Normen
EisenbahnG 1957 §38;
EisenbahnG 1957 §39;
EisenbahnG 1957 §42 Abs3;
EisenbahnG 1957 §42;
EisenbahnG 1957 §43 Abs1;
EisenbahnG 1957 §43 Abs4;
EisenbahnG 1957 §43;
EisenbahnG 1957 §44;
VVG;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Bahnstrecke der Österreichischen Bundesbahn Bregenz - Lochau verläuft im hier relevanten Bereich entlang des Bodensees. Zwischen der Bahntrasse und dem Ufer des Sees befindet sich ein im Eigentum der Landeshauptstadt Bregenz stehender Geh- und Radweg ("Pweg", auch bezeichnet als "P"), der zwischen dem Bahnhof Lochau (Bahn-Kilometer 6,716) und dem Bahnhof Bregenz (Bahn-Kilometer 10,405) durch einen Zaun von der Eisenbahntrasse abgegrenzt ist. Dieser ist - im verfahrensrelevanten Bereich - als Maschendrahtzaun in der Höhe von einem Meter mit einem auskragenden Aufsatz aus Winkeleisen mit zwei parallel geführten Stacheldrähten ausgeführt.
2 Mit Eingabe vom 14. September 2012 an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) brachte die Revisionswerberin - sie ist unstrittig Eigentümerin und Betreiberin der Schieneninfrastruktur der gegenständlichen Eisenbahnstrecke - unter Bezugnahme auf frühere Eingaben ihrerseits vor, dass Grundlage für den genannten Zaun ein Bewilligungsbescheid des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. Juni 1964 gewesen sei. Die tatsächliche Ausführung des Zaunes, die am 22. Juni 2012 vorgenommen worden sei, entspreche diesem Bescheid jedoch nicht, weil anstelle des vorgeschriebenen doppelreihigen glatten Drahtes über dem Maschendrahtzaun ein Stacheldraht angebracht worden sei. Nach Auffassung der Revisionswerberin sei der bescheidmäßige Zustand von der Stadt Bregenz herzustellen. Allenfalls solle die Stadt Bregenz eine Änderung des zitierten Bescheides beantragen. Es werde daher gemäß § 44 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) beantragt, der Stadt Bregenz als Zaunerhalterin die Beseitigung des verbotswidrigen Zustandes durch Ersatz mit einem Zaun gemäß den bestehenden Auflagen im Bewilligungsbescheid anzuordnen.
3 Mit Bescheid vom 20. April 2015 wies die BH diesen Antrag zurück. Begründend führte sie aus, die "P" werde während des gesamten Jahres von vielen Personen zu Freizeitzwecken genutzt. Um die Gefährdung der Benützer der "P" vor allem durch ein Übersteigen des Zaunes zur Eisenbahn hin zu verringern, sei der gegenständliche Stacheldraht errichtet worden. Dabei handle es sich um eine geeignete Sicherheitsmaßnahme. Ein verbotswidriges Verhalten nach dem EisbG bestehe in der Errichtung von Anlagen, durch die zum Beispiel der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet werde. Davon könne hier keine Rede sein. Im Gegenteil werde die sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn erhöht, wenn der Stacheldraht geeignet sei, auch nur eine Person vom Übersteigen des Zaunes - und damit von der Gefährdung ihrer Gesundheit und ihres Lebens - abzuhalten.
4 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, in der sie vorbrachte, durch die Zurückweisung ihres Antrags im Recht auf inhaltliche Erledigung der Sache verletzt worden zu sein. Im Übrigen machte sie - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - geltend, dass das verbotswidrige Verhalten der Landeshauptstadt Bregenz im Sinne von § 44 EisbG darin liege, dass sie gegen die Auflagen des Bescheides des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. Juni 1964 bei Errichtung der Zaunanlage bei Bahn-Kilometer 7,875 am 22. Juni 2012 im Bauverbots- und Gefährdungsbereich der Eisenbahn verstoßen habe. Anstelle des angebrachten Stacheldrahtes hätten nämlich gewöhnliche (glatte) Drähte verwendet werden müssen. Die Revisionswerberin beantragte daher, das LVwG möge in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Beseitigung des verbotswidrigen Zustands der Zaunanlage zwischen der Bpromenade und der Eisenbahn bei Bahn-Kilometer 7,875 durch Entfernung des Stacheldrahtes und Errichtung eines doppelreihigen glatten Drahtes gemäß dem zitierten Bescheid angeordnet werde.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass der Antrag der Revisionswerberin nicht zurück-, sondern abgewiesen werde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
In der Begründung der Entscheidung stellte das LVwG neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt fest, dass der Bundesminister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft mit Bescheid vom 18. Juni 1964 unter anderem Folgendes angeordnet habe:
"Der Zaun der Bahntrasse ist gemäß Planbeilage 11 (1m über Mauerkrone) auszuführen. Der Mindestabstand zur Gleisachse muss 2,50 m betragen. Die im Entwurf vorgesehenen Stacheldrähte dürfen nicht angebracht werden. An ihrer Stelle sind gewöhnliche (glatte Drähte) zu verwenden."
Im Folgenden führte das LVwG gestützt auf das Gutachten eines Amtssachverständigen für Eisenbahntechnik aus, durch die Überspannung der Zaunanlage bei Bahn-Kilometer 7,875 mit einem doppelreihigen Stacheldraht anstelle eines doppelreihigen glatten Drahtes werde der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebs der Eisenbahn und des Betriebs von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge nicht gefährdet. Nach Wiedergabe der §§ 42 bis 44 EisbG folgerte das LVwG daraus in rechtlicher Hinsicht, dass sich die Beseitigungsanordnung gemäß § 44 EisbG auf das im § 43 Abs 1 EisbG ausgesprochene Verbot beziehe, im Gefährdungsbereich der Eisenbahn Anlagen zu errichten oder sonstige Handlungen vorzunehmen, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Betriebsführung, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet werde. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe, treffe dies im vorliegenden Fall nicht zu. Aus diesem Grund lägen die Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung nach § 44 EisbG nicht vor. Die Unzulässigkeit der Revision begründete das LVwG lediglich unter Hinweis auf den einschlägigen Wortlaut des Art 133 Abs 4 B-VG.
6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, es gebe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob für das Vorliegen eines verbotswidrigen Zustandes im Bauverbotsbereich der Eisenbahn im Sinne von § 42 Abs 1 EisbG und dessen Beseitigung durch die Behörde gemäß § 44 Z 1 EisbG bloß die objektive Verbotswidrigkeit des dazu führenden Verhaltens oder auch die Gefährdung des Bestandes der Eisenbahn oder ihres Zugehörs oder der regelmäßigen und sicheren Führung des Betriebs von Schienenfahrzeugen sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn maßgeblich sei. Des Weiteren weiche das LVwG mit seinem Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 43 Abs 1 iVm § 44 Z 1 EisbG ab, weil trotz einer festgestellten Gefährdung des Eisenbahnverkehrs durch Errichtung der Stacheldrahtkonstruktion ein Beseitigungsanspruch verneint worden sei.
7 In der Sache bringt die Revision - zusammengefasst - vor, dass die Beseitigungsanordnung nach § 44 Z 1 EisbG sich nicht nur auf § 43 EisbG beziehe, sondern auch auf bahnfremde Anlagen im Bauverbotsbereich der Eisenbahn gemäß § 42 Abs 1 EisbG. Die gegenständliche Zaunanlage sei im Bauverbotsbereich der Eisenbahn nach § 42 EisbG errichtet und daher nur dann erlaubt, wenn dafür eine Ausnahmebewilligung vorliege. Eine solche bestehe für die vorliegende Stacheldrahtkonstruktion aber nicht. Die Errichtung des Zauns mit doppelreihigem Stacheldraht ohne eisenbahnbehördliche Ausnahmebewilligung stelle somit jedenfalls ein verbotswidriges Verhalten im Sinne von § 44 Z 1 iVm § 42 Abs 1 EisbG dar. Auf eine Gefährdung des Bestandes oder der regelmäßigen und sicheren Führung der Eisenbahn komme es dabei nicht an.
8 Hinzu komme, dass gemäß dem festgestellten Sachverhalt durch den verfahrensgegenständlichen Stacheldraht eine Gefährdung von Leib und Leben von Personen im Falle des Verlassens eines Schienenfahrzeuges oder beim Zugang zur Strecke zwecks Hilfeleistung im Notfall bestehe. Eine solche reiche nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, um die Behörde zur Beseitigung eines durch verbotswidriges Verhalten herbeigeführten Zustandes zu verpflichten.
9 Die BH und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie erstatteten zu dieser Revision Revisionsbeantwortungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist im Hinblick darauf, dass das LVwG mit seiner Entscheidung die Rechtslage (einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) im Sinne der Zulassungsbegründung der Revision unrichtig ausgelegt hat, zulässig und im Ergebnis auch begründet.
11 Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl Nr 60/1957 idF BGBl I Nr 125/2006 (EisbG), lauten auszugsweise:
§ 42. (1) Bei Hauptbahnen, Nebenbahnen und nichtöffentlichen Eisenbahnen ist die Errichtung bahnfremder Anlagen jeder Art in einer Entfernung bis zu zwölf Meter von der Mitte des äußersten Gleises, bei Bahnhöfen innerhalb der Bahnhofsgrenze und bis zu zwölf Meter von dieser, verboten (Bauverbotsbereich).
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten auch für Straßenbahnen auf eigenem Bahnkörper in unverbautem Gebiet.
(3) Die Behörde kann Ausnahmen von den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 erteilen, soweit dies mit den öffentlichen Verkehrsinteressen zu vereinbaren ist. Eine solche Bewilligung ist nicht erforderlich, wenn es über die Errichtung der bahnfremden Anlagen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Anrainer zu einer Einigung gekommen ist.
Gefährdungsbereich
§ 43. (1) In der Umgebung von Eisenbahnanlagen (Gefährdungsbereich) ist die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen verboten, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn und des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet wird.
(2) (...)
(3) Wenn im Gefährdungsbereich Steinbrüche, Stauwerke oder andere Anlagen errichtet oder Stoffe, die explosiv oder brennbar sind, gelagert oder verarbeitet werden sollen, durch die der Betrieb der Eisenbahn, der Betrieb von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn oder der Verkehr auf der Eisenbahn gefährdet werden kann, so ist vor der Bauausführung oder der Lagerung oder Verarbeitung die Bewilligung der Behörde einzuholen; diese ist zu erteilen, wenn Vorkehrungen getroffen sind, die eine Gefährdung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn ausschließen.
(4) Die Bewilligungspflicht gemäß Abs. 3 entfällt, wenn es über die Errichtung des Steinbruches, des Stauwerkes oder einer anderen Anlage oder über die Lagerung oder Verarbeitung der Stoffe zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Errichter, Lagerer oder Verarbeiter zu einer schriftlich festzuhaltenden zivilrechtlichen Einigung über zu treffende Vorkehrungen gekommen ist, die eine Gefährdung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn oder des Verkehrs auf der Eisenbahn ausschließen.
Beseitigung eines verbotswidrigen Zustandes
§ 44. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Beseitigung eines
- 1. durch verbotswidriges Verhalten oder
- 2. entgegen einer zivilrechtlichen Einigung gemäß § 42 Abs. 3 oder § 43 Abs. 4 herbeigeführten Zustandes anzuordnen."
12 Nach § 42 Abs 1 EisbG ist die Errichtung bahnfremder Anlagen jeder Art in einer Entfernung bis zu zwölf Meter von der Mitte des äußersten Gleises einer Haupt- oder Nebenbahn oder einer nicht-öffentlichen Eisenbahn verboten (Bauverbotsbereich). § 42 Abs 3 EisbG sieht jedoch vor, dass die Behörde Ausnahmen von diesem Bauverbot bewilligen kann, soweit dies mit den öffentlichen Verkehrsinteressen zu vereinbaren ist. Eine solche Bewilligung ist nicht erforderlich, wenn es über die Errichtung der bahnfremden Anlagen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Anrainer zu einer Einigung gekommen ist.
13 Überdies verbietet § 43 Abs 1 EisbG in der Umgebung von Eisenbahnen (Gefährdungsbereich) die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn und des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet wird. Ausnahmen von diesem Verbot sieht § 43 Abs 3 und 4 EisbG vor.
14 Diese Regelungen fanden sich in ähnlicher Form bereits in der Stammfassung des EisbG 1957 in den damaligen §§ 38 und 39. Nach § 38 EisbG in dieser Stammfassung bedurften allerdings alle Ausnahmen vom Bauverbot einer Bewilligung der Behörde. Mit der Novelle zum EisbG BGBl Nr 452/1992 erfuhr diese Bestimmung insofern eine Änderung, als seit damals eine behördliche Bewilligung der Ausnahme vom Bauverbot nicht mehr notwendig ist, wenn sich das Eisenbahnunternehmen und der Anrainer über die Errichtung der bahnfremden Anlage einigen (vgl § 38 Abs 4 EisbG idF BGBl Nr 452/1992; nunmehr § 42 Abs 3 EisbG). Ähnliches galt auch für die Regelung über den Gefährdungsbereich, die schon in der Stammfassung in § 39 Abs 3 EisbG die behördliche Bewilligungspflicht unter anderem für eine Bauführung im Gefährdungsbereich der Eisenbahn - unter näher bezeichneten Voraussetzungen - vorsah, mit der Novelle im Jahr 1992 von einer Bewilligungspflicht aber unter bestimmten Bedingungen absah (§ 39 Abs 4 EisbG idF BGBl Nr 452/1992), mit der Novelle zum EisbG BGBl I Nr 125/2006 die Regelung über den Entfall der Bewilligungspflicht in den § 43 EisbG transferierte und seit damals - ähnlich der Bestimmung über den Bauverbotsbereich - vorsieht, dass die Bewilligungspflicht im Regelfall entfällt, wenn es zu einer Einigung mit dem Eisenbahnunternehmen kommt (vgl zum Ganzen auch Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz3 (2015), 580 und 584).
15 Zum Verhältnis der Bestimmungen über das Bauverbot (§ 38 EisbG in der Stammfassung, nunmehr § 42 EisbG) und über das Verbot der Errichtung von Anlagen im Gefährdungsbereich (§ 39 EisbG in der Stammfassung, nunmehr § 43 EisbG) zueinander führte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung aus, dass der Gefährdungsbereich über jenen, in dem grundsätzlich Bauverbot besteht, hinausreiche (vgl VwGH vom 28. Februar 2006, 2005/03/0244). Das Ausmaß des Gefährdungsbereiches sei - anders als der Bauverbotsbereich - nicht metermäßig abgegrenzt, sondern allgemein mit der Reichweite der Gefährdung umschrieben. Das Verbot beziehe sich also schlechterdings auf die Umgebung von Eisenbahnanlagen (VwGH vom 9. September 2015, Ra 2015/03/0035, mwN). Somit beginnt der Gefährdungsbereich nicht erst an der äußeren Grenze des Bauverbotsbereiches; vielmehr überdecken sich diese beiden Bereiche und es sind bahnfremde Anlagen denkbar, die sowohl unter die Bestimmung des § 42 EisbG als auch des § 43 EisbG fallen und daher unter Umständen beide Bewilligungen benötigen (vgl etwa Zeleny, Eisenbahnplanungs- und -baurecht (1994), 236, mwN). Allerdings geht der Gefährdungsbereich im Allgemeinen - wie zuvor bereits angesprochen - räumlich über den Bauverbotsbereich hinaus.
16 Für den vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass im Bauverbotsbereich des § 42 EisbG grundsätzlich keine bahnfremden Anlagen errichtet werden dürfen, wenn darüber - nach der nunmehr geltenden Rechtslage - keine Einigung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem (betroffenen) Anrainer zustande kommt und auch eine behördliche Ausnahmebewilligung nicht erwirkt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob von dieser Anlage eine Gefährdung im Sinne von § 43 Abs 1 EisbG ausgeht; die Voraussetzungen der §§ 42 und 43 EisbG sind daher unabhängig voneinander zu prüfen.
17 Nach § 44 EisbG hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Beseitigung eines durch verbotswidriges Verhalten oder entgegen einer zivilrechtlichen Einigung gemäß § 42 Abs 3 oder § 43 Abs 4 EisbG herbeigeführten Zustandes anzuordnen. Von einer derartigen Anordnung kann sowohl verbotswidriges Verhalten nach § 42 EisbG als auch nach § 43 EisbG betroffen sein. Wurde daher eine bahnfremde Anlage im Bauverbotsbereich gemäß § 42 EisbG errichtet, ohne dass darüber eine Einigung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Anrainer oder - in Ermangelung einer solchen - eine behördliche Ausnahmebewilligung vorliegt, wurde eine bestehende zivilrechtliche Einigung iSd § 42 Abs 3 EisbG nicht eingehalten oder wurden die in einer behördlichen Ausnahmebewilligung vorgesehenen Auflagen nicht erfüllt, so hat das Eisenbahnunternehmen einen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde über ihren Antrag die Beseitigung des (konsenswidrigen) Zustandes anordnet (vgl idS bereits VwGH vom 29. November 1968, 0560/69, zur Vorgängerbestimmung des § 41 EisbG in der Stammfassung). Vergleichbares gilt, wenn dem Verbot des § 43 EisbG zuwider gehandelt worden ist.
18 Die Beseitigungsanordnung der Behörde nach § 44 EisbG ist darauf gerichtet, den verbotswidrigen Zustand rückgängig zu machen. Das bedeutet, dass die bahnfremde Anlage, welche im Bauverbots- oder im Gefährdungsbereich unerlaubt errichtet worden ist, beseitigt wird. § 44 EisbG bietet aber keine Grundlage dafür, dass die Behörde dem Anrainer über Antrag der Eisenbahn die Einhaltung einer allfälligen zivilrechtlichen Einigung mit dem Eisenbahnunternehmen aufträgt. Derartiges wäre vielmehr im Zivilrechtsweg durchzusetzen. Auch deckt § 44 EisbG keinen Auftrag an den Verfügungsberechtigten einer bahnfremden Anlage, bestimmte Auflagen in einer behördlichen Ausnahmebewilligung zu erfüllen. Deren Einhaltung kann vielmehr - bei Inanspruchnahme der Bewilligung - im Wege der Vollstreckung nach dem VVG erzwungen werden. Wurde die Ausnahmebewilligung von einer Bedingung abhängig gemacht, so kommt eine Vollstreckung der Bedingung von vornherein nicht in Betracht. Vielmehr treten die Rechtswirkungen der Bedingung ohne weiteren Verwaltungsakt ipso iure ein.
19 Werden diese Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, so zeigt sich, dass aus mehreren Gründen kein entscheidungsreifer Sachverhalt vorliegt:
20 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die bahnfremde Anlage, deren zulässige Errichtung neben der Eisenbahntrasse zu prüfen ist, bei Würdigung des Parteivorbringens und des Akteninhalts nicht allein der Zaun zwischen der Bahntrasse und dem Geh- und Radweg entlang des Bodensees ist, sondern diese Anlage als Ganzes. Das ergibt sich schon daraus, dass der gegenständliche Zaun unbestritten dazu dient, den seeseitig anschließenden Geh- und Radweg von der Bahntrasse abzugrenzen, um zu verhindern, dass Benützer des Weges auf die Bahntrasse gelangen. Keine Partei des Verfahrens geht dementsprechend davon aus, dass der Zaun beseitigt werden und der daneben befindliche Weg weiter bestehen könnte. Die zu beurteilende Anlage umfasst daher untrennbar den Weg samt Zaun.
21 Läge, was die Revision geltend macht, das Bauvorhaben im Bauverbotsbereich nach § 42 EisbG, so bedürfte es dafür entweder einer zivilrechtlichen Einigung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Anrainer (worunter fallbezogen die Landeshauptstadt Bregenz zu verstehen sein dürfte) iSd § 42 Abs 3 EisbG oder - in Ermangelung dessen - einer behördlichen Ausnahmebewilligung. Wären solche Ausnahmen vom Bauverbot nicht gegeben, ließe sich ein Beseitigungsauftrag nach § 44 EisbG schon darauf stützen. Die Frage, ob ein derartiges Bauvorhaben darüber hinaus auch eine Gefährdung iSd § 43 Abs 1 EisbG darstellt, könnte diesfalls unerörtert bleiben. Wäre das Bauvorhaben außerhalb des Bauverbotsbereiches nach § 42 EisbG gelegen, käme der Frage, ob es eine Gefährdung iSd § 43 Abs 1 EisbG darstellt (nur damit hat sich das LVwG - nach Ansicht der Revision unzureichend - beschäftigt) hingegen entscheidungsrelevante Bedeutung zu.
22 Das LVwG hat keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, anhand derer beurteilt werden könnte, ob und in welchem verfahrensrelevanten Abschnitt die gegenständliche bahnfremde Anlage im Bauverbotsbereich liegt. Schon deshalb erweist sich das Erkenntnis mit relevanten sekundären Feststellungsmängeln belastet.
23 Wäre im Sinne des Vorbringens der Revisionswerberin davon auszugehen, dass die bahnfremde Anlage im Bauverbotsbereich des § 42 EisbG errichtet worden ist, so käme es überdies darauf an, ob für ihre Errichtung eine zivilrechtliche Einigung iSd § 42 Abs 3 EisbG vorliegt oder in Ermangelung einer solchen eine entsprechende behördliche Ausnahmebewilligung erwirkt worden ist.
24 Sowohl die Verfahrensparteien als auch das LVwG haben in diesem Zusammenhang ausschließlich einen Bescheid des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. Juni 1964 im Blick, dessen gesamter Inhalt mangelhafterweise an keiner Stelle des angefochtenen Erkenntnisses festgestellt worden ist. Aus den Verwaltungsakten lässt sich aber - soweit es für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - zumindest Folgendes entnehmen:
In dem genannten - aktenkundigen - Bescheid wird auf einen - ebenfalls in den Verwaltungsakten befindlichen - früheren Bescheid des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 9. Oktober 1963 Bezug genommen, mit dem (unter anderem) die Ausnahmebewilligung gemäß § 38 EisbG und die Bewilligung gemäß § 39 EisbG (jeweils in der Stammfassung des EisbG 1957) für die Verlegung einer Fernölleitung von "Staatsgrenze nächst Lustenau bis Staatsgrenze nächst Lochau-Hörbranz, rechts der Bahnstrecke Lauterach - St. Margrethen, bzw. der Bahnstrecke Lindau - Bludenz (...) durch die Rgesellschaft m.b.H. unter gewissen Bedingungen" erteilt worden ist. Vor Betriebsaufnahme sollte nach diesem Bescheid das Zutreffen der "Bedingungen" festgestellt werden. Punkt 3) der "Bedingungen" lautet wie folgt: "Der Zaun längs der Bahntrasse muss mind. 1,80 m hoch sein und aus einem Drahtgittergeflecht bestehen. Seine Zaunsäulen müssen aus einbetonierten Winkeleisen hergestellt werden. Der Zaun darf die Sicht möglichst wenig beeinträchtigen; er ist im Einvernehmen mit der zuständigen Streckenleitung (...) möglichst nahe der Ölleitung aufzustellen".
Über Antrag eines näher bezeichneten Unternehmens wurde mit dem in Rede stehenden Bescheid des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. Juni 1964 dieser Punkt 3) des früheren Bescheides vom 9. Oktober 1963 aufgehoben und durch folgenden neuen Wortlaut ersetzt: "Der Zaun längs der Bahntrasse ist gemäß Planbeilage 11 (1,00 m über Mauerkrone) auszuführen. Der Mindestabstand zur Gleisachse muss 2,50 m betragen. Die im Entwurf vorgesehenen Stacheldrähte dürfen nicht angebracht werden. An ihrer Stelle sind gewöhnliche (glatte Drähte) zu verwenden. (...)"
25 Diese Ausnahmebewilligungen wurden für die Errichtung einer Ölleitung entlang der Bahntrasse erteilt und von der gleichzeitigen Errichtung eines Zaunes in einer näher bestimmten Ausführung abhängig gemacht. Diesen Bewilligungsbescheiden kommt zwar - wie die Revisionswerberin richtig vorbringt - dingliche Wirkung zu, weshalb ein Eigentumswechsel an der bewilligten Anlage nicht die damit erteilten Bewilligungen selbst berührt. Errichtet der neue Eigentümer des betroffenen Grundstücks aber eine neue (nicht idente) bahnfremde Anlage, kann er sich auf die für die frühere Anlage erteilten Ausnahmebewilligungen nicht berufen.
26 Die mit den ministeriellen Bescheiden aus den Jahren 1963 und 1964 bewilligte Anlage (Ölleitung samt Zaun) ist mit jener, die nun in Prüfung gezogen wird (Geh- und Radweg samt Zaun), nicht ident, weil es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Anlagen handelt. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Ölleitung erteilten eisenbahnrechtlichen Ausnahmebewilligungen auch die Errichtung des Geh- und Radweges (samt Zaun) decken würden. Die Parteien des Verfahrens und das LVwG haben dies jedoch bislang außer Acht gelassen und es daher auch unterlassen, sich mit den relevanten Fragen zu beschäftigen, auf welcher eisenbahnrechtlichen Grundlage der nunmehr bestehende Geh- und Radweg (samt Zaun) errichtet worden ist, ob es diesbezüglich eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und der Landeshauptstadt Bregenz gibt, bejahendenfalls, welche Regelungen eine solche für die Ausgestaltung des Grenzzaunes zur Eisenbahntrasse vorsieht, ob derartige Regelungen eingehalten worden sind, oder ob allenfalls eine behördliche Ausnahmebewilligung für die Errichtung dieses Bauvorhabens im Bauverbotsbereich existiert und welche Auflagen oder Bedingungen diese enthält. Das LVwG wird dies mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und - bei entsprechend präzisiertem Vorbringen - die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
27 Sollte es sich im fortgesetzten Verfahren als notwendig erweisen, auch die Gefährdung iSd § 43 EisbG einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen, so wird das LVwG dabei zu beachten haben, dass das Argument der Revisionswerberin, die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn sei durch den Zaun mit Stacheldraht deshalb gefährdet, weil dadurch eine Gefährdung von Leib und Leben von Personen im Falle des Verlassens von Schienenfahrzeugen oder beim Zugang zur Strecke zwecks Hilfeleistung im Notfall, in die Überlegungen zur Betriebssicherheit (auch durch den Amtssachverständigen für Eisenbahntechnik) bislang keinen erkennbaren Eingang gefunden hat, für die Beurteilung der Gefährdung iSd § 43 EisbG aber durchaus beachtlich sein kann.
28 Abschließend ist darauf zu verweisen, dass eine Beseitigungsanordnung nach § 44 EisbG, wie zuvor bereits dargestellt worden ist (vgl Rz 18), einen Antrag des Eisenbahnunternehmens voraussetzt, der auf die Beseitigung der verbotswidrig oder entgegen einer zivilrechtlichen Einigung gemäß § 42 Abs 23 oder § 43 Abs 4 EisbG errichteten bahnfremden Anlage gerichtet ist und präzise umschreibt, für welchen räumlichen Bereich diese Beseitigung zu erfolgen hat. Der vorliegende Antrag in seiner Letztfassung, wonach die Beseitigung des verbotswidrigen Zustands der Zaunanlage zwischen der Bpromenade und der Eisenbahn bei Bahn-Kilometer 7,875 durch Entfernung des Stacheldrahtes und Errichtung eines doppelreihigen glatten Drahtes gemäß dem Bescheid des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 18. Juni 1964 angeordnet werden möge (vgl Rz 4), erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Zum einen dient die Beseitigungsanordnung nach § 44 EisbG nicht dazu, die Bedingungen für eine Ausnahmebewilligung erst herzustellen. Zum anderen ist die Umschreibung des räumlichen Bereiches, für den eine Anordnung erwirkt werden soll, mit den Worten "bei Bahn-Kilometer 7,875" zu unbestimmt, um einen auch vollstreckbaren Titel zu schaffen. Diese (rechtlichen) Gesichtspunkte wurden im bisherigen Verfahren mit den Parteien nicht erörtert und es wird auch dies im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
29 Das angefochtene Erkenntnis war daher vorrangig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
30 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das LVwG bereits eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat und auch im fortgesetzten Verfahren den Parteien Gelegenheit zu geben haben wird, die aufgezeigten sekundären Feststellungsmängel im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu beseitigen.
31 Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. November 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)