Normen
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016020036.L00
Spruch:
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird,
- soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien in jenem Umfang wendet, als damit über Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Wien vom 27. Mai 2015 abgesprochen wurde, sowie,
- soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien in jenem Umfang wendet, als damit betreffend die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des genannten Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Wien eine Kostenvorschreibung für das Beschwerdeverfahren im Ausmaß von EUR 14,-- erfolgt ist,
zurückgewiesen; und II. zu Recht erkannt:
Im Übrigen (hinsichtlich der Bestätigung des Spruchpunktes 1. des genannten Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Wien sowie hinsichtlich der diesbezüglichen Kostenvorschreibung wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zu I.:
1 Der Revisionswerber stellt in der vorliegenden, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 24. November 2015, Zl. VGW-031/048/9232/2015-17, erhobenen Revision unter gleichzeitigem Antrag auf Kostenersatz den Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, dieser möge das angefochtene Erkenntnis in seinem gesamten Umfang aufheben.
2 Gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache
1. eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,-- verhängt wurde.
3 Hinsichtlich der Revision gegen den verwaltungsgerichtlichen Abspruch über Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) vom 27. Mai 2015 treffen diese Voraussetzungen zu.
4 Unter Spruchpunkt 2. des genannten Straferkenntnisses wurde nämlich über den Revisionswerber wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. (diese Bestimmung sieht einen Strafrahmen von bis zu EUR 726,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen vor) eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 70,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag 8 Stunden) verhängt.
5 Das Verwaltungsgericht Wien wies die Beschwerde des Revisionswerbers (ua.) gegen den genannten Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der LPD Wien vom 27. Mai 2015 in Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses als unbegründet ab und sprach in dessen Spruchpunkt II. ua. hierzu die Verpflichtung des Revisionswerbers zur Tragung eines Kostenersatzbeitrages zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aus.
6 Die Revision betreffend den Abspruch des Verwaltungsgerichtes über Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der LPD Wien vom 27. Mai 2015 war nach dem Gesagten als gemäß § 25a Abs. 4 VwGG unzulässig zurückzuweisen (vgl. z.B. VwGH vom 21. September 2015, Ra 2015/02/0171).
Zu II.:
7 In Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom 27. Mai 2015 lastete die LPD Wien dem Revisionswerber weiters - betreffend die Tatzeit 5. September 2014, 11.35 Uhr, sowie einen näher bezeichneten Tatort in 1120 Wien - eine Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO an und verhängte über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von EUR 140,--, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 6 Stunden.
8 Das Verwaltungsgericht wies die auch gegen diese verhängte Verwaltungsstrafe gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers unter Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses (nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen) als unbegründet ab und sprach hierzu unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses ebenfalls die Verpflichtung des Revisionswerbers zur Kostentragung im Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG aus. In Spruchpunkt III. des Erkenntnisses wurde die Erhebung der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.
9 Begründend wurde (zu beiden Verwaltungsübertretungen) ausgeführt, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gründe sich auf eine Anzeige der LPD Wien vom 10. September 2014, welche sich wiederum auf die Angaben einer näher genannten Zeugin stütze, wonach deren am 5. September 2014 um 11.35 Uhr in 1120 Wien, Grünbergstraße unmittelbar vor der Kreuzung Schönbrunner Schloßstraße gelenktes Fahrzeug mit näher bezeichnetem Kennzeichen vom Lenker eines Fahrzeuges mit ebenfalls näher genanntem Kennzeichen (nunmehriger Revisionswerber) im Zuge des Anhaltens vor einer roten Ampel beschädigt worden sei. Der Schaden sei durch unvermitteltes Zurückschieben des vor dem Fahrzeug der Zeugin zum Stillstand gekommenen Fahrzeuges entstanden. Am Fahrzeug der Zeugin seien vorne zwei kleine Kratzer, eine Eindellung der Nummerntafel und links ein Herausspringen des Frontblechgitters entstanden. Nach diesem Aufeinandertreffen habe die Zeugin durch mehrfaches Hupen versucht, Aufmerksamkeit zu erregen. Der Revisionswerber sei nach dem Zurückschieben bei Gelb querend und zweimal die Spur wechselnd davongefahren. Laut Zulassungsanfrage sei der Revisionswerber Zulassungsbesitzer des vor dem Fahrzeug der Zeugin gewesenen Fahrzeuges; im Zuge der Lenkerauskunft habe dieser angegeben, zum angelasteten Tatzeitpunkt selbst Lenker dieses Fahrzeuges gewesen zu sein.
10 Das Vorbringen des Revisionswerbers zum Gegenstand fasste das Verwaltungsgericht wie folgt zusammen: Es sei zu keinem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen; er hätte einen derartigen Unfall jedenfalls bemerken müssen. Am Fahrzeug des Revisionswerbers seien keine Schäden ersichtlich, ein Zurückrollen sei aufgrund des Automatikgetriebes seines Fahrzeuges unmöglich; zurückgeschoben habe er nicht. In der gegen das Straferkenntnis der LPD Wien gerichteten Beschwerde habe der Revisionswerber ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass es zu keiner Berührung gekommen sei, jedenfalls habe er eine solche nicht bemerkt. Daher sei für ihn keine Verpflichtung entstanden, anzuhalten oder unverzüglich die nächste Polizeidienststelle zu benachrichtigen. Er sei nicht zurückgefahren und es sei auch kein Hupen vernehmbar gewesen. Keinesfalls gebe es einen Schaden an seinem Fahrzeug; in der Zwischenzeit nenne er dieses nicht mehr sein Eigen.
11 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens, "insbesondere auf Grund der in Hinblick auf Tatzeit und Tatort übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugin (...)" sei als erwiesen anzusehen, dass der Revisionswerber zur angelasteten Tatzeit am angelasteten Tatort das von der Zeugin gelenkte Kraftfahrzeug im Zuge eines Zurückschiebens vor einer Lichtsignalanlage durch Kontaktieren mit seinem Fahrzeug beschädigt habe. Dabei seien am Fahrzeug der Zeugin "vorne zwei kleine Kratzer, eine Eindellung der Nummerntafel und links ein Herausspringen des Frontblechgitters" entstanden, "verbunden mit einem lauten Knall und einem wahrnehmbaren Ruck". Auf mehrfaches Hupen sei außer dem Davonfahren des Revisionswerbers keine Reaktion erfolgt. Dieser Sachverhalt sei vom Revisionswerber "zwar nur andeutungsweise zugegeben" worden, doch könne nach der Darstellung der Zeugin insgesamt davon ausgegangen werden, dass das Vorbringen des Revisionswerbers vom Wunsch getragen gewesen sei, der Strafe zu entgehen. Es könne sein, dass ein Automatikfahrzeug nicht zurückrollen könne, jedoch sei ein Zurückschieben jedenfalls möglich. Zur Möglichkeit der Wahrnehmung des Zusammenstoßes sei der Revisionswerber darauf zu verweisen, dass bei gefährlichen Fahrmanövern und in unübersichtlichen Situationen ein besonderes Augenmerk auf die Umgebung und beteiligte Verkehrsteilnehmer zu legen sei. Ein Zurückschieben vor einer Ampel nach dem Anhalten falle "zweifelsohne" in diese Kategorie von Fahrmanöver. Gegebenenfalls habe sich der Lenker nach Abschluss derartiger Fahrmanöver durch geeignete Maßnahmen davon zu überzeugen, dass ihm dieses ohne Kontaktierung mit anderen Fahrzeugen gelungen sei. Habe der Lenker auch nur ein Streifen verursacht und dies infolge Unterlassung von ihm möglichen und zumutbaren Erkundungen nicht wahrgenommen, müsse ihm schon dieser Umstand als Verschulden angerechnet werden. Dem Antrag des Revisionswerbers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass aufgrund des Schadensbildes kein Streifkontakt stattgefunden haben könne, welcher geräuschmäßig von ihm habe wahrgenommen werden können, sei daher "schon aus diesem Grund mangels Entscheidungsrelevanz" nicht nachzukommen. Abgesehen davon habe diesem Beweisantrag mangels Bereitstellung des Fahrzeuges "der beschwerenden Partei" nicht nachgekommen werden können. Der Revisionswerber wirke bemüht, den wahren Sachverhalt zu verschweigen. Das Verwaltungsgericht sei aus diesem Grund zu der Überzeugung gelangt, dass der Revisionswerber "den von ihm im Zuge des Zurückstoßens verursachten Sachschaden" nicht nur hätte wahrnehmen können, sondern diesen auch wahrgenommen habe und nicht angehalten habe, um sich der Verantwortung zu entziehen; er habe somit vorsätzlich gehandelt.
12 Der Revisionswerber verweist in den Gründen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG auf ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (ua.) zu § 4 Abs. 5 StVO und führt dazu auf den konkreten Sachverhalt bezogen aus, es mangle vorliegend nicht nur am wesentlichen subjektiven Tatbestandsmerkmal, nämlich der Kenntnis vom Eintritt eines Schadens, sondern bereits am Eintritt eines Sachschadens als objektives Tatbestandsmerkmal. Am Fahrzeug des Revisionswerbers sei kein Schaden eingetreten; ein solcher sei zu keinem Zeitpunkt objektiviert worden. Aus den Akten sei weiters nicht erschließbar, dass die Behörde am Fahrzeug der Zeugin einen Sachschaden festgestellt habe. Es gebe weder Fotos, noch eine andere Art der Dokumentation. Die Behörde ziehe allein aus dem Vorbringen der Zeugin den Schluss, dass der Revisionswerber einen Schaden verursacht habe. Diesem bei "Nichtvorliegen eines objektivierten Schadens sowie bei fehlender, ihm nicht anzulastender Kenntnis" eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO zuzuschreiben, widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
13 Die Revision - betreffend den Abspruch des angefochtenen Erkenntnisses über Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der LPD Wien vom 27. Mai 2015 - ist aus dem in der Zulässigkeitsbegründung genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.
14 § 4 Abs. 5 StVO lautet:
"§ 4. Verkehrsunfälle.
(...)
(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
(...)"
15 Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (vgl. etwa VwGH vom 20. April 2016, Ra 2016/02/0069, mwN).
16 Voraussetzung für die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO ist nach ständiger hg. Rechtsprechung als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte. Der Lenker eines Fahrzeuges hat bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem von ihm derart verursachten Unfall verschuldet (vgl. etwa VwGH vom 17. November 2014, 2012/02/0237, mwN).
17 Im Revisionsfall ist bereits die Verwirklichung des objektiven Tatbildmerkmales des § 4 Abs. 5 StVO, nämlich, ob zum angelasteten Tatzeitpunkt am angelasteten Tatort - durch Berührung des Fahrzeuges des Revisionswerbers mit jenem der Zeugin - ein Sachschaden am Fahrzeug der Zeugin entstanden ist, strittig. Nach der Aktenlage verwies der Revisionswerber bereits vor Erlassung des Straferkenntnisses vom 27. Mai 2015 in seiner Einvernahme vor der LPD Wien am 9. Dezember 2014 darauf, dass an seinem Fahrzeug kein Schaden vorliege und bot dieses zu diesem Zeitpunkt zur Begutachtung an. In seiner Stellungnahme vom 8. April 2015 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. September 2015 wies der Revisionswerber durch seine rechtsfreundliche Vertretung weiters darauf hin, dass am Fahrzeug der Zeugin keine Spuren objektiviert worden seien; in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. November 2015 verwies der Revisionswerber erneut auf diesen Umstand und bestritt, dass überhaupt ein Schaden entstanden sei.
18 Demgegenüber gab die Zeugin im Zuge der Anzeigelegung bei der LPD Wien am 5. September 2014 zu Protokoll, seit dem behaupteten Zusammenstoß sei an ihrem Fahrzeug linksseitig das Frontblechgitter herausgesprungen; ob die Stoßstange oder dahinter liegende Fahrzeugteile beschädigt seien, könne sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht angeben. Dem Protokoll der - im Rechtshilfeweg bei der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs durchgeführten - Zeugenvernehmung vom 5. Jänner 2015 ist dahingegen zu entnehmen, die Zeugin teile "nunmehr" mit, dass als Beschädigungen an ihrem Fahrzeug eine Delle an der vorderen Kennzeichentafel und Kratzer an der vorderen Stoßstange festgestellt worden seien; entsprechende Reparaturen seien noch nicht durchgeführt worden.
19 Das Verwaltungsgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis fest, am Fahrzeug der Zeugin seien "vorne zwei kleine Kratzer, eine Eindellung der Nummerntafel und links ein Herausspringen des Frontblechgitters" entstanden, und stützte diese Feststellung beweiswürdigend - ausschließlich - auf die "in Hinblick auf Tatzeit und Tatort übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugin (...)", somit auf die Tatsache, dass der Revisionswerber nicht bestritt, zur angelasteten Tatzeit am Tatort gewesen zu sein.
20 Zu Recht rügt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, aus den Akten sei nicht erschließbar, dass die Behörde am Fahrzeug der Zeugin einen Sachschaden festgestellt habe. Bereits die Verwaltungsstrafbehörde, und jedenfalls auch das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Kognitionsbefugnis gemäß § 50 VwGVG, haben den Sachverhalt hinsichtlich dieser angenommenen - die Voraussetzung für eine allfällige Strafbarkeit des Revisionswerbers wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO bildende - Beschädigung nicht hinreichend ermittelt.
21 Zwar löst auch ein geringfügiger Sachschaden die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO aus, und kommt es nach der genannten Bestimmung nicht auf die Art der Beschädigung, und auch nicht darauf an, an welcher Stelle des Fahrzeuges ein Sachschaden entstanden ist (vgl. etwa VwGH vom 22. Februar 1995, 94/03/0234, mwN), jedoch hat der Revisionswerber bereits die Annahme, dass am Fahrzeug der Zeugin überhaupt ein Sachschaden entstanden sei, im gesamten Verfahren in Frage gestellt; demgegenüber machte die Zeugin, wie oben dargestellt, im Verfahren unterschiedliche Angaben zur Art des behaupteten Schadenseintrittes. Laut Akteninhalt scheiterte zwar die vom Verwaltungsgericht nach der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2015 zunächst intendierte Stellprobe daran, dass das Fahrzeug des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der beabsichtigten Begutachtung durch einen technischen Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 46 nicht mehr in der Verfügungsmacht des Revisionswerbers stand; aus welchem Grund jedoch angesichts dessen Vorbringens zur Frage eines Schadenseintrittes am Fahrzeug der Revisionswerberin deren Fahrzeug keiner Begutachtung unterzogen wurde, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, zumal der technische Amtssachverständige in seinem Schreiben vom 30. September 2015 ausdrücklich auf die Verfügbarkeit des Fahrzeuges der Zeugin hinwies.
22 Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. z.B. VwGH vom 24. September 2014, Ra 2014/03/0012, mwN) unterliegt die - im vorliegenden Fall durch das Verwaltungsgericht vorgenommene - Beweiswürdigung der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (nur) hinsichtlich der Vollständigkeit des ermittelten Sachverhaltes und der Schlüssigkeit der dabei vorgenommenen Erwägungen. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Begründung des Verwaltungsgerichtes allein, der Revisionswerber habe, insofern übereinstimmend mit der Zeugin, nicht bestritten, sein Fahrzeug zur angelasteten Tatzeit am Tatort gelenkt zu haben, vermag die Feststellung, am Fahrzeug der Zeugin sei ein Sachschaden entstanden, jedenfalls nicht zu tragen. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Beweise das Verwaltungsgericht zur Feststellung des Eintritts der von ihm im angefochtenen Erkenntnis angenommenen Beschädigungen am Fahrzeug der Zeugin kommt. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist daher insoweit unvollständig geblieben, weshalb das Verwaltungsgericht die in Rede stehende Entscheidung bereits aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete.
23 Dazu kommt, dass das Verwaltungsgericht angesichts des ungenügend ermittelten Sachverhaltes in Bezug auf einen am Fahrzeug der Zeugin allfällig entstandenen Sachschaden keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich der subjektiven Tatseite des § 4 Abs. 5 StVO zu treffen vermochte. Selbst unter Zugrundelegung der durch das Verwaltungsgericht angenommenen Beschädigungen am Fahrzeug der Zeugin durften bereits - angesichts der Geringfügigkeit der behaupteten Sachschäden - Zweifel an der Wahrnehmbarkeit eines allfälligen Anstoßes für den Revisionswerber entstehen (vgl. z.B. VwGH vom 30. Juni 1993, 93/02/0059, mwN). Dass der Revisionswerber, der diesbezüglichen hg. Rechtsprechung folgend (vgl. nochmals das genannte Erkenntnis 93/02/0059, mwN) aufgrund eines riskanten Fahrverhaltens zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen wäre, ist dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen. Die in diesem Zusammenhang ohne Offenlegung näherer Beweise getroffene Feststellung des Verwaltungsgerichtes, "ein Zurückschieben vor einer Ampel nach dem Anhalten" falle "zweifelsohne in diese Kategorie von Fahrmanöver" ist schon insofern nicht haltbar, als der der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2015 beigezogene technische Amtssachverständige nicht ausschließen konnte, dass auch die Zeugin nach vorne gefahren sein und dabei einen allfälligen Kontakt verursacht haben konnte. Da insofern auch der vom Verwaltungsgericht in Bezug auf die subjektive Tatseite angenommene Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Abspruch über Spruchpunkt 1. des Straferkennntisses der LPD Wien vom 27. Mai 2015 auch aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
24 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer abgegolten wird (vgl. z.B. VwGH vom 1. Februar 2017, Ra 2016/04/0002).
Wien, am 5. Mai 2017
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