VwGH Ra 2016/05/0001

VwGHRa 2016/05/000129.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über den Antrag der Mag. A F in W, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in 1220 Wien, St. Wendelin-Platz 6, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 18. November 2015, Zl. VGW- 011/030/28760/2014-9, betreffend Übertretung des § 2 Abs. 1 Wiener Kehrverordnung 1985 iVm § 18 Abs 1 lit. a WFLKG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), und die von der Wiedereinsetzungswerberin gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs3;
VwGG §46;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der von der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 24. Juni 2014, mit dem über sie wegen Übertretung des § 2 Abs. 1 Wiener Kehrverordnung 1985 iVm § 18 Abs. 1 lit. a Wiener Feuerpolizei-, Luftreinhalte- und Klimaanlagengesetz - WFLKG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden war, erhobenen Beschwerde keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt (Spruchpunkt I.). Ferner wurde mit diesem Erkenntnis die Revisionswerberin zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass gemäß § 9 Abs. 7 VStG die M. KG zusätzlich für die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur ungeteilten Hand hafte (Spruchpunkt III.) und eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis unzulässig sei (Spruchpunkt IV.).

2 Das Erkenntnis wurde der Revisionswerberin durch Zustellung an ihre Rechtsvertreter am 24. November 2015 zugestellt.

3 Am 5. Jänner 2016 erhob die Revisionswerberin gegen das genannte Erkenntnis unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) die außerordentliche Revision, die im Hinblick auf § 24 Abs. 1 und § 25a Abs. 5 VwGG mit hg. Verfügung vom 8. Jänner 2016 zuständigkeitshalber dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) übermittelt wurde. Diese verfahrensleitende Anordnung wurde der Revisionswerberin durch Zustellung dieser Verfügung an deren Rechtsvertreter am 11. Jänner 2016 zur Kenntnis gebracht.

4 Ferner brachte die Revisionswerberin die außerordentliche Revision auch beim Bundesverwaltungsgericht ein, das diese im Wege des ERV am 8. Jänner 2016 an den Verwaltungsgerichtshof weiterleitete.

5 Mit Schreiben vom 12. Februar 2016 legte das Verwaltungsgericht die ihm am 8. Jänner 2016 übermittelte außerordentliche Revision dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Verfahrensakten vor.

6 Mit hg. Verfügung vom 1. März 2016 wurde der Revisionswerberin die (vorläufige) Annahme vorgehalten, dass die Revision im Hinblick darauf, dass das angefochtene Erkenntnis am 24. November 2015 zugestellt und die - entgegen der Vorschrift des § 25a Abs. 5 VwGG iVm § 24 Abs. 1 leg. cit. zuerst unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte - Revision mit hg. verfahrensleitender Anordnung vom 8. Jänner 2016 an das Verwaltungsgericht weitergeleitet worden sei, verspätet erhoben worden sei und daher zurückzuweisen wäre, und ihr zu dieser Annahme Parteiengehör eingeräumt.

7 Mit Schriftsatz vom 31. März 2016 stellte die Revisionswerberin (u.a.) den Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das oben genannte Erkenntnis zu bewilligen. Mit diesem Antrag wiederholte sie die bereits erhobene Revision.

8 Zu ihrem Wiedereinsetzungsantrag brachte sie im Wesentlichen vor, es sei richtig, dass die Revision nicht unmittelbar beim Verwaltungsgericht, sondern irrtümlich, und zwar am 5. Jänner 2016, beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden sei. Das angefochtene Erkenntnis sei am 24. November 2015 in der Kanzlei ihrer Vertreter eingelangt, wo von der Kanzleileiterin die Rechtsmittelfrist im Kanzleikalender (Fristenbuch) vermerkt und (offenbar gemeint: das Erkenntnis) dem zuständigen Rechtsanwalt Mag. H. vorgelegt worden sei. Dieser habe sodann die außerordentliche Revision diktiert, wofür als "Grundgerüst" ein sogenannter Baustein (Textvorlage) verwendet worden sei, in dem bei Revisionen unter der Adresse des Empfängers als Option "eingebracht im WEB-ERV" vorgesehen sei. Die außerordentliche Revision sei am 4. Jänner 2016 vom Sekretariat geschrieben und in eine Unterschriftenmappe eingelegt worden. Am selben Tag abends sei der Schriftsatz von Mag. H. unterfertigt worden, wobei dieser die schriftliche Anweisung erteilt habe, den Schriftsatz jedenfalls am darauffolgenden Tag, dem 5. Jänner 2016, dem letzten Tag der (Revisions‑) Frist, zu versenden. Zusätzlich habe er die Anweisung erteilt, durch Rückfrage beim Hersteller der verwendeten Anwaltssoftware der Rechtsvertreter, "Advokat", zu verifizieren, ob der Schriftsatz im "WEB-ERV" eingebracht werden könne oder auf dem Postweg zu versenden sei, wobei bei der geringsten Unsicherheit oder Unklarheit der Postweg zu wählen sein werde. Eine Versendung des Schriftsatzes bzw. eine Prüfung, auf welchem Weg die Versendung erfolgen müsse, sei auf Grund des Dienstschlusses des Sekretariats um 17 Uhr am selben Tag nicht mehr möglich gewesen, sodass die Versendung erst am 5. Jänner 2016 habe stattfinden können.

9 Die Versendung von Schriftsätzen erfolge in der Kanzlei der Rechtsvertreter der Revisionswerberin mittels der Anwaltssoftware "Advokat" in der Form, dass einfache Eingaben direkt im Programm und ausführliche Schriftsätze in "Word" in Schriftsatzform geschrieben, dann in ein PDF-Dokument umgewandelt und sodann der elektronischen Eingabe als Anlage beigeschlossen würden. Der unterschriebene Schriftsatz werde nicht eingescannt, sondern, wie dies von den Gerichten gewünscht sei, in ein PDF-Dokument umgewandelt und der Eingabe als (nicht unterschriebener) Anhang beigeschlossen.

10 Im Programm "Advokat" seien sämtliche Eingaben in Form von sogenannten "Betreibungen" zu erstellen. Für jede mögliche Eingabe existiere eine Vorlage. In den Aktenstammdaten sei von den jeweiligen Bedienern des Programms das zuständige Gericht einzugeben, im konkreten Fall das Verwaltungsgericht, was auch erfolgt sei. Die Eingabe der Gerichte erfolge in Form von Kürzeln. So hätten beispielsweise alle Gerichte das Kürzel "G-...", und die Verwaltungsgerichte hätten ein Kürzel mit "V".

11 Die Kanzleileiterin habe am 5. Jänner 2016 weisungsgemäß bei "Advokat" angerufen, um zu verifizieren, ob die außerordentliche Revision im Wege des ERV beim Verwaltungsgericht eingebracht werden könne. In diesem Telefonat sei sie von der Support-Mitarbeiterin der Firma "Advokat" gefragt worden, ob der Schriftsatz beim Bundesverwaltungsgericht oder einem Landesverwaltungsgericht eingebracht werden solle. Nach Mitteilung der Kanzleileiterin, dass der Schriftsatz beim Verwaltungsgericht eingebracht werden solle, habe die Support-Mitarbeiterin bestätigt, dass die Eingabe im Wege des ERV definitiv möglich sei. Der Kanzleileiterin sei auch mitgeteilt worden, welche "Betreibung" zu erstellen wäre. Im Laufe des Telefonats habe die Kanzleileiterin versucht, die Eingabe bzw. "Betreibung" in "Advokat" zu erstellen, sie habe diese jedoch in der unübersichtlich gestalteten, unzählige Vorlagen umfassenden Vorlagenliste nicht auffinden können. Sodann sei sie von der Support-Mitarbeiterin angeleitet worden, wie die Betreibung zu erstellen sein werde. Da die Kanzleileiterin nicht absolut sicher gewesen sei, wie die umfangreiche "Betreibung" korrekt auszufüllen sein werde, seien sodann unter Anleitung der Support-Mitarbeiterin von "Advokat" die "Betreibung" Schritt für Schritt erstellt, der Empfänger ausgewählt, die angefochtene Entscheidung und die belangte Behörde eingegeben sowie der "Betreibung" auch der bereits vorher in ein PDF-Dokument umgewandelte Schriftsatz beigeschlossen worden. Die Auswahl der in der Eingabe "beteiligten" Personen sei durch Angabe von Kürzeln durch die Support-Mitarbeiterin erfolgt. Nach Fertigstellung und Prüfung des Schriftsatzes, wobei korrekte Schriftsätze als "richtig" markiert würden, sei sodann der Schriftsatz versendet worden. Dieser sei mit "O.K.", der Bestätigung für einen positiv versendeten Schriftsatz, bestätigt worden, und sodann sei die Sendebestätigung dem Ausdruck des Schriftsatzes beigeschlossen worden.

12 Gemäß Dienstanweisung sei nach der Versendung eines Schriftsatzes im ERV diesem die ERV-Sendebestätigung beizuheften. Handle es sich um ein Schriftstück, welches per Post übermittelt werde, sei der Einschreibenachweis aufzukleben, und erst danach sei die Frist im Kanzleikalender von der Kanzleileiterin mit "erledigt" auszustreichen.

13 Der bezughabende Fristeneintrag im Kanzleikalender (Fristenbuch) sei, weil die außerordentliche Revision am 5. Jänner 2016 versendet und mit "O.K" bestätigt worden sei, sohin eine positive Sendebestätigung vorgelegen sei, am 5. Jänner 2016 von der Kanzleileiterin mit "erledigt" abgehakt worden.

14 Über Nachfrage des zuständigen Rechtsanwalts Mag. H., der nach Terminen knapp vor 17 Uhr am 5. Jänner 2016 in der Kanzlei erschienen sei, sei diesem von der Kanzleileiterin mitgeteilt worden, dass gemäß dem mit "Advokat" geführten Telefonat die Eingabe beim Verwaltungsgericht möglich sei sowie die Eingabe unter Anleitung von "Advokat" erstellt und auch bereits eingebracht worden sei. Dieser habe sodann den Ausdruck aus dem ERV-Übermittlungsprotokoll kontrolliert und den Akt mit 30. März 2016 kalendiert.

15 Wie sich nunmehr herausgestellt habe, sei der Kanzleileiterin im Zuge der Anfrage bei "Advokat" eine nicht korrekte Auskunft darüber erteilt worden, "ob" der Schriftsatz im Wege des ERV beim Verwaltungsgericht eingebracht werden könne. Wie oben vorgebracht, sei der Kanzleileiterin sogar trotz zweimaligem Nachfragen die Einbringungsmöglichkeit beim Verwaltungsgericht bestätigt worden. Ferner sei der Schriftsatz (die Eingabe) unter Anleitung einer Mitarbeiterin des Support-Teams des Herstellers der Anwaltssoftware erstellt und auch eingebracht bzw. versendet worden.

16 Wie sich nunmehr weiters herausgestellt habe, habe die Support-Mitarbeiterin entweder der Kanzleileiterin ein falsches Kürzel beim Empfänger der Sendung diktiert oder habe sich die Kanzleileiterin bei der Ansage verhört oder das erforderliche Kürzel bei der Eingabe mit einem anderen Kürzel, welche alle insgesamt äußerst ähnlich seien, verwechselt, denn sonst wäre die Eingabe nicht beim Verwaltungsgerichtshof direkt eingebracht worden. Wäre als Empfänger richtigerweise das Verwaltungsgericht eingegeben worden, so hätte das Programm bei der erstmaligen Prüfung des Schriftsatzes auf Richtigkeit sofort eine Fehlermeldung mit dem Hinweis, dass die Einbringung des Schriftsatzes bei diesem Gericht nicht zulässig sei, erstattet. Diesen Hinweis hätte man zwar noch irrtümlicherweise übergehen bzw. übersehen können, spätestens jedoch beim Versuch des Versendens des Schriftsatzes mittels ERV wäre neuerlich eine Fehlermeldung erschienen sowie die Sendung mit dem Status "negativ" aufgeschienen, und der Schriftsatz hätte als Status das Kürzel "ZG" für "zurückgewiesen" erhalten.

17 Eine positive Sendebestätigung, wie im konkreten Fall, wäre sohin, wäre nicht offensichtlich bei der Eingabe in das ERV-Programm der falsche Empfänger angegeben worden, nicht zu erlangen gewesen, und es wäre daher in weiterer Folge auch nicht möglich gewesen, die Frist im Kanzleikalender mit "erledigt" zu markieren. Hiebei wäre sohin aufgefallen, dass eine Zustellung an das Verwaltungsgericht im Wege des ERV nicht möglich sei und hätte das Schriftstück noch innerhalb der Rechtsmittelfrist am 5. Jänner 2016 per Post aufgegeben werden können.

18 Festgehalten werde, dass in der Kanzlei der Rechtsvertreter der Revisionswerberin ein derartiger Fehler bislang nicht unterlaufen sei. Auch sei der Kanzleileiterin, einer äußerst gewissenhaften und versierten Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei, welche sogar vor kurzem eine Schulung bei "Advokat" besucht habe, bislang kein einziger Fehler bei der Versendung eines Schriftsatzes, weder per Post noch im ERV, unterlaufen. Hinzu komme, dass sich diese berechtigt auf den Support des Anwaltssoftware-Herstellers verlassen habe.

19 Selbst wenn der zuständige Anwalt Mag. H. die "Betreibung" in "Advokat" selbst erstellt und versendet hätte, wäre der Fehler nicht zu vermeiden gewesen, weil im konkreten Fall die Unterstützung des Anwaltssoftware-Herstellers erforderlich gewesen sei. Es ergebe sich sohin, dass bei einer Gesamtschau der Dinge von einer Verkettung unglücklicher Umstände, jedenfalls von einem minderen Grad des Versehens an der gegenständlichen Fristversäumung auszugehen sei. Ein Organisationsverschulden liege jedenfalls nicht vor, weil nicht vorhersehbar sein könne, dass selbst der Hersteller einer Anwaltssoftware unrichtige Auskünfte erteile und weiters zur Erstellung eines Schriftsatzes an das falsche Gericht anleite. Im konkreten Fall habe eine falsch erteilte Auskunft in Verbindung mit einer möglichen minimalen Fehlleistung, nämlich dem Verwechseln von sehr ähnlichen Empfängerkürzeln, zum Fristversäumnis geführt. Dies sei nicht vorhersehbar gewesen, und es könne daher von einem Organisationsverschulden keine Rede sein.

20 Weiters sei auszuführen, dass das Verwaltungsgericht in der Kanzlei der Rechtsvertreter am 15. Jänner 2016 angerufen und die Überweisung der für das Rechtsmittel anfallenden Gebühr von EUR 240,-- begehrt habe, sodass kein Grund zur Annahme bestanden habe, dass das Rechtsmittel nicht richtig bzw. nicht fristgerecht eingebracht worden sei.

21 Für dieses Vorbringen bot die Revisionswerberin mehrere Bescheinigungsmittel an.

22 Mit hg. Verfügung vom 25. April 2016 wurde der Revisionswerberin (u.a.) vorgehalten, dass der Wiedereinsetzungsantrag keine ausdrücklichen (substantiellen) Angaben darüber, dass er rechtzeitig, nämlich binnen der Frist des § 46 Abs. 3 erster Satz VwGG erhoben worden sei, enthalte, und ihr aufgetragen, den Mangel des Fehlens von Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages binnen zwei Wochen zu beheben und die fehlenden Angaben nachzutragen.

23 Innerhalb dieser Frist brachte die Revisionswerberin den Schriftsatz vom 4. Mai 2016 ein, in dem sie vorbrachte, dass, wie sich nunmehr nach neuerlicher Durchsicht der ERV-Protokolle und der Sendebestätigungen herausgestellt habe, - entgegen dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag - ein Fehler nicht dahingehend unterlaufen sei, dass die Support-Mitarbeiterin der Firma "Advokat" entweder der Kanzleileiterin ein falsches Kürzel beim Empfänger der Sendung diktiert oder sich die Kanzleileiterin bei der Ansage verhört oder das erforderliche Kürzel bei der Eingabe mit einem anderen Kürzel verwechselt habe, sondern es sei die Eingabe auf der Grund der Verwechselung von Kürzeln tatsächlich beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden. Eingaben mittels ERV seien beim Bundesverwaltungsgericht möglich und zulässig, sodass eine positive Sendebestätigung habe erlangt werden können und auch keine Fehlermeldung erschienen sei. Die außerordentliche Revision sei am 5. Jänner 2016 insgesamt zweimal im ERV eingebracht worden. Der in "Advokat" erstellte Schriftsatz sei nach der Fertigstellung unter Anleitung der Support-Mitarbeiterin von "Advokat" durch die Kanzleileiterin dupliziert worden, was der einfachste Weg sei, einen Schriftsatz nicht ein zweites Mal vollständig erstellen und ausfüllen zu müssen. Es seien daher zwei gleiche, jeweils sendebereite Schriftsätze im ERV-Postausgang zur Versendung bereit gelegen. Wie im Wiedereinsetzungsantrag bereits ausgeführt, sei der erste Schriftsatz "vermeintlich" an das Verwaltungsgericht und der zweite Schriftsatz von der Kanzleileiterin bewusst hinsichtlich des Empfängers geändert und an den Verwaltungsgerichtshof adressiert worden. Der Grund liege darin, dass, um eine Einbringung bei der falschen Behörde und damit ein Fristversäumnis zu vermeiden, Schriftsätze im Verwaltungsverfahren sicherheitshalber grundsätzlich sowohl bei der Behörde, deren Entscheidung bekämpft werde, als auch bei der im Instanzenzug übergeordneten Behörde eingebracht würden.

24 Richtig sei, dass den Rechtsvertretern der Revisionswerberin die verfahrensleitende Anordnung vom 8. Jänner 2016 am 11. Jänner 2016 zugestellt worden sei. Dieser sei jedoch im Hinblick darauf, dass die Eingabe zweimal fristgerecht eingebracht worden sei, keine weitere Bedeutung beigemessen worden. Zur Rechtzeitigkeit der Stellung des Wiedereinsetzungsantrages sei vorzubringen, dass die Verfügung des Verwaltungsgerichtes (offensichtlich gemeint: des Verwaltungsgerichtshofes) vom 1. März 2016 der Revisionswerberin persönlich am 7. März 2016 an deren Adresse und nicht deren ausgewiesenen Rechtsvertretern zugestellt worden sei. Diese habe die Verfügung an dem auf die Zustellung an sie folgenden Tag, dem 8. März 2016, an ihre Rechtsvertreter per E-Mail weitergeleitet, wobei diese E-Mail vom 8. März 2016 die Rechtsvertreter nicht erreicht habe. Mittels neuerlicher E-Mail vom 18. März 2016 habe sie um Mitteilung ersucht, was in ihrer Angelegenheit unternommen worden sei. Da diese E-Mail am 18. März 2016 erst nach Dienstschluss in der Kanzlei der Rechtsvertreter eingelangt sei, hätten diese erst am 21. März 2016 von dem Fristversäumnis bzw. der falschen Adressierung des Rechtsmittels erfahren. Die genannte Verfügung vom 1. März 2016 sei den Rechtsvertretern sohin erst am 21. März 2016 zugekommen, sodass der am 31. März 2016 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag als fristgerecht anzusehen sei.

25 Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legte die Revisionswerberin mehrere Urkunden vor.

II.

26 Zum Wiedereinsetzungsantrag:

§ 46 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

..."

27 Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

28 Im Hinblick darauf, dass das angefochtene Erkenntnis am 24. November 2015 an die Revisionswerberin zugestellt worden war und die von der Revisionswerberin - entgegen der Vorschrift des § 25a Abs. 5 VwGG iVm § 24 Abs. 1 leg. cit. - nicht unmittelbar beim Verwaltungsgericht eingebrachte Revision erst am 8. Jänner 2016, somit nach Ablauf der sechswöchigen Revisionsfrist (§ 26 Abs. 1 Z 1 VwGG), beim Verwaltungsgericht einlangte, ist die in § 46 Abs. 1 erster Satz VwGG normierte Voraussetzung des Vorliegens einer Fristversäumung erfüllt.

29 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa den Beschluss vom 27. April 2016, Ra 2016/05/0015, 0016, mwN) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt.

30 Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Wer darüber hinaus einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat. Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. zum Ganzen nochmals den vorzitierten Beschluss, mwN).

31 Infolge der Befristung im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG kommt auch ein Nachschießen von Wiedereinsetzungsgründen bzw. deren Auswechslung durch den Wiedereinsetzungswerber nach Ablauf der gesetzlichen Frist nicht (mehr) in Betracht (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 117).

32 Dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge hat der Rechtsvertreter der Revisionswerberin, Mag. H., am 4. Jänner 2016 abends seiner Kanzleileiterin die schriftliche Anweisung erteilt, den von ihm unterfertigten Revisionsschriftsatz am darauffolgenden Tag, dem letzten Tag der Revisionsfrist, zu versenden und durch Rückfrage beim Hersteller der verwendeten Anwaltssoftware "Advokat" zu verifizieren, ob der Schriftsatz im "WEB-ERV" eingebracht werden könne oder auf dem Postweg zu versenden sei, wobei bei der geringsten Unsicherheit oder Unklarheit der Postweg zu wählen sein werde. Wie sich in der Folge herausgestellt habe, sei der Kanzleileiterin von der Support-Mitarbeiterin von "Advokat" eine nicht korrekte Auskunft hinsichtlich der Möglichkeit der Einbringung eines Schriftsatzes im Wege des ERV beim Verwaltungsgericht erteilt worden. Darüber hinaus sei bei der Eingabe unter Anleitung der Support-Mitarbeiterin von "Advokat" ein falsches Kürzel eingegeben worden und hätte das genannte Softwareprogramm dann, wäre als Empfänger richtigerweise das Verwaltungsgericht eingegeben worden, sofort eine Fehlermeldung mit dem Hinweis, dass die Einbringung des Schriftsatzes bei diesem Gericht nicht zulässig sei, erstattet.

33 Im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Revision bestand, wovon auch die Revisionswerberin in ihrem Vorbringen zu ihrem Wiedereinsetzungsantrag ausgeht, keine Möglichkeit der Einbringung von Schriftsätzen beim Verwaltungsgericht im Wege des ERV (vgl. die auf der Homepage des Verwaltungsgerichtes, Internetadresse: http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at , veröffentlichte Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes vom 9. Jänner 2015, "II. Rechtswirksame Einbringung von schriftlichen Anbringen").

34 Die Frage, auf welchem Weg eine Eingabe bei einer Behörde oder einem Gericht nach den bestehenden Rechtsvorschriften zulässigerweise eingebracht werden kann, stellt eine Rechtsfrage dar, die ein berufsmäßiger Parteienvertreter bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt selbst zu beantworten und deren Lösung er nicht seiner Kanzleileiterin zu überantworten und auch nicht von der Auskunft eines Mitarbeiters eines Unternehmens, das die von ihm verwendete Anwaltssoftware bereitgestellt hat, abhängig zu machen hat. Die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum eines berufsmäßigen Parteienvertreters für sich allein stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte, dar (vgl. aus der hg. Judikatur etwa die Beschlüsse vom 23. Juni 2014, Ra 2014/08/0001, und vom 27. August 2014, Ro 2014/05/0030, mwN).

35 Auf dem Boden der genannten Rechtsprechung hätte sich der Rechtsvertreter der Revisionswerberin daher selbst darüber informieren müssen, ob nach den bestehenden Rechtsvorschriften die Einbringung der Revision im Wege des ERV beim Verwaltungsgericht möglich sei, und die Beantwortung dieser Frage nicht den Nachforschungen durch seine Kanzleileiterin überlassen dürfen.

36 Mit dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wurde somit von der Revisionswerberin, der, wie bereits erwähnt, eine Sorglosigkeit ihres Rechtsvertreters zuzurechnen ist, nicht dargetan, dass sie kein Verschulden an der Versäumung der Revisionsfrist treffe oder ihr lediglich ein minderer Grad des Versehens angelastet werden könne.

37 Im Hinblick darauf war der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

38 Zur Revision:

39 Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die - wie oben dargestellt - verspätet erhobene Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 29. Juni 2016

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