VwGH Ra 2016/21/0190

VwGHRa 2016/21/019030.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des R S, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Mauhart, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Jahnstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2016, Zl. G306 2113933-1/6E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §67;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §67;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers, eines deutschen Staatsangehörigen, gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit dem gegen ihn gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden war, als unbegründet ab. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes gewährt.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, dass sich der Revisionswerber seit dem 25. Februar 2011 im Bundesgebiet aufhalte und über eine Anmeldebescheinigung verfüge. Auch seine Ehefrau und seine drei minderjährigen Kinder hielten sich in Österreich auf. Der Revisionswerber sei mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 12. Februar 2014 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 206 Abs. 1 StGB, wegen sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 207 Abs. 1 StGB, wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses gemäß § 212 Abs. 1 Z 2 StGB und wegen (schwerer) Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 StGB verurteilt worden. Es sei letztlich (nach Hinaufsetzung durch den Obersten Gerichtshof) eine unbedingte Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren verhängt worden. Dem sei zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber von 2003 bis 2011 wiederholt seine unmündige minderjährige Stieftochter (beginnend im Alter von fünf Jahren) unter Ausnützung eines zuvor aufgebauten Vertrauens- und Autoritätsverhältnisses sowie teilweise unter Zwang und Anwendung von Gewalt (in näher beschriebener Weise) sexuell missbraucht habe. Darüber hinaus habe er seine Stieftochter von 2009 bis 2011 gewalttätig behandelt, was im Sommer 2011 darin gegipfelt sei, dass er ihr mit den Zacken einer Gabel in den Oberschenkel gestochen habe. Er habe auch weitere Personen zum Teil schwer verletzt.

3 In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Bundesverwaltungsgericht zunächst - mit ausführlicher Begründung - auf Grund des persönlichen Verhaltens des Revisionswerbers das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, im Sinn des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG. Auch die gemäß § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen habe eine Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen können. Auf Grund seiner Inhaftierung weise er kein aufrechtes Familienleben mehr auf; er könne sich folglich auch nicht mehr um seine - nach seinem Vorbringen kranke und hilfsbedürftige - Ehefrau kümmern. Die Obsorge für seine minderjährigen Kinder sei ihm entzogen worden. Er sei in Österreich nur äußerst kurzfristig erwerbstätig gewesen. Der vom Revisionswerber ausgehenden nachhaltigen Gefährlichkeit könne letztlich nur mit einem unbefristeten Aufenthaltsverbot begegnet werden.

4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, es sei die Frage zu klären, "ob einem voll in Österreich integrierten EWR-Bürger, der seine gesamte Familie in Österreich hat, keinerlei Familienanbindung in seinem Heimatland mehr hat und sich legal in Österreich aufhält, in einen anderen EWR-Staat abgeschoben werden kann". Darüber hinaus stelle sich die Frage, "ob bei Attestierung der tatsächlichen Ungefährlichkeit ausschließlich auf eine strafrechtliche Verurteilung Bezug genommen wird".

8 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Aufenthaltsverbot zu Recht auf § 67 FPG gestützt, der diese Maßnahme (u.a.) gegenüber unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern zulässt. Bei der Bejahung der maßgeblichen Gefährdungsprognose hat es sich nicht mit einer Bezugnahme auf die strafgerichtliche Verurteilung begnügt, sondern ausreichende Feststellungen zum persönlichen Verhalten des Revisionswerbers getroffen und sich damit auseinandergesetzt. Angesichts der schwerwiegenden vom Revisionswerber begangenen Straftaten kann auch das Ergebnis der vom BVwG - unter Einbeziehung der vom Revisionswerber in der Beschwerde behaupteten Umstände - vorgenommenen Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG nicht beanstandet werden. Soweit in der Revision noch in den Raum gestellt wird, dass die Verurteilung auf einem Rechtsirrtum beruht habe, ist auf die Bindungswirkung des rechtskräftigen inländischen Strafurteils hinzuweisen.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juni 2016

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte