VwGH Ra 2016/16/0022

VwGHRa 2016/16/002228.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10. Dezember 2015, Zl. LVwG 46.1-1737/2015-19, betreffend Feststellung nach § 10 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Partei: S GmbH in P, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger LL.M, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Normen

ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 litb
ALSAG 1989 §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016160022.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom 21. Jänner 2014 stellte die Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG. Die Bezirkshauptmannschaft möge feststellen, "ob die Vorhaltung der Baurestmassen auf den Grundstücken ..... alle KG P eine beitragspflichtige Tätigkeit nach dem Altlastensanierungsgesetz darstellt".

2 Die Mitbeteiligte habe für die Grundstücke ..... KG P (Abbaufeld Süd) und für die Grundstücke ..... KG P (Abbaufeld Nord) die bergrechtliche und wasserrechtliche Bewilligung zur Rekultivierung/Wiederherstellung/Verfüllung der Abbaufelder mit Bodenaushub und Tunnelausbruch genehmigt erhalten. Dies sei mit näher zitierten Bescheiden aus den Jahren 2001 bis 2005 erfolgt. Da sich erwiesen habe, dass für eine Verfüllung mit Tunnelausbruch nicht genügend Material verfügbar gewesen sei, habe die Mitbeteiligte mit Antrag vom 7. Februar 2008 um wasserrechtliche Bewilligung für die Abänderung der Nassbaggerung mit Wiederverfüllung durch den Austausch des Tunnelausbruchmaterials gegen qualitätsgesichert aufbereitete Baurestmassen angesucht. Diese Genehmigung sei für das Abbaufeld Süd mit Bescheid vom 21. April 2008 und für das Abbaufeld Nord mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 wasserrechtlich genehmigt worden.

3 Am 11. Dezember 2008 sei von der zuständigen Bergbehörde (Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung) eine Überprüfung der Anlage gemäß § 175 MinroG durchgeführt worden. Dabei sei von dieser Behörde festgelegt worden, dass für die wasserrechtlich bereits genehmigten Änderungen (Verfüllmaterial, Zwischenlagerung von Recyclingmaterial und Verfüllhöhe) eine Änderung des Gewinnbetriebsplanes anzuzeigen sei. Der montangeologische Amtssachverständige habe dazu in der Verhandlung wörtlich angeführt:

"Im Bereich der östlichen Vorschüttung wurden Manipulationsflächen hergestellt, auf denen Betonabbruch bzw. Betonfehlchargen aus dem Betonwerk zwischengelagert werden. Hier erfolgt auch die Aufbereitung (Brechen und Klassieren) der Betonteile. ..."

4 Als Beweis führte die Mitbeteiligte im erwähnten Antrag die Verhandlungsschrift einer näher bezeichneten Zahl vom 11. Dezember 2008 ("Beilage 10") an.

5 Die von der Bergbehörde geforderte Anzeige sei samt den dazugehörigen Unterlagen am 22. Jänner 2009 der zuständigen Bergbehörde übermittelt worden. Am 15. Mai 2009 sei vom montangeologischen Amtssachverständigen mitgeteilt worden, dass gegen die angezeigten Änderungen kein Einwand bestehe und die Anzeige ausreichend sei, weil die Maßnahmen dem Stand der Technik entsprächen und es sich lediglich um unwesentliche Änderungen handle. Auch der lärmschutztechnische und der immissionstechnische Amtssachverständige hätten jeweils die Änderungen zustimmend zu Kenntnis genommen. Als Beweis wurde im erwähnten Antrag eine "Anzeige der (Mitbeteiligten) vom 22.01.2009 (Beilage 11)" angeführt.

6 Die Mitbeteiligte habe daher nach Genehmigung damit begonnen, die Nassbaggerung mit Bodenaushub bis 1 m über höchst zu erwartenden Grundwasserspiegel wieder zu verfüllen und auf diese Wiederverfüllung aufbauend eine Tragschicht in unbedingt erforderlichem Ausmaß zu errichten. Zu diesem Zweck würden als Ausgangsstoff vorsortierte mineralische Baurestmassen mittels "AWG-Sammler-u. Behandlererlaubnis" für nicht gefährliche Abfälle vom 22. August 2007 direkt beim Kunden abgeholt und übernommen. Um einen kontinuierlichen qualitätsgesicherten Aufbereitungsprozess zu gewährleisten, sei es erforderlich, gewisse Mengenvorräte der vorsortierten Baurestmassen am Standort vorzuhalten. Der Aufbereitungsprozess, welcher gekoppelt an den Einbauprozess stattfinde, erfordere umfangreiche Mengenvorräte im Zwischenlager. Der Aufbereitungs- und Einbauprozess erfolge bis Ende 2013. Das Recyclingmaterial werde auf dem nach MinroG genehmigten Lager bis zu seiner Endaufbereitung und dem unmittelbar daran anschließenden Einbau zwischengelagert, wobei alle Materialien kürzer als drei Jahre gelagert würden.

7 Die Vorhaltung der Baurestmassen sei deshalb erforderlich, weil die Aufbereitung und der Einbau nur in größeren Chargen möglich seien. Eine "just in time"-Anlieferung sei auf Grund der Menge der benötigten Baurestmassen praktisch nicht möglich. Bei den vor Ort befindlichen Baurestmassen handle es sich daher um eine Vorhaltung von Baustoffen für die Errichtung einer Lastverteilerplatte und nicht um eine Lagerung von Abfällen.

8 Mit Bescheid vom 29. April 2015 stellte die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung fest, dass "die Zwischenlagerung von unaufbereiteten Baurestmassen auf den Grundstücken Nr. ..... je KG P, dem Altlastenbeitrag unterliegt und eine beitragspflichtige Tätigkeit darstellt". Unter Verweis auf ein Feststellungsverfahren betreffend andere Grundstücke der KG P führte die Bezirkshauptmannschaft aus, "auf das gegenständliche Verfahren umgelegt kann daher der Schluss gezogen werden, dass infolge des identen Sachverhaltes (Zwischenlagerung desselben Materials, dieselben Genehmigungsbescheide) auch in dieser Sache von einer beitragspflichtigen Zwischenlagerung von Abfällen ausgegangen werden kann".

9 Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2015 erhob die Mitbeteiligte dagegen Beschwerde. Sie bemängelte ein unzureichendes Ermittlungsverfahren und, dass die Bezirkshauptmannschaft sich nicht auf eingeholte fachliche Stellungnahmen von Amtssachverständigen berufe und der Mitbeteiligten zur "Komplettübernahme" der Ergebnisse des anderen Verfahrens in die Entscheidungsfindung ("offenbar samt den in diesen Verfahren eingeholten Gutachten") kein Gehör eingeräumt habe. Die Mitbeteiligte wiederholte, dass es sich bei der antragsgegenständlichen Tätigkeit um keine Lagerung, sondern um ein "Vorhalten" von vorsortierten Baurestmassen handle, die nach ihrer Zerkleinerung als Baustoff für die Errichtung eines baurechtlich genehmigten Bauwerkes (Tragschicht) Verwendung fänden. Das Vorhalten von Baustoffen - es könne keinen Unterschied machen, ob es sich um Primär-, oder Sekundärbaustoffe handle - gehöre zur Baustelleneinrichtung.

10 Die Mitbeteiligte wiederholte, es lägen sämtliche erforderlichen Bewilligungen vor. Die wasserrechtliche Bewilligung für die Abänderung der Nassbaggerung mit Wiederverfüllung durch den Austausch des Tunnelausbruchmaterials gegen qualitätsgesichert aufbereitete Baurestmassen sei für das Abbaufeld Süd mit Bescheid vom 21. April 2008, für das Abbaufeld Nord mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 erteilt worden.

11 Mit Schreiben vom 22. Jänner 2009 seien die von der Bergbehörde angeforderten Unterlagen als Änderungsanzeige vorgelegt worden. Bestandteil dieser Unterlagen sei neben der Genehmigung gemäß § 24 AWG auch der technische Bericht (wasserrechtliche Projektbeschreibung), mit der die Änderung des Verfüllmaterials von Abraum und Tunnelausbruch auf Baurestmassen angezeigt worden sei. Ebenfalls im Jänner 2009 sei vom Markscheider entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen das Bergbaukartenwerk vorgelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien keine Baurestmassen gelagert worden. Mit der Lagerung für die Aufbereitung und Verwendung als Baumaterial zur Herstellung der Tragschicht sei erst im Mai 2009, nach der Genehmigung durch die Bergbehörde, begonnen worden. Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 seien die Änderungen entsprechend den vorgelegten Unterlagen vom bergbaukundlichen Amtssachverständigen als in Ordnung befunden worden. Die angezeigten Änderungen (Verwendung (Lagerung und Einbau) von qualitätsgesichert aufbereiteten Baurestmassen) seien als unwesentliche Änderungen im Sinne der Genehmigung nach dem MinroG zur Kenntnis genommen worden. Daher lägen nach Ansicht der Mitbeteiligten seit Mai 2009 alle erforderlichen Bewilligungen vor.

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der Beschwerde statt und änderte den bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft dahingehend, dass es feststellte, die von der Mitbeteiligten auf den Grundstücken Nr. ..... je KG P vorgenommene Zwischenlagerung von unsortierten Baurestmassen unterliege nicht der Beitragspflicht gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

13 Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens stellte das Verwaltungsgericht folgenden als erwiesen angenommenen Sachverhalt fest:

Die Mitbeteiligte habe für die im Spruch genannten Grundstücke eine wasserrechtliche und eine bergrechtliche Genehmigung zur Wiederauffüllung/Wiederherstellung der darauf befindlichen Abbaufelder mit Bodenaushub und Tunnelausbruch erwirkt. Nachdem die Auffüllung mit Tunnelausbruch wegen der zu geringen Menge nicht zeitgerecht möglich gewesen sei, sei die Änderung der erteilten Genehmigungen beantragt worden, um auf denselben Flächen aufbereitete Baurestmassen einbringen zu können. Diese Genehmigung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 21. April 2008 unter der Auflage erteilt worden, dass das verwendete Material dieselbe Tragfähigkeit aufweise wie das zuvor eingebrachte. Am 11. Dezember 2008 sei daraufhin von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eine Überprüfung im Sinn des § 175 MinroG durchgeführt worden, bei der festgelegt worden sei, dass für die nunmehr vorgenommenen Änderungen (Verfüllmaterial, Zwischenlager von Recyclingmaterial und Verfüllhöhe) eine Änderung des Gewinnbetriebsplanes anzuzeigen sei. Dies auch unter dem Aspekt der mittlerweile erfolgten baurechtlichen Genehmigung der Manipulationsfläche für das zwischengelagerte Baurestmassenmaterial. Die von der Bezirksverwaltungsbehörde eingeforderte Anzeige sei mit dem geänderten Gewinnbetriebsplan am 22. Jänner 2009 vorgelegt und mit Stellungnahme des montangeologischen Amtssachverständigen vom 15. Mai 2009 zur Kenntnis genommen worden, weil die Maßnahmen dem Stand der Technik entsprächen und für die bergbautechnischen Interessen unbedenklich seien.

Um die Baurestmassen in erforderlicher Menge und Qualität zu erhalten, habe die Mitbeteiligte eine Sammlererlaubnis für nicht gefährliche Abfälle gemäß § 24 AWG (Bescheid vom 22. August 2007) erwirkt. Die so gesammelten Abfälle würden an Ort und Stelle mithilfe einer nach § 52 AWG genehmigten mobilen Behandlungsanlage aufbereitet, um für die Herstellung einer stabilen Tragschicht verwendet werden zu können. Die durchgeführten Baumaßnahmen seien regelmäßig von der MinroG-Behörde, unter anderem am 17. Mai 2011 und am 11. April 2012 überprüft worden, wobei mit Bescheid vom 20. Juni 2011 die Behebung von Mängeln beauftragt worden sei, die mit einer Übermittlung eines neuen Bergbaukartenwerkes durch die Mitbeteiligte am 28. Oktober 2011 angezeigt worden sei. Diese Änderungen seien von der Bezirksverwaltungsbehörde anlässlich einer neuerlichen Betriebsprüfung am 11. April 2012 ohne weitere Beanstandungen zur Kenntnis genommen worden. Bei dieser Verhandlung sei vom bergbautechnischen Amtssachverständigen auch nochmals darauf verwiesen worden, dass "bei Änderungen der Tätigkeiten im Bergbaugebiet, auch im genehmigten Teil der Baurestmassenzwischenlagerung, die Bergbaubehörde zu verständigen sei". Auch bei einer nochmaligen Überprüfung am 10. April 2013 sei durch die Bergbaubehörde auf das genehmigte Zwischenlager von ungebrochenen Baurestmassen Bezug genommen worden, ohne weitere Veranlassungen zu treffen, weil diese offensichtlich durch das Regime des MinroG abgedeckt gewesen seien.

14 Nach Wiedergabe rechtlicher Bestimmungen aus dem ALSAG, dem AWG und dem MinroG erwog das Verwaltungsgericht, es sei unstrittig, dass für die Einbringung der vorsortierten Baurestmassen als stabile Tragschicht für die Wiederherstellung des Abbaugebietes sowohl eine wasserrechtliche als auch eine baurechtliche Genehmigung vorliege. Da die Auffüllung in einem Bergbaugebiet liege und grundsätzlich dem Regime des MinroG unterworfen sei, sei eine gesonderte Genehmigung für diese Maßnahmen nach § 37 AWG nicht erforderlich.

15 Das Verwaltungsgericht habe im durchgeführten Ermittlungsverfahren auch feststellen können, dass im Zuge des "mehrjährigen Verfahrens" gemäß MinroG von der zuständigen Behörde angelegentlich von "diversen Überprüfungen" die vorgenommenen Änderungen im Gewinnbetriebsplan im Sinne des § 156 MinroG zur Kenntnis genommen und nicht untersagt worden seien, sodass "der zu diesem Zeitpunkt" unvertretene Betriebsinhaber von der Zulässigkeit seiner Tätigkeiten ausgehen habe dürfen. Für die Anzeige bergbaufremder Tätigkeiten seien im MinroG gesonderte Formvorschriften oder Mindestinhalte nicht normiert. Die nach ergangener Aufforderung durch die Bergbaubehörde vorgelegten Anzeigen seien von dieser ebenso unwidersprochen und ohne Hinweis auf allfällige Verbesserungen zur Kenntnis genommen worden.

16 Zur wasserrechtlichen Genehmigung für die Auffüllung des Abbaugebiets mit sortierten Baurestmassen und die entsprechende Zwischenlagerung des angelieferten, noch unsortierten Bauschutts halte das Verwaltungsgericht fest, dass für die Ablagerung von Baurestmassen im wasserrechtlichen genehmigten Projekt eine technische Baubeschreibung enthalten gewesen sei, die den Vorgang der Vorbereitung der angelieferten Baurestmassen auf eine Vorhaltefläche genauer beschreibe. Es sei der Wasserrechtsbehörde also bei der Erteilung der Genehmigung bekannt gewesen, dass eine bestimmte Menge an Baurestmassen vor dem Einbau zwischengelagert werden müsse. Es könne davon ausgegangen werden, dass bei Genehmigbarkeit der Ablagerung (Einbringung) eines bestimmten Materials in den Boden auch dessen Zwischenlagerung zulässig sein müsse. Die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes sähen keinen eigenen Genehmigungstatbestand für Zwischenlager innerhalb einer genehmigten Ablagerungsfläche vor. Der jeweilige Genehmigungsinhalt könne daher allein aus den einen integrierenden Bestandteil des Spruchs bildenden technischen Planunterlagen definiert werden.

17 Die Eignung des Ortes der in Rede stehenden Zwischenlagerung oder Vorhaltung im Sinn des § 15 Abs. 3 Z 2 AWG sei von den nach den Materiengesetzen zuständigen Behörden bestätigt worden. Die von der Wasserrechtsbehörde und von der Bergbaubehörde beigezogenen Amtssachverständigen hätten die Eignung des Ortes in Bezug auf die Verwendung (Vorhaltung bzw. Lagerung und Aufbereitung sowie Herstellung der Lastverteilerplatte) von Baurestmassen statt Tunnelausbruch in sämtlichen gutachterlichen Äußerungen bestätigt. Der hydrogeologische Amtssachverständige habe in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass das Material eingebaut werden dürfe und nicht von einer Beeinträchtigung des Grundwassers auszugehen sei. Auch die Lagerung sei deshalb ohne Folgen für die Grundwasserqualität. Der montangeologische Amtssachverständige habe festgestellt, dass gegen die eingereichte Projektänderung auf Basis der Genehmigung nach dem MinroG kein Einwand bestehe. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass die Lagerung an einem geeigneten Ort im Sinn des § 15 Abs. 3 Z 2 AWG erfolgt sei.

18 Das Verwaltungsgericht komme daher zum Schluss, dass für die gegenständliche Zwischenlagerung der unsortierten Baurestmassen auf den genannten Grundstücken die erforderlichen Genehmigungen nach dem Wasserrechtsgesetz und dem Steiermärkischen Baugesetz vorgelegen seien und die Zwischenlagerung gemäß § 156 MinroG von der zuständigen Bergbaubehörde auch nicht untersagt worden sei. Darüber hinausgehende Genehmigungen und Nichtuntersagungen, insbesondere nach § 37 AWG, seien für dieses Zwischenlager nicht erforderlich.

19 Die dagegen erhobene (außerordentliche) Revision des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz, legte das Verwaltungsgericht unter Anschluss von Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

20 Nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) erstatteten die Mitbeteiligte und die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde Revisionsbeantwortungen.

21 Der Revisionswerber erachtet sich ersichtlich im Recht auf Feststellung verletzt, dass die in Rede stehende Tätigkeit dem Altlastenbeitrag unterliege.

 

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

24 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

25 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seiner Revision damit, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine Beitragsfreiheit im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG zu prüfen sei, ob alle erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen, Nichtuntersagungen) für die in Rede stehende Tätigkeit im relevanten Zeitpunkt vorgelegen sind.

26 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

27 Gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG) unterliegt dem Altlastenbeitrag das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb der Erde. Als Ablagern im Sinn des ALSAG gilt nach § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b leg. cit. auch das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung.

28 Gemäß § 7 Abs. 1 ALSAG entsteht die Beitragsschuld im Fall etwa des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b leg. cit. mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die beitragspflichtige Tätigkeit vorgenommen wurde.

29 Gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG hat die Behörde in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Bundes, vertreten durch das Zollamt, durch Bescheid festzustellen, ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt.

30 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt das Lagern (oder Zwischenlagern) in einer kürzeren als in § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG genannten Zeitdauer der Altlastenbeitragspflicht, wenn nicht alle hiefür erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0041, vom 23. April 2014, 2013/07/0269, und vom 24. Jänner 2013, 2010/07/0218, sowie den Beschluss vom 25. September 2014, Ra 2014/07/0046).

31 Allenfalls erforderliche Bewilligungen müssen im Zeitpunkt des zum Entstehen der Altlastenbeitragsschuld führenden Lagerns vorliegen. Das Entstehen in dem in § 7 Abs. 1 ALSAG genannten Zeitpunkt kann durch nachträglich eingeholte Bewilligungen nicht wieder rückgängig gemacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 2013, 2011/07/0163, und das erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2013).

32 Der revisionsgegenständliche Feststellungsantrag der Mitbeteiligten enthält keine zeitliche Angabe darüber, wann diese Tätigkeit ausgeübt worden sei. Es ist lediglich aus dem Gesamtinhalt des umfangreichen Antragsschriftsatzes zu erschließen, dass die Einbringung der vorsortierten oder unsortierten Baurestmassen auf im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses bezeichneten Grundstücken im Mai 2009 begonnen habe.

33 Somit spricht der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft über einen Zeitraum "seit Mai 2009" ab, der mit dem Zeitpunkt des Erlassens des Bescheides vom 29. April 2015 endet.

34 Aus der Sicht des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG) hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Mitbeteiligte zur Aufbereitung der unsortierten Baurestmassen über eine Bewilligung für eine mobile Abfallbehandlungsanlage nach § 52 AWG verfügt habe. Mit der weiteren Annahme, das bloße Lagern der unsortierten Baurestmassen, welche durch die mobile Abfallbehandlungsanlage dann aufbereitet werden sollten, bedürfe keiner Bewilligung nach dem AWG , bewegt sich das Verwaltungsgericht auf dem Boden der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2015, Ra 2015/07/0122, und vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0010). Insoweit zutreffend hat das Verwaltungsgericht daher geprüft, ob diese Lagerung an einem geeigneten Ort im Sinn des § 15 Abs. 3 Z 2 AWG stattgefunden habe. Dieses Ergebnis des Verwaltungsgerichtes wird in der Revision nicht bekämpft.

35 Ist daher die Zwischenlagerung unsortierter Baurestmassen bis zur Aufbereitung durch eine mobile Behandlungsanlage - etwa vor dem Hintergund des § 37 Abs. 2 Z 5 AWG - keine gemäß AWG genehmigungspflichtige ortsfeste Behandlungsanlage, gehen die Ausführungen des Revisionswerbers zum Fehlen einer Bewilligung nach dem AWG ins Leere.

36 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die im angefochtenen Erkenntnis erwähnte wasserrechtliche Bewilligung vom 21. April 2008 nach den Ausführungen der Mitbeteiligten in ihrer Beschwerde vom 1. Juni 2015 sich lediglich auf das "Abbaufeld Süd" bezogen habe, die wasserrechtliche Bewilligung für das "Abbaufeld Nord" jedoch erst mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 erfolgt sei. In dem von der Mitbeteiligten als "Abbaufeld Nord" bezeichneten Bereich befinden sich allerdings nach den Ausführungen in der Beschwerde auch die Grundstücke Nr. 551/7, 323/2, 325/2, 326/2, 327, 328, 329/2, 330, 551/6, alle KG P, welche auch den Gegenstand des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses bilden.

37 Die erwähnten wasserrechtlichen Bescheide selbst sind nicht in den vorgelegten Akten des Verfahrens enthalten.

38 Schon deshalb durfte das Verwaltungsgericht zumindest für den Beginn des Feststellungszeitraumes im Mai 2009 nicht ohne weiteres vom Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung ausgehen.

39 Weiters nimmt das Verwaltungsgericht an, dass diese Zwischenlagerung einer Bewilligung nach § 153 Abs. 2 MinroG bedürfte. Eine solche Bewilligung gilt nach § 153 Abs. 2 MinroG als erteilt (Fiktion), wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Vorlage des Ansuchens von der Behörde versagt wird oder die Behörde bis zu diesem Zeitpunkt die Entscheidungsfrist nicht mit Bescheid und bis zu drei Monaten verlängert hat (Nichtuntersagung).

40 Das Verwaltungsgericht schildert im angefochtenen Erkenntnis in sehr allgemeiner Form, dass im Zuge des "mehrjährigen Verfahrens gemäß MinroG" angelegentlich von "diversen Überprüfungen" die "vorgenommenen Änderungen im Gewinnbetriebsplan" zur Kenntnis genommen und nicht untersagt worden seien. Deshalb sei der "zu diesem Zeitpunkt" unvertretene Betriebsinhaber von der Zulässigkeit seiner Tätigkeit ausgegangen. Die nach ergangener Aufforderung durch die Bergbaubehörde vorgelegten Anzeigen seien von dieser ebenso unwidersprochen und ohne Hinweis auf allfällige Verbesserungen zur Kenntnis genommen und schließlich mit dem Abschlussbetriebsplan im Jahr 2015 endgültig genehmigt worden.

41 Wann welche Anzeigen mit welchem konkreten Inhalt der Bergbaubehörde erstattet worden seien, lässt das angefochtene Erkenntnis unbeantwortet. Insbesondere die von der Mitbeteiligten im Verfahren ins Treffen geführte Anzeige vom Jänner 2009 ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten.

42 Damit kann aber nicht nachgeprüft werden, ob eine nach der oben erwähnten Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 lit. b ALSAG erforderliche Bewilligung (Nichtuntersagung) nach dem MinroG im Zeitpunkt des Beginns der Lagerung im Mai 2009 bereits vorgelegen sei.

43 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 28. Februar 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte