VwGH Ra 2016/08/0045

VwGHRa 2016/08/00459.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des *****, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2015, Zl. W228 2105770-1/34E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Prandaugasse, im Folgenden: AMS), den Beschluss gefasst:

Normen

AlVG 1977 §36 Abs2;
AMSG 1994 §24 Abs2;
AMSG 1994 §3 Abs3 Z1;
AVG §7 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §6;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AMSG 1994 §24 Abs2;
AMSG 1994 §3 Abs3 Z1;
AVG §7 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §6;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2013, Zl. 2013/08/0164, verwiesen.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Zuerkennung der Notstandshilfe an den Revisionswerber für näher angeführte Zeiträume widerrufen und den unberechtigt empfangenen Betrag von EUR 28.248,36 gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG zurückgefordert.

5 Die Revision bringt im Hinblick auf ihre Zulässigkeit vor, ein Mitglied des erkennenden Senates des Verwaltungsgerichts sei auch Mitglied des Regionalbeirats des AMS, "somit der Behörde 1. Instanz", und damit befangen gewesen. Zur Frage der Anrechnung von (nicht gemeldeten) Partnereinkommen für die Ermittlung der Höhe der Notstandshilfe bringt sie vor, das Verwaltungsgericht habe beantragte Zeugen nicht vernommen. Das von ihm dargelegte "Rechenwerk" reiche gemessen an der im genannten Vorerkenntnis überbundenen Rechtsansicht nicht aus, um eine Situation, die einem Untermietverhältnis entspricht, zu verneinen bzw. das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft zu bejahen.

6 Rechtsfragen des Verfahrensrechts sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte. Daran ändert es auch nichts, wenn es um Eigentumseingriffe geht, die gegebenenfalls mit staatlichem Zwang durchzusetzen sind (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2015, Zl. Ra 2015/06/0111).

Zur Befangenheit iSd § 6 VwGVG führende Zweifel an der Unabhängigkeit einer Person, die einem Gericht iSd Art. 6 EMRK angehört, könnten ua dann entstehen, wenn sie sich sowohl im Hinblick auf ihre Pflichten als auch auf die Organisation ihres Amtes im Verhältnis zu einer der Parteien in untergeordneter Stellung befindet (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 9. Oktober 2015, E1536/2014, E1595/2015). Der in Rede stehende fachkundige Laienrichter ist (weiteres) Mitglied des Regionalbeirats des AMS (§ 3 Abs. 3 Z 1 AMSG). Gemäß § 20 Abs. 2 AMSG werden die weiteren Mitglieder durch das Landesdirektorium auf Vorschlag der Kammer der gewerblichen Wirtschaft des jeweiligen Bundeslandes, der Vereinigung österreichischer Industrieller, der Kammer für Arbeiter und Angestellte des jeweiligen Bundeslandes und des österreichischen Gewerkschaftsbundes bestellt. Sie sind gemäß § 20 Abs. 8 AMSG zur gewissenhaften und unparteiischen Ausübung ihres Amtes verpflichtet und haben gemäß § 20 Abs. 7 AMSG Anspruch auf Ersatz der Reise- und Aufenthaltskosten sowie auf Entschädigung für Zeitversäumnis und auf ein angemessenes Sitzungsgeld. Es ist nicht ersichtlich, dass die bloße Mitgliedschaft zum genannten Organ des Arbeitsmarktservice im Bereich der regionalen Organisationen eine Unterordnung im Verhältnis zu einer der Parteien bzw. ein sonstiges die Unabhängigkeit des zur Rede stehenden Laienrichters in Frage stellendes Naheverhältnis begründen könnte. Auch der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt nur vor, dass der Laienrichter "aktives Mitglied der Erstbehörde" sei. Dies trifft aber, wie dargestellt, nicht zu, weil es sich beim Regionalbeirat um ein bloßes - der Behörde beigegebenes - Beratungsgremium handelt. Behördliche Funktionen kommen indes nur dem Leiter der regionalen Geschäftsstelle als monokratischem Organ zu (vgl. § 24 Abs. 2 AMSG). Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die genannte Mitgliedschaft des Laienrichters begründe keinen Befangenheitsgrund iSd § 17 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 AVG, der ihn gemäß § 6 VwGVG verhalten müsste, sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten, verletzt keine tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts.

Dasselbe gilt für die Unterlassung der Vernehmung dreier weiterer Zeugen, denen offenbar die Funktion eines Hilfsbeweises bzw. Kontrollbeweises zukommen soll (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2013, Zl. 2012/08/0026), weil der Revisionswerber mit seinem Vorbringen betreffend eine "Negativfeststellung", dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt, betreffend das Vorliegen eines "freundschaftlichen Verhältnisses" bzw. betreffend der gemeinsamen Nutzung eines PKW nicht konkret aufzeigt, welche vor dem Hintergrund der hier zu beantwortenden Rechtsfragen relevanten tatsächlichen Angaben diese Zeugen hätten machen können.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge weiters nur dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall erforderliche Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. die hg. Beschlüsse vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008, und Zl. Ra 2015/08/0003). Einen derartigen Mangel zeigt die Revision nicht auf.

Das Verwaltungsgericht hat schließlich auch die im Einzelfall erforderliche Beurteilung des Vorliegens einer "Wirtschaftsgemeinschaft" bzw. einer "Lebensgemeinschaft" mit einem im gemeinsamen Haushalt lebenden Partner iSd § 36 Abs. 2 AlVG nicht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen, sodass auch insofern keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (vgl. nochmals die hg. Beschlüsse Zl. Ra 2015/08/0008, und Zl. Ra 2015/08/0003). Das Verwaltungsgericht hat (wenngleich in unterschiedlichen Entscheidungselementen) gestützt auf konkrete Zahlungen im Wesentlichen festgestellt, dass die Beiträge der Zeugin J. (Partnerin) im Rahmen der Wohngemeinschaft - gemessen an den üblichen Gegebenheiten bei einem bloßen Untermietverhältnis - unüblich hoch waren ("wirtschaftliches Ungleichgewicht zu Gunsten des Revisionswerbers") und sie einem "wirtschaftlichen Fremdvergleich" nicht standhalten würden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles handle es sich um eine Lebensgemeinschaft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2013, Zl. 2013/08/0195), ist nicht unvertretbar.

7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. März 2016

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