VwGH Ra 2016/01/0278

VwGHRa 2016/01/027820.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revisionen der 1. S A H A G, 2. S A A S A, 3. S A A A, alle in G, alle vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Frauengasse 7, gegen die Erkenntnisse vom 9. September 2016,

1) Zl. LVwG 0.8-3597/2015-34, 2) Zl. LVwG 41.8-37/2016-34 und 3) Zl. LVwG 41.8-39/2016-34, des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §10 Abs2 Z7;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Erstrevisionswerberin, einer ägyptischen Staatsangehörigen, und ihrer beiden Töchter, der Zweit- und Drittrevisionswerberin, ebenfalls ägyptische Staatsangehörige, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. November 2015, mit dem der Antrag der Erstrevisionswerberin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und das Ansuchen um Erstreckung der Verleihung auf die Zweit- und Drittrevisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2, 6 und 8, 10 Abs. 2 Z 7, 11 und 18 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen wurden, als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision unzulässig sei.

2 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht (LVwG) zusammengefasst aus, dass die Erstrevisionswerberin in einer Nahebeziehung zu der als extremistisch einzustufenden Muslimbruderschaft stehe und im Verein "L K - V" in G, einem salafistischen Glaubensverein nach Ausrichtung der Muslimbruderschaft den Unterricht der Frauen leite und in der Betreuung der Frauen der Moschee das Gedankengut der Muslimbruderschaft indoktriniere, sie somit bekennende Sympathisantin einer extremistischen Gruppierung sei, in deren Umfeld im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen extremistische oder terroristische Aktivitäten nicht ausgeschlossen werden könnten, und insofern das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG erfüllt sei. Mangels Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Erstrevisionswerberin sei deren Erstreckung auf ihre minderjährigen Töchter gemäß § 18 StbG nicht möglich.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dass, abgesehen davon, dass sich nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis kein "Naheverhältnis" iSd § 10 Abs. 2 Z 7 StbG begründen lasse, bis dato die Frage, ob die Muslimbruderschaft an sich eine extremistische oder terroristische Gruppierung iSd § 10 Abs. 2 Z 7 StbG sei, von den Höchstgerichten noch nicht entschieden worden sei. Überdies vertrete das LVwG offensichtlich den unrichtigen Standpunkt, das Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 2 Z 7 StbG sei bereits erfüllt, wenn der Einbürgerungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung habe, weshalb das LVwG keine Feststellungen zur Muslimbruderschaft und deren Strukturen bzw. zu Entwicklungen in deren Umfeld, aufgrund derer extremistische oder terroristische Aktivitäten nicht ausgeschlossen werden können, getroffen habe. Schließlich habe das LVwG wesentliche Feststellungen zur Muslimbruderschaft aufgrund des Projektberichts "Evaluierung ausgewählter islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien" der Universität Wien, Institut für islamische Studien, verfasst von Univ. Prof. Dr. A., und der "Islamkarte", islamische Vereine und Moscheen in Österreich, Universität Wien, getroffen, ohne diese Beweismittel mit den Revisionswerberinnen zu erörtern.

7 § 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Ein Naheverhältnis liegt bei Personen vor, die - neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen - (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind (vgl. zu all dem den hg. Beschluss vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/01/0124, sowie das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2015, Ro 2014/01/0035, mwN).

8 Die Erstrevisionswerberin bestreitet - in den allein maßgeblichen Zulässigkeitsausführungen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. Februar 2017, Ra 2017/01/0040) - nicht, dass sie im Verein "L K - V" in G, einem salafistischen Glaubensverein nach Ausrichtung der Muslimbruderschaft den Unterricht der Frauen leitet, die Muslimbruderschaft unterstützt bzw deren aktives Mitglied ist und in der Betreuung der Frauen der E N Moschee das Gedankengut der Muslimbruderschaft indoktriniert; ebenso wenig tritt sie den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts entgegen, wonach es sich bei der Muslimbruderschaft um eine radikalislamistische Gruppierung, die einen salafistischen sowie dschihadistischen Islam vertrete, dessen angestrebtes politisches System deutliche Züge eines totalitären Herrschaftssystems aufweise, welches weder die Souveränität des Volkes noch die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit der Menschen garantiere und auf die Errichtung einer islamischen Herrschaftsordnung auf Grundlage von Koran und Sunna ausgerichtet sei, und die Islamisierung der Gesellschaft durch Missionierung und soziale Maßnahmen, Beendigung der kulturellen Verwestlichung, die Umwandlung des Bildungswesens und der Bildungsinstitute nach islamischen Kriterien, die Errichtung eines islamistischen Staates auf Grundlage islamischer Prinzipien und Werte und die Anwendung des islamischen Rechts anstrebe; die Muslimbruderschaft keine Mitgliederverzeichnisse führe und die Mitglieder in jedem Land geheim seien, damit sie von den Behörden nicht festgestellt werden könnten; es innerhalb der Muslimbruderschaft ein genaues Regelwerk gäbe, was erlaubt oder verboten sei; alle Mitglieder sich dem Leitsatz des Gründers H A B: "Gott ist unser Ziel. Der Prophet ist unser Führer. Der Koran ist unsere Verfassung. Der Dschihad ist unser Weg. Der Tod für Gott ist unser nobelster Wunsch."

unterwerfen und der Bruderschaftsführung absoluten Gehorsam schwören würden; im Verein "L K - V" in G keine andere Ideologie als die der Muslimbruderschaft, die in wesentlichen Punkten dem westlich demokratischen Verständnis des Zusammenlebens, der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, der politischen Ordnung und den Grundprinzipien der Verfassung der Republik Österreich widerspreche, verbreitet würden.

9 Nach diesen von der Erstrevisionswerberin in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht bestrittenen Feststellungen zu ihrer Verbindung zur Muslimbruderschaft und dem nach Ausrichtung der Muslimbruderschaft eingerichteten salafistischen Glaubensverein "L K - V" in G sowie zu deren religiös motivierten radikalen gesellschaftspolitischen Einstellungen und Zielsetzungen hat das Landesverwaltungsgericht entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht angenommen, dass die Erstrevisionswerberin das Verleitungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG (Naheverhältnis zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen) erfülle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2015, Ro 2014/01/0035, und die hg. Beschlüsse vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/01/0124, sowie vom 16. Mai 2017, Ra 2017/01/0104). Dieses Verleihungshindernis ist dann gegeben, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können (vgl. das zitierte Erkenntnis Ro 2014/01/0035, mit Verweis auf die Materialien in RV 1189 22. GP, 5).

10 Schließlich sehen die Revisionswerberinnen die Revision deshalb als zulässig, weil das Landesverwaltungsgericht wesentliche Feststellungen zur Muslimbruderschaft aus dem Projektbericht "Evaluierung ausgewählter islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien" der Universität Wien, Institut für islamische Studien, verfasst von Univ. Prof. Dr. A., und der "Islamkarte", islamische Vereine und Moscheen in Österreich, Universität Wien, treffe, ohne diese Beweismittel mit den Revisionswerberinnen erörtert zu haben. Dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Auch dieses Vorbringen vermag die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu begründen, weil es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Jänner 2017, Ra 2016/01/0338).

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Juni 2017

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