VwGH Ra 2016/18/0323

VwGHRa 2016/18/03232.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des S A in E, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2016, Zl. I408 2133981-1/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §19 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §19 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, beantragte am 12. April 2013 in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er vor, aufgrund seiner sexuellen Orientierung Verfolgung zu fürchten.

2 Mit Bescheid vom 16. August 2015 (gemeint wohl: 2016) wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Der Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 bis 5 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. September 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde zur Gänze als unbegründet ab.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

6 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7 In seiner außerordentlichen Revision rügt der Revisionswerber zunächst das Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis darauf, dass der vom BFA erhobene Sachverhalt nicht die gebotene Vollständigkeit aufweise und sich das BVwG zwar der Beweiswürdigung des BFA angeschlossen habe, sich aber auch auf zusätzliche Erwägungen stütze. Auf der Grundlage dieser Revisionsausführungen lässt sich nicht erkennen, dass das BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018) abgewichen wäre. Der Revisionswerber hat die vom BFA getroffenen Feststellungen in seiner Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Das BVwG hat sich den - tragenden - beweiswürdigenden Erwägungen des BFA angeschlossen. Die ergänzenden Erwägungen runden das Gesamtbild nur ab, sind aber für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht ausschlaggebend (vgl. VwGH vom 18. Juni 2014, Ra 2014/20/0002). Damit war der Sachverhalt jedoch im Sinne der hg. Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht nicht als ungeklärt zu betrachten.

Fallbezogen ist das BFA vor dem Hintergrund des eindeutigen Ergebnisses des der Entscheidung zugrunde gelegten sprach- und länderkundlichen Gutachtens von der nigerianischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers ausgegangen; das BVwG hat sich den diesbezüglichen Erwägungen, die durch die vom Revisionswerber in seiner Beschwerde vorgelegte nigerianische Geburtsurkunde gestützt wurden, angeschlossen. Ferner ging das BFA angesichts der lediglich vage gebliebenen Angaben des Revisionswerbers zum angeblichen langjährigen homosexuellen Partner in Griechenland sowie der Lebensgemeinschaft mit der vom BFA auch als Zeugin einvernommenen Mutter seines Kindes davon aus, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Gefährdung aufgrund seiner homosexuellen Orientierung nicht glaubwürdig sei.

8 Entgegen der Revision kann nicht gesagt werden, das BVwG hätte tragend auf Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers im Rahmen der Erstbefragung und späteren Vernehmungen abgestellt. Zudem ist es aber auch auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH vom 8. September 2015, Ra 2015/18/0090, mwN).

9 Soweit der Revisionswerber in der Revision erstmals vorbringt, seine Lebensgefährtin sei lesbisch und der Lebensgemeinschaft mangele es daher am Merkmal der Geschlechtsgemeinschaft, entfernt er sich mit dieser unzulässigen Neuerung (§ 41 VwGG) vom festgestellten Sachverhalt. Soweit die Revision fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zu Ermittlungspflichten in Bezug auf das Vorbringen einer Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung" geltend macht, ist ihr zu erwidern, dass eine einheitliche hg. Rechtsprechung zu den Ermittlungspflichten im Asylverfahren vorhanden ist (vgl. zum Amtswegigkeitsprinzip etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/18/0082, mwN), und sich diese nicht nach Fluchtgrund unterschiedlich darstellen.

10 Vor dem Hintergrund, dass das BVwG nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis davon ausgeht, der Revisionswerber weise keine homo- oder bisexuelle Orientierung auf, hängt die Revision auch nicht von den Ausführungen der Revision zu diesem Themenkomplex ab. Die Ausführungen der Revision zur Asylrelevanz homosexueller oder bisexueller Orientierung in Nigeria gehen daher ins Leere.

11 Insoweit sich die Revision gegen das Gutachten, mit dem die Sprachkompetenz und Landeskenntnisse des Revisionswerbers erhoben wurden, wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich das BVwG bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers nicht nur auf dieses Gutachten, sondern auch auf die vom Revisionswerber vorgelegte nigerianische Geburtsurkunde, zu der sich die Revision nicht äußert, beruft.

12 Schließlich wendet sich die Revision noch gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0265, mwN). Das BVwG hat die Umstände des Einzelfalls in seiner Interessenabwägung berücksichtigt und insbesondere das Bestehen familiärer Bindungen, aber auch die strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Das Ergebnis der vom BVwG durchgeführten Interessenabwägung kann somit nicht als unvertretbar angesehen werden.

13 Das Vorbringen, dass der Revisionswerber seit sechs Monaten eine homosexuelle Beziehung mit einem in Österreich aufhältigen Mann führe und dass die in Österreich aufenthaltsberechtigte Mutter seines aufenthaltsberechtigten Kindes an einer chronischen Krankheit leide und daher auf seine Unterstützung im Alltag angewiesen sei, erstattet der Revisionswerber erstmals in der Revision, ohne aufzuzeigen, dass ihm dies bisher aufgrund von Verfahrensmängeln nicht möglich gewesen sei. Dieses Vorbringen verstößt daher gegen das in § 41 Abs. 1 VwGG festgelegte Neuerungsverbot. Selbiges gilt auch für das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen zur drohenden Gefahr einer Doppelbestrafung gemäß dem Dekret 33 infolge der in Österreich erfolgten Verurteilungen.

14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 2. Jänner 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte