VwGH Ra 2015/22/0076

VwGHRa 2015/22/007617.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des T Z, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27. April 2015, VGW-151/074/1775/2015-1, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
VwRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. September 2014 hat der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Georgien, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der Fassung vor BGBl. I Nr. 87/2012 dem Wortlaut des Spruches nach abgewiesen, in Wahrheit jedoch zurückgewiesen. Die Behörde ging davon aus, dass der Revisionswerber am 19. Jänner 2002 illegal eingereist sei und am 21. Jänner 2002 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10. Februar 2010 abgewiesen worden. Ein Folgeantrag sei mit Bescheid vom 23. April 2012 in Verbindung mit einer Ausweisung zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juni 2012 abgewiesen. Seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen habe der Revisionswerber darauf gestützt, dass er seit 2002 in Österreich aufhältig und als Zeitungsverkäufer beschäftigt wäre und ein Sprachdiplom auf dem Niveau A2 erworben hätte, weiters verfügte er über eine Einstellungszusage eines Landwirtes. Rechtlich folgerte die Behörde, dass im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt gegenüber der Ausweisungsentscheidung nicht zu erkennen sei.

Diesen Bescheid hob das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 25. November 2014 auf. Es ging davon aus, dass sich die Behörde eindeutig auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gestützt und somit eine Zurückweisung des Antrages vorgenommen habe. Es hätten sich jedoch diverse Anhaltspunkte ergeben, die im Rahmen einer Interessenabwägung zu Gunsten des Revisionswerbers hätten führen können. Somit sei im Hinblick auf die asylrechtliche Ausweisung im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Revisionswerbers im Rahmen einer Prognoseentscheidung von einem maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG auszugehen und es erweise sich die Zurückweisung des Antrages als rechtswidrig.

Im fortgesetzten Verfahren wies die Behörde mit Bescheid vom 26. Jänner 2015 den gegenständlichen Antrag wieder "ab" und nannte als Rechtsgrundlage § 44b Abs. 1 Z 1 NAG. Begründend führte sie aus, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des § 11 Abs. 3 NAG nicht habe erkannt werden können. Allein der Besuch eines Deutschkurses oder eine Berufsausbildung bedinge kein schützenswertes Privatleben und weise auch im Zusammenhalt mit dem Vorhandensein einer Einstellungszusage nicht eine solche Bedeutung auf, dass eine potentielle andere Beurteilung des Sachverhaltes geboten wäre. Nach § 44b Abs. 1 NAG sei ein Antrag gemäß § 41a Abs. 9 NAG zurückzuweisen, wenn seit der rechtskräftig erlassenen Ausweisung kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorkomme. Nicht jede Sachverhaltsänderung könne relevant sein, vielmehr müsse diese eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Der Revisionswerber habe "keinerlei weitere Dokumente und Vorbringen seit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vorgelegt, die eine Neubewertung des Antrages erforderlich gemacht oder wesentliche Änderungen im Sinn des Art. 8 EMRK dargestellt hätten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 27. April 2015 wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde gegen den zuletzt genannten Bescheid als unbegründet ab und kam im Wesentlichen zum Schluss, es könne im Ergebnis nicht als rechtswidrig erachtet werden, dass die belangte Behörde in den seit der Erlassung der Ausweisung geänderten Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts gesehen habe, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte. Wie schon im ersten Rechtsgang ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass sich der Revisionswerber seit 2002 in Österreich aufhalte, als Zeitungszusteller tätig sei und Deutschkenntnisse nachgewiesen habe.

Letztlich erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision für unzulässig, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen gewesen sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Verwaltungsgericht hat im ersten Rechtsgang mit Erkenntnis vom 25. November 2014 den als Zurückweisungsbescheid gewerteten Bescheid der Behörde mit der Begründung aufgehoben, dass der Antrag mit Blick auf den geänderten Sachverhalt zu Unrecht zurückgewiesen worden sei.

Im fortgesetzten Verfahren hat die Behörde neuerlich den Antrag des Revisionswerbers (der Sache nach) zurückgewiesen und diesem Bescheid im Wesentlichen denselben Sachverhalt wie im ersten Rechtsgang zu Grunde gelegt.

Diese Vorgangsweise entsprach nicht dem Gesetz.

§ 28 Abs. 5 VwGVG lautet:

"Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

Somit ist die Behörde an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes gebunden und darf bei gleich gebliebenem Sachverhalt nicht zu einem anderen Ergebnis kommen (vgl. auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG, K 17; Fister/Fuchs/Sachs Verwaltungsgerichtsverfahren § 28 VwGVG Anm. 19; sowie das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2015, Ro 2014/07/0105).

Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die von der Behörde vorgenommene - wie im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 25. November 2014 dargelegt jedoch rechtswidrige - Zurückweisung des Antrages. Damit belastete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen (vgl. das Erkenntnis vom 7. Oktober 2013, 2013/17/0274), dass auch der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 63 VwGG bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Ersatzbescheides bei gleich gebliebenem Sachverhalt an die in seinem Vorerkenntnis niedergelegte Rechtsanschauung gebunden ist. Da § 28 Abs. 5 VwGVG dem § 63 VwGG nachgebildet ist (vgl. auch dazu Fister/Fuchs/Sachs a.a.O.) kann schon deswegen nichts anderes für die Verwaltungsgerichte gelten (vgl. Herbst in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 243; sowie das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0034).

Indem das Verwaltungsgericht dessen ungeachtet im angefochtenen Erkenntnis das behördliche Abweichen von der im ersten Erkenntnis dargelegten Rechtsanschauung bei im Wesentlichen gleich gebliebenem Sachverhalt bestätigt hat, hat es die Rechtslage verkannt.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. November 2015

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