störung alkoholischer Genese F10.5" lautet. Der Revisionswerber nimmt seit diesem Vorfall regelmäßig Medikamente ein. Aufgrund von Panikattacken befand sich der Revisionswerber vom 27. April 2015 bis zum 13. Mai 2015 neuerlich in stationärer psychiatrischer Behandlung.

3 In ihrem Gutachten vom 9. Juni 2015 kam die Amtsärztin der Landespolizeidirektion Wien zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Vorliegens einer psychiatrischen Erkrankung, welche Schwankungen unterliege und nur mit regelmäßiger Medikamenteneinnahme und regelmäßiger Kontrolle beim Psychiater behandelt werden könne, die Verlässlichkeit nach § 8 WaffG nicht mehr gegeben sei. Der Revisionswerber sei nur deswegen psychisch stabil, weil er regelmäßig und bedingungslos Medikamente nehme. Trotzdem aber liege eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis vor, weshalb der Revisionswerber von Waffen ferngehalten werden solle. Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 teilte der Revisionswerber über seinen Rechtsvertreter mit, dass er die Ansicht der Gutachterin teile und seine Verlässlichkeit nicht mehr gegeben sei. Seit seiner Entlassung aus dem SMZ Ost am 13. Mai 2015 nimmt der Revisionswerber regelmäßig notwendige (näher genannte) Medikamente und kommt zu Kontrolluntersuchungen ins SMZ Ost. In einem Arztbrief des SMZ Ost vom 25. August 2016 wird ausgeführt, dass die Erkrankung stabil sei und es gegen das Waffenverbot aus fachärztlicher Sicht keine Einwände gebe. Die Kontrolltermine sind im Abstand von zwei Monaten notwendig.

4 Mit Mandatsbescheid vom 13. März 2014 verbot die Landespolizeidirektion Wien dem Revisionswerber gemäß § 12 Abs 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) den Besitz von Waffen und Munition. Dagegen erhob der Revisionswerber Vorstellung.

5 Mit Bescheid vom 22. Juli 2015 wies die Landespolizeidirektion Wien die Vorstellung ab und bestätigte den Mandatsbescheid.

6 C. Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde ab (Spruchpunkt I.) und wies diese, soweit sie sich gegen die Nichtausfolgung der beschlagnahmten Waffen richtet, zurück (Spruchpunkt II.), ferner erklärte es die Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt III.). Begründend wurde diese Entscheidung auf das festgestellte psychiatrische Krankheitsbild des Revisionswerbers gestützt.

7 D. Gegen Spruchpunkt I. dieser Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber im Wesentlichen vor, dass im gegenständlichen Fall einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs insofern grundsätzliche Bedeutung zukäme, als sowohl der Bescheid der Landespolizeidirektion Wien als auch das angefochtene Erkenntnis konkrete Tatsachen, welche die Gefährlichkeitsprognose des § 12 WaffG rechtfertigen würde, gar nicht feststellt bzw die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen die Gefährdungsprognose jedenfalls nicht rechtfertigten.

8 E. Gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. § 12 Abs 1 WaffG erlaubt es nach der ständigen Rechtsprechung, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen und Munition überhaupt zu verbieten. Bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren ist im Hinblick auf den dem WaffG (allgemein) innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen; der Begriff der nach dieser Bestimmung maßgeblichen "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe ist daher nicht restriktiv auszulegen. Bei einem Waffenverbot wird nicht über eine strafrechtliche Anklage (iSd Art 6 EMRK) entschieden, vielmehr handelt es sich um eine administrativrechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung (vgl dazu VwGH vom 13. September 2016, Ra 2016/03/0085, mwH, worauf gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird). § 12 Abs 1 WaffG verlangt für die Verhängung eines Waffenverbotes nicht, dass bislang schon eine missbräuchliche Verwendung von Waffen mit einer Gefährdung von Personen oder Sachen erfolgt sein muss (weshalb die Verhängung eines Waffenverbots auch nicht voraussetzt, dass die betroffene Person in Besitz von Waffen steht). Ohne einen "waffenrechtlichen Bezug" des bisherigen Verhaltens kommt eine Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG 1996 bei psychischen Beeinträchtigungen dann in Betracht, wenn deren konkrete Auswirkungen und Symptome in der im jeweiligen Einzelfall vorliegenden Ausprägung für sich genommen eine Gefährdung im erwähnten Sinn befürchten lassen (vgl etwa VwGH vom 17. September 2003, 2001/20/0004, und VwGH vom 27. November 2012, 2012/03/0134, mwH). Derartige Feststellungen können aber grundsätzlich nur auf der Basis eines schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens getroffen werden.

9 Der Revisionswerber wendet sich nicht konkret gegen die wiedergegebenen Ausführungen in der bekämpften verwaltungsgerichtlichen Entscheidung betreffend seine (mit Hilfe medizinischer sachverständiger Personen, insbesondere im Rahmen der genannten Entlassungsdiagnose festgestellte) psychische Erkrankung und sein darauf fußendes Verhalten. Dass der Revisionswerber daran gehindert gewesen wäre, im Rahmen des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht selbst ein Sachverständigengutachten dazu vorzulegen, ist nicht erkennbar, weshalb sich sein Vorbringen bezüglich der Möglichkeit der Vorlage eines solchen Gutachtens als nicht zielführend erweist. Vor diesem Hintergrund bewegt sich das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung, wonach die von ihm festgestellten Tatsachen im Hinblick auf das psychiatrische Krankheitsbild des Revisionswerbers die Annahme rechtfertigt, dass der Revisionswerber künftig durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte, innerhalb der Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs.

10 F. In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2017

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