VwGH Ra 2016/03/0058

VwGHRa 2016/03/005822.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des A G in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 1. März 2016, Zl. LVwG 40.7-3318/2015-2, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in einer Angelegenheit nach dem WaffG (belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit einem der Aktenlage nach dem Revisionswerber am 17. Jänner 2013 in der Landesnervenklinik Graz zugestellten Mandatsbescheid der Landespolizeidirektion Steiermark, der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (iF auch: LPD), vom 15. Jänner 2013 war über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs 1 WaffG ein Waffenverbot verhängt worden.

2 In der Folge beantragte der Revisionswerber, mittlerweile anwaltlich vertreten, mit einem am 14. Juli 2015 bei der LPD eingelangten Schriftsatz vom 13. Juli 2015 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Vorstellung gegen den genannten Mandatsbescheid im Wesentlichen mit dem Vorbringen, er habe von dessen Inhalt nicht Kenntnis nehmen können, zumal seine Willens- und Entscheidungskraft wesentlich gemindert gewesen sei und weil ihm das Schriftstück von einem Pfleger abgenommen und einem behandelnden Arzt übergeben worden sei.

3 Er habe "unlängst in der Kanzlei seines Rechtsvertreters vorgesprochen" und angefragt, ob er die Möglichkeit habe, die sichergestellten Waffen ausgehändigt zu bekommen; ihm sei nicht bewusst gewesen, dass über ihn ein Waffenverbot verhängt worden sei. "Um das Schicksal der sichergestellten Waffen eruieren zu können", so das weitere Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, sei sein Rechtsvertreter am 30. Juni 2015 zur LPD gegangen und habe im Zuge einer Vorsprache im zuständigen Sekretariat ersehen können, dass der Revisionswerber den Bescheid persönlich entgegen genommen habe, sodass "jedenfalls gegenständliche Wiedereinsetzung als rechtzeitig anzusehen" sei.

4 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies die LPD mit Bescheid vom 28. September 2015 den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs 4 AVG ab. Sie ging (zusammengefasst) davon aus, dass kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis vorgelegen sei, das den Revisionswerber daran gehindert habe, fristgerecht Vorstellung zu erheben.

5 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 1. März 2016 wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet ab; unter einem wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

6 Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht Folgendes zugrunde: Dem Revisionswerber sei der Bescheid der LPD vom 15. Jänner 2013 in der Landesnervenklinik Graz zugestellt worden; er habe diese Zustellung persönlich bestätigt. Er behaupte nun im gegenständlichen Verfahren, der Bescheid sei ihm abgenommen worden, vom Inhalt habe er keine Kenntnis erlangt. "Irgendwann im Jahre 2015" habe der Revisionswerber offensichtlich bei seinem Rechtsvertreter vorgesprochen und sich hinsichtlich der beschlagnahmten Waffen erkundigt. Daraufhin habe sich dieser am 30. Juni 2015 zur LPD begeben und Erkundigungen eingeholt, die in der Folge zum Wiedereinsetzungsantrag vom 14. Juli 2015 geführt hätten.

7 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht (zusammengefasst) im Wesentlichen Folgendes aus: Ein Wiedereinsetzungsantrag müsse binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses eingebracht werden. Diese Frist beginne mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem das Versehen erkannt worden sei oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkannt hätte werden können. Der Wiedereinsetzungsantrag müsse das Hindernis bezeichnen, alle Wiedereinsetzungsgründe nennen und darlegen, dass die Frist eingehalten sei. Ein Nachholen entsprechenden Vorbringens sei unzulässig.

8 Der Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers enthalte keine ausreichenden Angaben, weil "hinreichend präzise Angaben bezüglich des Wegfalles des Hindernisses" fehlten. Der Revisionswerber habe ausgeführt, er habe "unlängst" in der Kanzlei seines Rechtsvertreters vorgesprochen und wegen der Möglichkeit, die ursprünglich sichergestellten Waffen ausgehändigt zu bekommen, angefragt. Daraufhin habe sich der Rechtsvertreter am 30. Juni 2015 zur LPD begeben und nachgefragt. Aus diesem Vorbringen lasse sich "jedoch keinesfalls erkennen, wann tatsächlich das Hindernis der Unkenntnis des Bescheidinhaltes weggefallen" sei. Die Angaben im Wiedereinsetzungsantrag bezüglich der Rechtzeitigkeit des Antrags sowie des Wegfalls des Hindernisses seien daher unzureichend und versetzten das entscheidende Gericht nicht in die Lage, über den Antrag entscheiden zu können. Derartige Mängel seien nicht verbesserungsfähig, weshalb die Beschwerde gegen die den Antrag abweisende Entscheidung der LPD abzuweisen gewesen sei.

9 Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

10 Über die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Die Revision macht (auf das Wesentliche zusammengefasst) geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, weil es nur Teile des Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag in die Beurteilung einbezogen habe.

12 Die Revision ist zulässig und begründet.

13 Auch Rechtsfragen des Verfahrensrechts können solche von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG sein. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird etwa dann aufgeworfen, wenn eine Annahme des Verwaltungsgerichts in unvertretbarer Weise unter Außerachtlassung tragender Verfahrensgrundsätze nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmt (vgl etwa VwGH vom 15. März 2016, Ra 2014/01/0181, und vom 17. November 2015, Ra 2015/11/0021, je mwN).

14 Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers die erforderlichen Angaben zur Rechtzeitigkeit nicht enthalten habe, weil nicht beurteilt werden könne, wann das Hindernis weggefallen sei.

15 Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

16 Gemäß § 71 Abs 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

17 Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass ein Wiedereinsetzungswerber konkrete Angaben zu machen hat, aus denen die Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrags zu erkennen ist (vgl VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0008, mwN). Es hat allerdings verkannt, dass die vom Revisionswerber erstatteten Angaben ausreichen, um die Rechtzeitigkeit seines Wiedereinsetzungsantrages beurteilen zu können.

18 Der Revisionswerber hat als Hindernis für die rechtzeitige Erhebung einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 15. Jänner 2013 geltend gemacht, er habe (was insoweit auch vom Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen wurde) vom Inhalt des ihm zugestellten Bescheids keine Kenntnis erlangt. Sein Rechtsvertreter, an den er sich zwecks Wiederaushändigung der ursprünglich sichergestellten Waffen gewandt habe, habe am 30. Juni 2015 im Zuge einer Vorsprache bei der LPD festgestellt, dass der Revisionswerber den Bescheid vom 15. Jänner 2013 persönlich entgegen genommen habe.

19 Legt man diese Angaben der Beurteilung zugrunde, ist das Hindernis für die rechtzeitige Erhebung einer Vorstellung, nämlich die Unkenntnis von der Erlassung eines Waffenverbotsbescheids, erst am 30. Juni 2015 weggefallen. Daran ändert nichts, dass der Revisionswerber im Wiedereinsetzungsantrag das Datum seiner Vorsprache bei seinem Rechtsvertreter ("unlängst" in seiner Diktion, "irgendwann im Jahre 2015" in der des Verwaltungsgerichts) nicht konkret genannt hat, lässt sich doch aus den Angaben des Revisionswerbers nicht ableiten, das genannte Hindernis könne schon vor dem 30. Juni 2015 weggefallen sein.

20 Jedenfalls bei verständiger Würdigung der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag liegt der vom Verwaltungsgericht vermeinte Mangel (Unterlassung klarer Angaben zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags) daher nicht vor.

21 Das Verwaltungsgericht, das die Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid der LPD vom 28. September 2015 lediglich auf den vermeinten Inhaltsmangel gestützt hat, ohne im Übrigen auf die Beschwerde einzugehen, hat damit die Rechtslage verkannt.

22 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 22. November 2016

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