VwGH Ra 2016/01/0124

VwGHRa 2016/01/012411.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des A A in G, vertreten durch Kupferschmid Kuntner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Frauengasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 28. April 2016, LVwG 70.3-3285/2015-15, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs2 Z7;
StbG 1985 §10;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016010124.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. September 2015, mit dem sein Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 6 und 8, 10 Abs. 2 Z 7 und 11 StbG abgewiesen wurde, als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig erklärt. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark zusammengefasst aus, dass das Beurteilungskriterium "Integration" beim Revisionswerber einige positive Indizien aufweise, die für eine Integration des Einbürgerungswerbers sprechen würden. Im Hinblick jedoch auf die Feststellungen, wie dem Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft, Demonstrationen mit anderen Muslimbruderschaftsaktivisten, Haltung zur Scharia und damit fundamentalistischer religiöser Überzeugung komme das Gericht zur Prognose, dass der Revisionswerber zukünftig sehr wohl eine Gefahr für öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle und eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihn die Interessen der Republik Österreich schädige. Dem Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft könne daher keine Folge gegeben werden.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dass die Frage, ob ein Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft, eine Teilnahme an Demonstrationen, eine positive Einstellung zum Mursi-Regime, ein Gutheißen von Attacken der Hamas gegen militärische Ziele Israels und ein Gutheißen der Geltung der Scharia bzw. Teile davon, wenn dies demokratisch legitimiert wäre, Ausschlussgründe für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft seien, vom Verwaltungsgerichtshof bislang nicht entschieden worden sei. Den damit zusammenhängenden Fragen komme im Hinblick auf die gegebene Flüchtlings- und Migrationssituation weit über den Einzelfall hinaus grundlegende Bedeutung zu.

6 Als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bringt die Revision vor, dass das Landesverwaltungsgericht Steiermark unkritisch und unreflektiert Teile des Berichtes des Verfassungsschutzes in seine Entscheidung aufgenommen habe und sich damit über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 2008, 2005/01/0005, hinwegsetze.

7 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers Bedacht zu nehmen und eine Prognose anzustellen, ob der Verleihungswerber Gewähr dafür bietet, keine Gefahr für die öffentlichen Interessen darzustellen. Vor allem vom Verleihungswerber begangene Straftaten haben in diese Beurteilung einzufließen. Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ziehen, dass die strafrechtliche Unbescholtenheit eines Einbürgerungswerbers in jedem Fall zu einer für ihn positiven Prognose zukünftigen Wohlverhaltens führen muss. Die Gefährlichkeit eines Verleihungswerbers im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann sich nämlich auch aus besonderen Umständen in seiner Person ergeben, die bislang noch zu keinem Konflikt mit dem Strafgesetz geführt haben.

§ 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Ein Naheverhältnis liegt bei Personen vor, die - neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen - (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2015, Ro 2014/01/0035, mwN).

8 Wenn das Landesverwaltungsgericht zu dem Schluss gelangte, dass aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Einstellung des Revisionswerbers zu europäischen Grundwerten, insbesondere anhand seiner Aussagen in der mündlichen Verhandlung, für ihn die Prognose erstellt werden müsse, er sei eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft schädige die Interessen Österreichs, handelt es sich dabei um eine Beurteilung des Einzelfalles im Rahmen der genannten Leitlinien, von denen das Landesverwaltungsgericht nicht abgewichen ist.

9 Im Übrigen ist der Revisionswerber den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes, er habe ein großes Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft, einer extremistischen Gruppe, und er vertrete zumindest als Sympathisant Ziele der Muslimbruderschaft und damit auch der Hamas, nicht konkret entgegengetreten. Auf die Frage, ob aufgrund dieser Feststellungen auch das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG (Naheverhältnis zu extremistischen und terroristischen Gruppierungen) vorliegt, muss im Hinblick auf die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht eingegangen werden.

10 Zur weiters geltend gemachten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung hat der Verwaltungsgerichtshof auch erkannt, dass eine von den Sicherheitsbehörden geleistete "Amtshilfe" bzw. im Verleihungsverfahren abgegebene negative Stellungnahme für die Verleihungsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung entfaltet. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde bzw. die Landesverwaltungsgerichte vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Einbürgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 2008, 2005/01/0005 und vom 26. Mai 2015, Ro 2014/01/0035).

11 Dies hat das Landesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall ausreichend getan, indem es die Feststellungen der Sicherheitsbehörde wiedergegeben hat, sich diesen anschloss und in der Zusammenschau mit den Aussagen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung aus diesen rechtlich das Vorliegen der maßgeblichen Verleihungshindernisse ableitete.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2016

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