VwGH Ra 2016/22/0119

VwGHRa 2016/22/011927.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des S T in W, vertreten durch MMag. Dr. Irmtraud Oraz, Rechtsanwältin in 1150 Wien, Goldschlagstraße 64/26, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Oktober 2016, VGW- 151/082/6482/2016-8, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52 impl;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
AVG §52 impl;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §29 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde des Revisionswerbers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 17. Februar 2016, mit dem sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Angehöriger" abgewiesen wurde, als unbegründet ab. Es führte dazu im Wesentlichen aus, der Erteilung des Aufenthaltstitels stünden das allgemeine Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie das Fehlen der besonderen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 21a Abs. 1 NAG entgegen, die Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 3 Z 2 und des § 21a Abs. 5 Z 2 NAG seien jeweils nicht erfüllt.

Die Revision wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig erklärt.

2.2. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung bzw. ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

3.1. Der Revisionswerber macht geltend, es bestünden Zweifel, ob im Hinblick auf seinen physischen und psychischen Gesundheitszustand im Sinn des § 21 Abs. 3 Z 2 NAG die Ausreise nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei sowie ob der Ausnahmetatbestand des § 21a Abs. 4 NAG vorgelegen sei, es wäre "aufgrund der möglichen schwer wiegenden Konsequenzen für den Antragsteller eine entsprechende fachmedizinische Diagnose zu veranlassen" gewesen.

3.2. Soweit der Revisionswerber mit diesem Vorbringen einen Verfahrensmangel behauptet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision in einem solchen Fall neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision auch von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann freilich nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - dargetan wird (vgl. den hg. Beschluss vom 24. November 2016, Ra 2015/08/0194). Eine - wie vorliegend - im Rahmen der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe nicht weiter substanziierte Behauptung eines Verfahrensmangels reicht indessen nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 16. August 2016, Ra 2015/08/0074, mwN).

3.3. Im Übrigen war die amtswegige Veranlassung einer fachmedizinischen Diagnose unter den konkreten Umständen des Falls auch nicht angezeigt. Das Verwaltungsgericht hat sich in der mündlichen Verhandlung mit dem Revisionswerber eingehend auseinandergesetzt und sich insbesondere im Rahmen der Einvernahme einen unmittelbaren persönlichen Eindruck über dessen physischen und psychischen Zustand verschafft. Im Hinblick auf die dabei gemachten, im angefochtenen Erkenntnis nachvollziehbar gewürdigten Wahrnehmungen ist das Verwaltungsgericht fallbezogen nicht unvertretbar zum Ergebnis gelangt, dass die Ausreise aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nicht im Sinn des § 21 Abs. 3 Z 2 NAG als unmöglich oder unzumutbar und auch die Erbringung eines Sprachnachweises nicht im Sinn des § 21a Abs. 4 NAG als unzumutbar zu erachten ist. Erstmals mit der Revision vorgelegte nach der Verkündung des angefochtenen Erkenntnisses eingeholte ärztliche Stellungnahmen sind auf Grund des Neuerungsverbots (§ 41 VwGG) unbeachtlich.

4.1. Der Revisionswerber bringt ferner vor, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, wie die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Hinblick auf das Lebensalter des Revisionswerbers von knapp 80 Jahren sowie dessen behauptete Hilfsbedürftigkeit bzw. Orientierungslosigkeit bei der Feststellung des tatsächlichen Bestehens der Tatbestände nach § 21 Abs. 3 Z 2 bzw. § 21a Abs. 4 NAG zu gewichten seien.

4.2. Soweit sich der Revisionswerber mit diesem Vorbringen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zu einer diesbezüglichen Überprüfung im Allgemeinen nicht berufen ist. Die Beweiswürdigung ist einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich, als es (insbesondere) um die Frage geht, ob die vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. März 2016, Ra 2016/22/0017).

Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht legte die wesentlichen Erwägungen für die Beweiswürdigung in seinem Erkenntnis dar, wobei nicht davon auszugehen ist, dass die vorgenommene Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Dem vermag der Revisionswerber auch in der Zulassungsbegründung nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.

4.3. Soweit sich der Revisionswerber - mit Blick auf § 21 Abs. 3 Z 2 und § 21a Abs. 5 Z 2 NAG - gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 19. November 2014, Ra 2014/22/0123, und vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0203).

Vorliegend kann die vom Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und unter ausreichender Berücksichtigung aller maßgeblichen Aspekte erzielte Lösung nicht als unvertretbar angesehen werden. Gegenteiliges wird auch in der Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt. Im Übrigen werden keine Fragen dargelegt, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzen oder die es im Einzelfall erforderlich machen, aus Gründen der Rechtssicherheit oder Rechtseinheitlichkeit korrigierend einzugreifen.

5. Insgesamt werden daher in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2017

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