VwGH Ra 2016/04/0008

VwGHRa 2016/04/000820.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revisionen 1) der K GmbH in K (protokolliert zu hg. Ra 2016/04/0008), vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, und 2) der Kärntner Landesregierung (protokolliert zu hg. Ra 2016/04/0018) gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 14. Dezember 2015, Zl. KLVwG-2442-2461/3/2015, betreffend elektrizitätsrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. M M in F, 2. J K, 3. F K, 4. Mag. B P, 5. Mag. K P, 6. C A, 7. J A, 8. H M, 9. G S, 10. D Z, alle in V, 11. W G,

12. W Gr, beide in V, alle vertreten durch die Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG,

13. Marktgemeinde Finkenstein am Faaker See), zu Recht erkannt:

Normen

ElektrizitätsG Krnt 1969 §3;
ElektrizitätsG Krnt 1969 §7;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
ElektrizitätsG Krnt 1969 §3;
ElektrizitätsG Krnt 1969 §7;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der zweitrevisionswerbenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Zur Vorgeschichte ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 29. September 2015, 2012/05/0118, zu verweisen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Beschwerden der mitbeteiligten Parteien die mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 22. Mai 2012 gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG sowie §§ 3 und 7 Kärntner Elektrizitätsgesetz (K-EG) der erstrevisionswerbenden Partei erteilte Bau- und Betriebsbewilligung für das Projekt "220/110-kV-Netzabstützung Villach" wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat.

2 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus, dass die (Fach)Behörde verpflichtet sei, ihre Zuständigkeit von Amts wegen unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen im angefochtenen Bescheid darzustellen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgehe. Verfahrensgegenständlich habe der Bundesminister hinsichtlich der Frage der UVP-Pflicht auf den negativen Feststellungsbescheid des Umweltsenates vom 20. Februar 2012 gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 verwiesen und sich bezüglich der Einwände der mitbeteiligten Parteien auf die Bindungswirkung dieses Bescheides berufen.

Da die erst- bis zwölftmitbeteiligten Parteien gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 keine Parteistellung im Verfahren zur Erlassung des UVP-Feststellungsbescheides hatten, sei somit auf Grund des Urteils des EuGH vom 16. April 2015 in der Rs C-570/13 (Gruber) davon auszugehen, dass dieser Bescheid ihnen gegenüber im nachfolgenden Bewilligungsverfahren nach dem K-EG keine Bindungswirkung entfalte.

Der dreizehntmitbeteiligten Gemeinde F sei als Standortgemeinde im Bezug habenden UVP-Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zwar Parteistellung zugekommen. Der Verwaltungsgerichtshof habe den diesbezüglichen Bescheid des Umweltsenates vom 20. Februar 2012 aber mit Erkenntnis vom 29. September 2015, 2012/05/0073, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit der Aufhebung des Bescheides des Umweltsenates vom 20. Februar 2012 durch das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, dem ex-tunc-Wirkung zukomme, liege im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein rechtskräftiger UVP-Feststellungsbescheid für die verfahrensgegenständliche Leitungsanlage mehr vor, auf den sich der Bundesminister einer Partei dieses Feststellungsverfahrens gegenüber rechtens im Sinne der Bindungswirkung berufen könnte.

3 2. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 14. Dezember 2015 hat das in das fortgesetzte Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht Kärnten (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den Beschwerden der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben, den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 21. November 2011 betreffend die elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Kärntner Landesregierung zurückverwiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

4 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass "eine entscheidungswesentliche Ergänzungsbedürftigkeit des gegenständlichen Sachverhaltes insofern vorliegt, als es die Energierechtsbehörde jedenfalls versäumt hat, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt so weit festzustellen, dass aus der Beweiswürdigung der dem von der Kärntner Landesregierung abgeführten Feststellungsverfahren über die UVP-Pflicht des Vorhabens zugrunde liegenden Fachgutachten, den von den Parteien im elektrizitätsrechtlichen Verfahren vorgebrachten Einwendungen und den rechtlichen Vorgaben betreffend die UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens nachvollziehbar und schlüssig hervorgeht, ob das Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegt." Mit dem Ergebnis dieser Prüfung werde klarzustellen sein, ob das Genehmigungsverfahren nach dem K-EG oder gegebenenfalls nach dem UVP-G 2000 abzuführen sein wird. Die belangte Behörde habe daher in ihren Ermittlungen auf die von den mitbeteiligten Parteien geltend gemachten Vorbringen betreffend Angelegenheiten der UVP in Verbindung mit den Bestimmungen des UVP-G 2000 substanziell einzugehen und abschließend festzuhalten, inwieweit diesen Vorbringen Berechtigung hinsichtlich einer UVP-Pflicht zukomme. Von der Behörde sei somit der rechtserhebliche Sachverhalt gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen zu ermitteln gewesen, wobei sie nach § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen gehabt hätte, ob z.B. weitere Sachverständigengutachten erforderlich seien oder nicht. Hiebei treffe die mitbeteiligten Parteien unter Umständen eine entsprechende Mitwirkungspflicht im Verfahren.

Das Verwaltungsgericht bringe im gegenständlichen Beschwerdefall die in § 28 Abs. 3 VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung zur Anwendung. Ihm sei eine materielle Behandlung des Falles verwehrt, solange nicht über die entscheidungsrelevante Vorfrage betreffend die UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens durch die Kärntner Landesregierung als Behörde im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsverfahren entschieden sei und im Rahmen dieses neuerlich durchzuführenden Verfahrens die Behördenzuständigkeit geklärt sei.

Die Verwaltungsbehörde habe sich zur Frage der UVP-Pflicht lediglich auf den zuvor ergangenen UVP-Feststellungsbescheid berufen. Es seien weder wie immer geartete Ermittlungsschritte bzw. -tätigkeiten in der Frage der UVP-Pflicht in Bezug auf die von den mitbeteiligten Parteien eingebrachten Vorbringen und Anträge gesetzt worden, noch habe sich die Behörde mit diesen substanziell auseinandergesetzt.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof den UVP-Feststellungsbescheid des Umweltsenates vom 20. Februar 2012 mit Erkenntnis 2012/05/0073 (mit ex-tunc-Wirkung) aufgehoben habe, liege zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein rechtskräftiger Feststellungsbescheid für die gegenständliche Leitungsanlage mehr vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe "als zuständige UVP-Behörde II. Instanz" am 9. Dezember 2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und im Rahmen dieser die Aufhebung des angefochtenen UVP-Feststellungsbescheides der Kärntner Landesregierung vom 7. September 2011 und die gleichzeitige Zurückverweisung zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die Kärntner Landesregierung mit Beschluss mündlich verkündet. Daraus sei eindeutig erkennbar, dass auch für das Bundesverwaltungsgericht auf Grund der mangelnden Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde eine meritorische Entscheidung nicht möglich gewesen sei.

Das erkennende Verwaltungsgericht mache von der Zurückverweisung des Beschwerdefalles deshalb Gebrauch, weil die Vorfrage der Behördenzuständigkeit nach wie vor nicht geklärt sei und bei Vorliegen einer UVP-Pflicht eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts betreffend eine meritorische Entscheidung nicht gegeben wäre. Eine materielle Entscheidung durch das Verwaltungsgericht würde daher eine Vorwegnahme der Feststellung der Behördenzuständigkeit darstellen und stünde nicht in Einklang mit der Rechtsordnung.

5 3. Gegen diesen Beschluss richten sich die vorliegenden (außerordentlichen) Revisionen, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurden.

6 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht (zur Erstrevision) und die erst- bis zwölftmitbeteiligten Parteien (zu beiden Revisionen) erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung. Die erstrevisionswerbende Partei brachte eine Replik zur Revisionsbeantwortung der erst- bis zwölftmitbeteiligten Parteien ein.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

7 1. Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revisionen unter anderem vor, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass schon das Fehlen von Ermittlungen bezüglich eines einzelnen Aspektes die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertige. Bei Beachtung der Judikatur zu § 28 VwGVG wäre davon auszugehen, dass auf Grund der korrekten Lösung der Mehrzahl der Beweisthemen im Verfahren der belangten Behörde eine Aufhebung und Zurückverweisung unzulässig sei. Es liege auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wonach jede Behörde und somit auch jedes Gericht seine Zuständigkeit zu prüfen habe. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, seine eigene Zuständigkeit schlüssig und nachvollziehbar hinsichtlich einer etwaigen UVP-Pflicht zu prüfen und zu begründen. Schließlich komme der Frage, wie die Verwaltungsgerichte in Genehmigungsverfahren vorzugehen haben, wenn sich Ermittlungen der Behörde in Hinblick auf eine allfällige UVP-Pflicht als unzureichend erweisen, über den Anlassfall hinausreichende Bedeutung zu.

2. Die Revisionen sind zulässig und auch berechtigt. 8 2.1. § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes

(VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

  1. 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
  2. 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts

    durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) bis (8) (...)"

9 § 3 Abs. 7 und 7a des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000), BGBl. I Nr. 697/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 95/2013, hat folgenden Wortlaut:

"(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

(7a) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene örtliche Zulassungsbereich maßgeblich."

Es wird auf die novellierte - für das anhängige UVP-Feststellungsverfahren maßgebliche - Fassung des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000, BGBl. I Nr. 4/2016, hingewiesen.

10 2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen das Verwaltungsgericht den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufheben und die Sache zurückverweisen kann (vgl. grundlegend das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, sowie die Erkenntnisse vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005, vom 26. Mai 2015, Ra 2014/01/0205, und vom 9. September 2015, Ra 2014/04/0031). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Ro 2014/03/0063 ausgesprochen, dass sich die Anwendbarkeit der Zurückverweisungsbestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht auf die von § 28 Abs. 2 VwGVG erfassten Fälle erstreckt. Eine Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde kommt erst dann in Betracht, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Die Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG sind angesichts der Zielsetzung (meritorische Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte) weit zu verstehen. Damit wird dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung bzw. dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer (durch Vermeidung der Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die dann abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung) entsprochen.

Demnach ist Zielsetzung des § 28 VwGVG, dass angesichts des in dieser Bestimmung insgesamt verankerten Systems die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt § 28 VwGVG, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis Ro 2014/03/0063).

11 2.3. Im vorliegenden Fall begründet das Verwaltungsgericht die Zurückverweisung im Wesentlichen damit, dass ihm eine materielle Behandlung des Beschwerdefalles verwehrt sei, solange nicht über die entscheidungsrelevante Vorfrage betreffend die UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens durch die Kärntner Landesregierung als Behörde im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsverfahren entschieden sei. Die Verwaltungsbehörde habe sich zur Frage der UVP-Pflicht lediglich auf den zuvor ergangenen (und mittlerweile aufgehobenen) UVP-Feststellungsbescheid berufen und keine diesbezüglichen Ermittlungsschritte bzw. -tätigkeiten unternommen.

12 Damit hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt. Die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG setzt voraus, dass die Behörde "notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, dass die Frage der UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens durch die Aufhebung des UVP-Feststellungsbescheides offen und somit auch die Zuständigkeit ungeklärt ist. Es sind in diesem Punkt jedoch keine notwendigen Ermittlungen der Kärntner Landesregierung als Behörde im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsverfahren zu tätigen, weshalb die Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (im maßgeblichen Zeitpunkt) nicht vorliegt. Ob das gegenständliche Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegt, bildet nämlich eine Frage, die als Hauptfrage im anhängigen UVP-Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zu beantworten ist.

13 3. Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

14 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der von der zweitrevisionswerbenden Partei (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) geltend gemachte Aufwandersatz war nicht zuzuerkennen, weil nach § 47 Abs. 4 VwGG unter anderem in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG für den Revisionswerber kein Anspruch auf Aufwandersatz besteht.

Wien, am 20. April 2016

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