Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §67;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGVG 2014 §24;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016210316.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste Mitte Juli 2013 illegal nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 27. November 2013 abwies; unter einem verfügte es die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 2. April 2014, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Im Übrigen verwies das BVwG "das Verfahren" gemäß § 75 Abs. 19 und 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.
2 Mit Bescheid vom 21. Juni 2016 sprach das BFA sodann aus, dass dem Revisionswerber eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 5. September 2016 (mit nicht weiter relevanten Maßgaben) als unbegründet ab und es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
6 Diesbezüglich wird in der Revision zunächst die Unterlassung der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung bemängelt und dazu (zusammengefasst) die Meinung vertreten, es bestünde in einem Verfahren wie dem vorliegenden eine "absolute Verhandlungsgarantie", deren Verletzung ohne nähere Prüfung einer Relevanz zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müsse. Bei einer "Ausweisungsentscheidung" bedürfe es, "wenn sie seriös sein soll", stets des persönlichen Eindrucks vom Betroffenen.
7 Bei diesen Ausführungen lässt der Revisionswerber jedoch § 21 Abs. 7 BFA-VG außer Acht. Diese Bestimmung erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. zu dieser Voraussetzung des Näheren das Erkenntnis vom 22. Jänner 2015, Ra 2014/21/0052, Punkt 4. der Entscheidungsgründe, in dem auf das grundlegende Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, und auf das Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039, Bezug genommen wird). Aus dieser Regelung, die im Übrigen im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht (vgl. den Beschluss vom 25. Februar 2016, Ra 2016/21/0022, Rz 19), ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision darzutun (siehe idS bereits die Ausführungen in der Rz 18 des zuletzt genannten Beschlusses, sowie darauf Bezug nehmend beispielsweise die Beschlüsse vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0302, Rz 9, und vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0179, Rz 13). Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch wiederholt darauf hingewiesen hat, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände (vgl. zuletzt zusammenfassend das Erkenntnis vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0289, Rz 12, mwH). Daraus ist aber - entgegen der Meinung in der Revision - noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In dem zuletzt genannten Erkenntnis (Rz 15 iVm Rz 12) hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich unter Bezugnahme auf in diesem Sinn ergangene Vorjudikatur dargelegt, dass in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben kann.
8 Von einem solchen in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eindeutigen Fall durfte das BVwG aber hier angesichts des erst knapp mehr als dreijährigen, auf einem unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz beruhenden Aufenthalts des ledigen Revisionswerbers in Österreich, während dessen keine besonders nachhaltige Integration erfolgte, durchaus ausgehen, sodass die Unterlassung der mündlichen Beschwerdeverhandlung fallbezogen keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt.
9 Die weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision beziehen sich auf die Verhältnisse bei einer Rückkehr des Revisionswerbers in die Türkei. Diesbezüglich hat das BVwG tragend die Auffassung vertreten, dass in Bezug auf den Revisionswerber keine maßgebliche Lageänderung im Verhältnis zur Beurteilung im Erkenntnis vom 2. April 2014 eingetreten sei. Auch unter Einbeziehung der aktuellen notorischen Lage in der Türkei, insbesondere des allgemein bekannten Putschversuchs und der hierauf erfolgten Reaktion der Regierung, sei nicht festzustellen, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch unter Berücksichtigung eines in der Beschwerde zitierten Berichts von Amnesty International ergebe sich nicht, dass gegenwärtig Kurden generell allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt oder staatlichen Repressionen unterworfen wären. Auf diese Feststellungen wird in der Revision nicht konkret eingegangen und demzufolge auch nicht die Richtigkeit dieser Annahmen unter Bezugnahme auf bestimmte Quellen zu widerlegen versucht. Angesichts dessen gelingt es nicht, mit den diesbezüglich bloß pauschalen Behauptungen des Vorliegens von Ermittlungsmängeln die Zulässigkeit der Revision darzutun.
10 Schließlich gehen auch die Ausführungen, mit denen die Verfassungswidrigkeit der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 16 Abs. 1 BFA-VG (idF des FrÄG 2015) geltend gemacht wird, ins Leere. Derartige Normbedenken sind nämlich nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuwerfen (siehe etwa den Beschluss vom 29. April 2015, Ra 2015/06/0041, und daran anschließend den Beschluss vom 8. September 2016, Ra 2015/11/0117, Rz 54; siehe auch den Beschluss vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0090, je mwN). Im Übrigen hat der Revisionswerber den hierfür zuständigen Verfassungsgerichtshof ohnehin (parallel) mit Beschwerde angerufen.
11 Davon ausgehend erweist sich die Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
Wien, am 17. November 2016
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