VwGH Ra 2016/09/0027

VwGHRa 2016/09/002730.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des A S in W, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen das am 29. Oktober 2014 mündlich verkündete und am 4. Februar 2015 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-041/028/8335/2014-12, betreffend eine Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1151;
AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
AVG 1991 §19 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art130 Abs4 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §51 Abs6;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §42;
VwGVG 2014 §45 Abs2;
VwGVG 2014 §50;
VwRallg;
ABGB §1151;
AuslBG §2 Abs2 litb;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2 impl;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
AVG 1991 §19 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art130 Abs4 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §19;
VStG §24;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §51 Abs6;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §42;
VwGVG 2014 §45 Abs2;
VwGVG 2014 §50;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 14. Oktober 2013 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, als Inhaber eines Güterbeförderungsgewerbes als Überlasser im Sinn des § 3 Abs. 2 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) und somit als Arbeitgeber einen namentlich genannten bulgarischen Staatsangehörigen, der an einen näher bezeichneten Inhaber eines konkreten Pizza-Restaurants überlassen worden sei, am 5. Dezember 2011 beschäftigt zu haben, obwohl für den Arbeitnehmer keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei. Er habe dadurch § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) und § 3 Abs. 2 AÜG übertreten, wofür über ihn gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a erster Strafsatz AuslBG eine Geldstrafe von EUR 1.120,--

sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge und es bestätigte das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass dem Revisionswerber die Beschäftigung des Ausländers nicht als "Überlasser" angelastet wurde und die Zitierung des § 3 Abs. 2 AÜG bei der verletzten Verwaltungsvorschrift entfiel. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 19. November 2015, E 664/2015-4, abgelehnt und sie über nachträglichen Antrag nach § 87 Abs. 3 VfGG mit Beschluss vom 18. Dezember 2015 dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat. In der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

4 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vielmehr im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die Zulässigkeit seiner Revision sieht der Revisionswerber zunächst darin begründet, dass die von ihm zum Beweis dafür, dass die Zustellung von Speisen und Getränken ein eigenständiges Werk darstellen könne und im konkreten Fall auch darstelle, beantragte Einholung von betriebswirtschaftlichen und berufskundlichen Sachverständigengutachten nicht erfolgt sei. Er sei auch nicht als Partei einvernommen worden, obwohl sein Rechtsvertreter sein Fernbleiben jeweils entschuldigt habe.

6 Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass es sich bei dem angesprochenen Beweisthema des Vorliegens eines Werkvertrags um eine Rechtsfrage handelt, die der Beantwortung im Rahmen einer Zeugenvernehmung oder eines Sachverständigenbeweises nicht zugänglich ist (siehe das Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, 2009/09/0298). Die nach dem Inhalt des Gerichtsakts nur in der Verhandlung vom 22. September 2014 erfolgte Entschuldigung mit einer (nicht näher ausgeführten) beruflichen Verhinderung stellt keinen tauglichen Grund für die Rechtfertigung des Nichterscheinens zur mündlichen Verhandlung dar (siehe u.a. das Erkenntnis vom 25. Juni 2013, 2012/09/0168). Ist der Revisionswerber trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen, hindert dies gemäß § 45 Abs. 2 VwGVG weder die Durchführung der Verhandlung, noch die Erlassung des Erkenntnisses (ebenso das Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ra 2014/09/0041).

7 Entgegen dem weiteren Zulassungsvorbringen erfolgte durch das Fallenlassen des Vorwurfs einer Überlassung des Arbeitnehmers durch den Revisionswerber auch keine unzulässige "Umqualifikation" des Tatvorwurfs durch das Verwaltungsgericht: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat - unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs. 6 VStG, vgl. nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen - einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl. das Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (siehe zum Ganzen das Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099). Maßgeblich für die Beurteilung ist die dem Revisionswerber zur Last gelegte Tat, nicht deren rechtliche Beurteilung (vgl. das Erkenntnis vom 24. März 2011, 2010/09/0213).

Sofern die Tätigkeit nach dem gemäß § 2 Abs. 4 erster Satz AuslBG maßgeblichen wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts einer der im § 2 Abs. 2 AuslBG angeführten Beschäftigungsarten zuzuordnen war, musste auch im Grund des § 44a Z 1 VStG nicht näher präzisiert werden, um welche es sich dabei gehandelt hat (siehe das Erkenntnis vom 26. Juni 2003, 2000/09/0125). Um die Verwendung von ausländischen Arbeitskräften als Beschäftigung im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG zu qualifizieren macht es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch keinen Unterschied, ob derjenige, der die Arbeitskräfte verwendet, selbst Arbeitgeber der Ausländer ist, oder ob im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. e AuslBG in Verbindung mit dem AÜG die Verwendung überlassener Arbeitskräfte erfolgt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Oktober 2001, 94/09/0384, uvam). Auch die Art der ausgeübten Tätigkeit ist nicht Tatbestandsmerkmal einer Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG im Sinn des § 44a VStG (siehe das Erkenntnis vom 16. September 2010, 2008/09/0194). Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber durchgehend zum Vorwurf gemacht, den Ausländer unmittelbar in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis - wenn auch zunächst: durch Überlassung an einen Dritten - beschäftigt zu haben.

Weiters besteht das Tatbild einer Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG in der Beschäftigung eines Ausländers ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Zulassung oder Bestätigung. Es ist jedoch auch nicht Tatbestandselement, welche dieser Zulassungen oder Bestätigungen im konkreten Fall nicht vorhanden gewesen ist (siehe das Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, 2012/09/0016).

8 Mit dem Hinweis auf Sozialversicherungs-Richtlinien, Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht und arbeitsrechtliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs wird in der Revision ein Abweichen von der für die vorliegende Beurteilung allein maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht aufgezeigt. Danach kommt es für eine Arbeitnehmerähnlichkeit nach § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG nicht darauf an, wie die Beziehung zum Auftraggeber zivilrechtlich zu qualifizieren ist (Werkvertrag oder freier Dienstvertrag; vgl. das Erkenntnis vom 1. Juli 2010, 2010/09/0074). Die Behörde ist in einem Verfahren wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes auch weder an eine vom Finanzamt oder der Sozialversicherung vorgenommene Einstufung des Ausländers gebunden, weil es sich bei den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes um eine vollkommen eigenständige Rechtsmaterie handelt (siehe das Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, 2008/09/0048; vgl. zur Qualifikation der Tätigkeit eines Pizzazustellers aus dem Blickwinkel des Ausländerbeschäftigungsgesetzes etwa das Erkenntnis vom 14. Jänner 2010, 2008/09/0339).

9 Mit dem weiteren, bloß allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen wird weder eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der bloß den Einzelfall betreffenden Beweiswürdigung noch konkret eine Mangelhaftigkeit in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses dargelegt.

10 Wenn sich der Revisionswerber unter dem Blickwinkel der langen Verfahrensdauer gegen die Strafbemessung wendet, ist zunächst festzuhalten, dass die Bemessung der Strafe eine Ermessensentscheidung ist, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (siehe das Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ro 2015/03/0042, sowie den Beschluss vom 17. Februar 2015, Ra 2015/09/0008, je mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ferner bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd gewertet wurde. Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Schwierigkeit des Falls, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 2014, 2013/09/0100, mwN).

11 Entgegen den Revisionsausführungen ist daher festzuhalten, dass die Zeit bis zur Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung an den Revisionswerber in die Verfahrensdauer, die - wenn auch nur zu einem geringen Teil - auch auf das Verhalten des Revisionswerbers zurückzuführen ist, der trotz ausgewiesener Ladungen den Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht fernblieb, nicht einzubeziehen war. Im konkreten Fall gelingt es den Revisionsausführungen im Zulässigkeitsvorbringen nicht, ein Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs durch das Landesverwaltungsgericht aufzuzeigen, das unter Darstellung der Milderungsgründe und unter ausdrücklicher Berücksichtigung auch der langen Verfahrensdauer sich nach Erwägung auch der Anwendung einer außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG letztlich zu einer Herabsetzung der nur knapp über der Mindeststrafe liegenden Geldstrafe nicht veranlasst sah.

12 In der Revision werden somit keine Rechtfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 30. März 2016

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