Normen
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016060115.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (LVwG) wurden die Beschwerden (u.a.) der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 18. November 2015, mit welchem der mitbeteiligten Partei (Bauwerberin) die Baubewilligung für die Neuerrichtung eines Wohngebäudes mit 48 Wohneinheiten und Gewerbenutzung auf näher bezeichneten Grundstücken nach Maßgabe der näher angeführten Einreichunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen (Spruchteil II. A.), die Bewilligung für den Einbau von Lüftungs- und Kältetechnikanlagen (Spruchteil III.) sowie eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 61 Abs. 2 lit. a Salzburger Bautechnikgesetz - BauTG (Spruchteil I.) erteilt worden waren, als unbegründet abgewiesen. Das LVwG sprach weiters aus, dass eine Revision gegen diese Entscheidung unzulässig sei.
5 Zur Begründung führte das LVwG im Wesentlichen aus, es habe die in den Nachbarbeschwerden relevierte Frage der UVP-Pflicht des gegenständlichen Bauvorhabens, deren Prüfung die Baubehörde aus einer unzutreffenden Rechtsansicht heraus unterlassen habe, erstmals zu beurteilen. Zunächst sei zu prüfen, ob das Vorhaben grundsätzlich in Anhang 1 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 - UVP-G 2000 enthalten sei, wobei Z 18 Spalte 2 b) "Städtebauvorhaben", welches in FN 3a näher definiert sei, infrage komme. Lägen die Voraussetzungen für die Einordnung des Bauvorhabens als "Städtebauvorhaben" nach den wiedergegebenen Kriterien (Hinweis auf Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, Kommentar zum UVP-G3, S. 981 ff) vor, sei weiters zu prüfen, ob die in Spalte 2 festgelegten Schwellenwerte (Flächeninanspruchnahme und Bruttogeschoßflächen) durch das Bauvorhaben überschritten würden, wobei hier auch zu prüfen sei, ob das Vorhaben in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorien A oder D laut Anhang 2 UVP-G 2000 liege. Im letzteren Fall wären bei der Schwellenwertfeststellung zusätzlich die innerhalb der letzten fünf Jahre genehmigten Kapazitäten im Sinne des § 3 Abs. 2 leg. cit. miteinzubeziehen.
6 Das gegenständliche Bauvorhaben befinde sich zum überwiegenden Teil (mit Ausnahme eines Teilbereiches eines Grundstückes, auf den sich die Zu- und Abfahrt zur Tiefgarage befänden) innerhalb der 1996 ausgewiesenen UNESCO Welterbestätte "historisches Zentrum der Stadt Salzburg" und sei somit von der Kategorie A (besonderes Schutzgebiet) gemäß Anhang 2 UVP-G 2000 umfasst.
7 Die Kriterien für die Annahme eines "Städtebauvorhabens" lägen, insbesondere im Hinblick auf den Einzugsbereich, nicht vor:
Es sei zwar grundsätzlich ein multifunktionales Bauvorhaben mit Wohnungen, Büros, Geschäften und einer Tiefgarage zur Bewilligung beantragt worden. Aus dem Projekt (Hinweis auf die Baubeschreibung) lasse sich aber nicht ableiten, dass der Einzugsbereich über das Gebiet des Vorhabens hinausreiche. Schon aufgrund des geringen Größenausmaßes der geplanten Handelsbetriebe von knapp 800 m2 Verkaufsfläche sei eine über eine bloße Nahversorgung hinaus gehende Bedeutung nicht zu erkennen.
8 Unbeschadet davon würden die in Anhang 1 Z 18 Spalte 2 b) UVP-G 2000 festgelegten, kumulativ zu überschreitenden Schwellenwerte von mindestens 15 ha (= 150.000 m2) Flächeninanspruchnahme und Bruttogeschoßfläche von mehr als 150.000 m2 bei weitem nicht erreicht. Das gegenständliche Bauvorhaben mit einer Bauplatzgröße von 5.655 m2 und einer Bruttogeschoßfläche von 7.646 m2 erreiche bei der Flächeninanspruchnahme nur 3,8 % und bei der Bruttogeschoßfläche nur 5,1 % der jeweils festgelegten Schwellenwerte für eine UVP-Pflicht. Gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang 1 Z 18 Spalte 3 UVP-G 2000 für das besondere Schutzgebiet nach Kategorie A gemäß Anhang 2 leg.cit anzurechnende Kapazitäten, die innerhalb der letzten fünf Jahre genehmigt worden seien, seien weder behauptet worden noch hervorgekommen. Eine UVP-Pflicht des gegenständlichen Bauvorhabens sei sohin nicht zu erkennen.
9 Im Hinblick auf ihre subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte hätten die revisionswerbenden Parteien zunächst die Widmungswidrigkeit des Bauvorhabens durch Überschreitung der für die vorgegebene Flächenwidmung "erweitertes Wohngebiet" höchstzulässigen Verkaufsflächen geltend gemacht: Bei den Regelungen über die in einer Widmungskategorie höchstzulässigen Verkaufsflächen für Handelsbetriebe handle es sich nicht um nachbarschutzrelevante Vorschriften; mit diesen Regelungen seien subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nicht verbunden, weshalb das Vorbringen nicht näher zu prüfen sei. Anzumerken sei jedoch, dass nach dem eingereichten und von der Baubehörde bewilligten Projekt (Hinweis insbesondere auf die Verkaufsflächenaufstellung) eine Überschreitung der in Anlage 1 zu § 32 Abs. 1 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 - ROG 2009 festgelegten Grenzwerte für die Gesamtverkaufsflächen, bei deren Überschreitung eine Widmung für Handelsgroßbetriebe einer bestimmten Art erforderlich sei, nicht erkennbar sei.
10 Zu der von den revisionswerbenden Parteien eingewendeten befürchteten Luftverschmutzung durch übermäßigen Straßenverkehr sei auszuführen, dass der vorliegende Sachverhalt, wie bereits dargelegt, die Errichtung eines kombinierten Wohn-, Büro- und Geschäftsbaues betreffe. Für derartige Bauten komme grundsätzlich die Widmung "erweitertes Wohngebiet" (§ 30 Abs. 1 Z 2 ROG 2009) in Betracht. Gemäß § 30 Abs. 9 ROG 2009 sei bei der Beurteilung der Widmungskonformität eines Bauvorhabens u.a. in der Widmungskategorie "erweitertes Wohngebiet" auf den konkreten Betrieb abzustellen. Die Baubehörde habe auf zu diesem Fragenkomplex eingeholte ausführliche externe verfahrenstechnische Gutachten verwiesen, wonach das sich aus den maßgeblichen technischen Vorschriften ergebende Irrelevanzkriterium bei den nächstgelegenen Nachbarwohnbauten eingehalten werde (wird näher ausgeführt). Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten seien die revisionswerbenden Parteien, insbesondere zur behaupteten unrichtigen Berechnung der NO2 Konzentration, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das LVwG könne daher die gerügte unzureichende Begründung für die Einhaltung der Widmungsvorschriften nicht erkennen.
11 Soweit die revisionswerbenden Parteien auch eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung durch Luftschadstoffe monierten, sei festzuhalten, dass den Nachbarn gemäß § 62 Z 7 in Verbindung mit § 39 Abs. 2 BauTG ein Mitspracherecht hinsichtlich der das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Belästigungen zukomme. Diese Bestimmung beziehe sich gerade auf nach der Flächenwidmung zulässige Vorhaben, weil die Erteilung weiter gehender Auflagen, wie es die Bestimmung vorsehe, ein an sich zulässiges Vorhaben voraussetze. Nach dieser Bestimmung komme nur die Vorschreibung von Auflagen in Betracht, nicht aber die Abweisung des Bauansuchens. Ein Recht auf Nichtgenehmigung des Bauvorhabens stehe den Nachbarn nicht zu (Hinweis auf VwGH 8.6.2011, 2009/06/0193, mwN).
12 Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere den angeführten verfahrenstechnischen Gutachten, sei auch eine Verletzung dieses subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes nicht erkennbar. Die Baubehörde habe überdies über Vorschlag des verfahrenstechnischen Sachverständigen zum Schutz der nächstgelegenen Nachbarn der Bauwerberin eine zusätzliche Auflage erteilt (Hinweis auf Auflage 8. - Vorschreibung einer dynamischen Auslastungsanzeige für die Stellplätze).
13 Was die behauptete Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes betreffe, beträfen die geltend gemachten (näher dargestellten) Einwendungen keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte der revisionswerbenden Parteien; diese seien daher vom LVwG nicht zu prüfen. Dies gelte auch für die behaupteten unzureichenden Beweissicherungsvorschreibungen und das Vorbringen "im Hinblick auf Vorgaben der UNESCO zum Weltkulturerbe".
14 Das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien sei daher insgesamt nicht geeignet, eine Verletzung ihrer subjektivöffentlichen Nachbarrechte darzulegen.
15 Soweit sich die Revision im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung ganz allgemein auf das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der "zu lösende(n) Rechtsfrage" sowie auf das Abweichen des LVwG von der bisherigen Rechtsprechung stützt, ist damit für sich genommen nicht der Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt, fehlt doch jede weitere Konkretisierung, aus welchen Gründen das angefochtene Erkenntnis von welcher bisherigen Rechtsprechung abweicht bzw. zu welcher Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, Rechtsprechung fehlt (vgl. etwa VwGH 30.6.2017, Ra 2016/17/0028, mwN). Die revisionswerbenden Parteien legen auch nicht dar, welche konkrete Rechtsfrage, von der die Entscheidung über die vorliegende Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof beantwortet werden soll (vgl. VwGH 27.7.2016, Ra 2016/06/0075, mwN).
16 Das Zulässigkeitsvorbringen in der Revision erschöpft sich in Bezug auf das Unionsrecht (konkret: die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG ) im Hinweis auf ein diesbezügliches von der Europäischen Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren. Ein allgemeines Vorbringen zur Verletzung des Unionsrechts reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 26.4.2016, Ro 2016/09/0003). Soweit dazu im Übrigen auf die Revisionsgründe ("siehe dazu Punkt 4.5. der gegenständlichen Revision") verwiesen wird, ist auszuführen, dass mit einem solchen Vorbringen eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG noch nicht aufgezeigt wird (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0037, mwN). Dies gilt in gleicher Weise für die Zulässigkeitsausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der Einschränkung des Beschwerdegegenstandes (Verweis auf "Punkt 4.1. dieser Revision") und der Zugrundelegung unschlüssiger und unvollständiger Äußerungen der Amtssachverständigen ("mehr dazu insb im Punkt 4.3. der Revisionsgründe").
17 Die bloße Behauptung der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die in einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung liegen soll, ist ohne nähere Auseinandersetzung mit den getroffenen Feststellungen des LVwG und Konkretisierung, welche Feststellungen unterlassen worden wären, nicht geeignet, eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Im Übrigen muss bei Verfahrensmängeln in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 25.1.2018, Ra 2017/06/0257, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht. Dass sich das LVwG entgegen der in VwGH 29.1.1966, 1766/65, ausgesprochenen Verpflichtung zur sachgerechten Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien hinsichtlich der Widmungswidrigkeit des Bauvorhabens, der Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes sowie den unzureichenden Beweissicherungsvorschreibungen nicht auseinandergesetzt habe, steht mit der Aktenlage nicht im Einklang (siehe die wiedergegebene Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - Rz 9 ff).
18 Das LVwG hat sich - wie eingangs wiedergegeben (siehe Rz 5 ff) - mit der Frage der UVP-Pflicht des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens auseinandergesetzt und diese verneint. Welche Einwendung der revisionswerbenden Parteien in diesem Zusammenhang vom LVwG "nur ihrem Wortlaut, jedoch nicht ihrem Sinn nach beurteilt" worden bzw. welche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof zu beantworten wäre, wird nicht dargetan.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2019
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