VwGH Ra 2015/20/0027

VwGHRa 2015/20/002720.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des A M in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Dezember 2014, Zl. W194 1418143-1/5E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
AVG §37;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste am 1. Juli 2010 in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er als Mitglied der Volksgruppe der Hazara verfolgt werde. Es sei immer wieder zu Konflikten mit den Kutschi, die Paschtunen seien, gekommen, die das Land der Hazara in Anspruch hätten nehmen wollen. Außerdem sei vor Jahren der Großvater des Revisionswerbers von "Tol Afghan" - die Paschtunen unterstützenden Hazara - umgebracht worden.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2011 wies das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt führte begründend im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei afghanischer Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Hazara und der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung an. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber durch paschtunische Nomaden bzw. zwei Personen der Tol Afghan einer Verfolgung unterliege. Dem Vorbringen zu den behaupteten Verfolgungsgründen sei die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden könne.

Ungeachtet dessen reiche, soweit der Revisionswerber ausführe, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara zu sein, die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe alleine sowie deren etwaige schlechte allgemeine Situation nicht aus, eine Asylgewährung zu rechtfertigen. Allgemeine geringfügige Benachteiligungen, die noch nicht das Ausmaß einer Gruppenverfolgung - die weder den Angaben des Revisionswerbers noch den Feststellungen zu Afghanistan entnommen werden könnte - angenommen hätten, würden sich nicht speziell gegen den Revisionswerber richten und könnten daher nicht zur Gewährung von Asyl führen. Konkrete Verfolgungshandlungen seien dem Vorbringen nicht zu entnehmen gewesen.

Darüber hinaus würden die Kämpfe mit den Kutschi-Nomaden nicht einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unterliegen, weil es bei diesen Kämpfen um latente Grundstücksstreitigkeiten, Weiderechte und Gebietsrechte und nicht um ethnische Auseinandersetzungen gehe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber, soweit es die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten betraf, Beschwerde an den Asylgerichtshof. Darin wiederholte der Revisionswerber im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und zitierte aus teils undatierten Berichten zur Konfliktsituation der Kutschi und Hazara in der Provinz Wardak und zur Demographie dieses Gebietes. Auf einzelne (vermeintliche) Widersprüche und Vorhalte ging der Revisionswerber in der Beschwerde ein und versuchte diese mit konkreten Argumenten zu entkräften. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht ausdrücklich beantragt.

Das beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren wurde ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt (§ 75 Abs. 19 AsylG 2005).

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte hinsichtlich der Person des Revisionswerbers fest, dieser sei ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stamme aus der Provinz Wardak, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei muslimischen Glaubens. In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers habe nicht festgestellt werden können, dass dieser in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werde. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan sei der Revisionswerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt.

Darüber hinaus traf das Bundesverwaltungsgericht umfangreiche Feststellungen zum Herkunftsstaat des Revisionswerbers und führte zum Revisionsvorbringen aus, dass es dahingestellt bleiben könne, ob die Feststellungen der belangten Behörde im Hinblick auf das Nichtvorliegen von Fluchtgründen in Bezug auf den Revisionswerber und die diesbezügliche Beweiswürdigung zuträfen, weil auch dann, wenn es die Angaben des Revisionswerbers den Feststellungen zu Grunde lege, in rechtlicher Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis als die belangte Behörde gelangen würde ("Wahrunterstellung"). Damit erübrige sich aber auch ein Eingehen auf die Ausführungen in der Beschwerde, soweit sich diese auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe beziehe.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die behauptete Furcht des Revisionswerbers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, sei nicht begründet. Der Revisionswerber habe als fluchtauslösend im Wesentlichen vorgebracht, er habe Afghanistan aus Angst vor den Kutschi und dem damit im Zusammenhang stehenden Tod seines Großvaters verlassen. Zwar sei es in Afghanistan in früheren Jahren wiederholt zu gewalttätigen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem paschtunischen Nomadenvolk der Kutschi und der Volksgruppe der Hazara gekommen, diese würden jedoch in keinem kausalen Zusammenhang mit einem der in der GFK abschließend genannten Verfolgungsgründe stehen. Die Überfälle der Kutschi seien nicht bzw. nicht wesentlich auf einen Konventionsgrund zurückzuführen, sondern hätten ihren wesentlichen Grund vielmehr in der allgemein schlechten Wirtschafts- und Versorgungslage sowie in den ungeklärten Boden- und Wasserverhältnissen in Afghanistan. Auch dem Vorbringen einer allfälligen, auf den Revisionswerber durchschlagenden Bedrohungssituation in Bezug auf dessen Großvater sei entgegen zu halten, dass der Großvater aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten getötet worden sei und dies eine lediglich auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung darstelle, die den in der GFK genannten Gründen nicht zugeordnet werden könne.

Des Weiteren führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG iVm § 21 Abs. 7 BFA-VG für die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung seien gegeben gewesen. Es habe sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Revisionswerber im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern, ergeben, auch habe dieser die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt.

Die Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung, weiters sei die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch würden keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision u. a. geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil dem Revisionswerber bei "Wahrunterstellung" des Fluchtvorbringens bei Rückkehr Verfolgung durch die regelmäßig durch das Dorf ziehenden Kutschi-Paschtunen sowie durch jene zu den Paschtunen übergelaufenen Hazara, die mit der Familie des Revisionswerbers in Streit stehen würden und den Großvater des Revisionswerbers getötet hätten, drohe. Bei diesem Konflikt handle es sich nicht um einen einfachen Grundstücksstreit, sondern hätte dieser seine Ursache in einem bewaffneten Konflikt aufgrund ethnischer Zugehörigkeit. Darüber hinaus lasse sich dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen, ob auch die Verfolgung durch die Tol Afghan der sogenannten Wahrunterstellung unterliege. Sei dies nicht der Fall, hätte iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG ohnehin eine mündlichen Verhandlung zur Klärung des Sachverhalts stattfinden müssen, weil dieses Vorbringen asylrelevant sei.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

§ 24 Abs. 1 und 4 VwGVG lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

...

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen."

§ 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21. ...

(7) Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG."

Der Revisionswerber rügt mit seinem Vorbringen, bei ordnungsgemäßer "Wahrunterstellung" hätte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung - im Einklang mit dem Vorbringen des Revisionswerbers - vom Vorliegen einer Verfolgung aus Gründen ethnischer Zugehörigkeit ausgehen müssen. Mangels korrekt vorgenommener "Wahrunterstellung" wäre das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall aber verpflichtet gewesen, eine Verhandlung durchzuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichtes steht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. September 2014, Ro 2014/09/0049, vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/19/0085, und vom 22. Jänner 2015, Ra 2014/21/0019). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft und/oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird (vgl. nochmals das erwähnte Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, mwN).

Dies trifft auf das in der Beschwerde enthaltene Vorbringen des Revisionswerbers zu. Der Revisionswerber richtet sich damit nämlich nicht bloß unsubstantiiert gegen die verwaltungsbehördlichen Feststellungen, sondern versucht die ihm vorgeworfenen Widersprüche durch konkrete Argumente zu entkräften. Das Bundesverwaltungsgericht hatte demnach gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Fall VwGVG auch ohne ausdrücklichen Antrag des Revisionswerbers eine Verhandlung von Amts wegen durchzuführen, es sei denn, andere gesetzliche Bestimmungen hätten es ermächtigt, davon Abstand zu nehmen. Fallbezogen kam dafür nur der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltene erste Tatbestand in Betracht. Demnach kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Eines der im hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, dargelegten Kriterien für das Absehen von einer Verhandlung iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG ist, dass in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet worden sein darf, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Vor dem Hintergrund des oben Gesagten ist dieses Kriterium hier nicht gegeben; somit liegen die Voraussetzungen zur Abstandnahme von der Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht vor.

Ein Absehen von der mündlichen Verhandlung kann aber auch dann gerechtfertigt sein, wenn im zu beurteilenden Rechtsfall das Vorhandensein eines Rechtsanspruchs gerade nicht von der Richtigkeit des Vorbringens eines Antragstellers zu den ins Treffen geführten Tatsachen abhängt. Das allerdings entbindet nicht davon, in der Entscheidung offenzulegen, von welchen als hypothetisch richtig angenommenen Sachverhaltsannahmen bei der rechtlichen Beurteilung konkret ausgegangen wird, um sowohl den Verfahrensparteien als auch dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung zu ermöglichen, ob einerseits die derart erfolgte rechtliche Beurteilung - und daher auch die Annahme, keine (allenfalls: ergänzenden) Feststellungen zum Vorbringen treffen zu müssen - dem Gesetz entspricht, und ob andererseits überhaupt bei der rechtlichen Beurteilung vom Inhalt des Vorbringens ausgegangen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0069).

Im vorliegenden Fall hat es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, das Vorbringen auf Richtigkeit zu prüfen, und begründete dies mit mangelnder Asylrelevanz des Vorbringens auch im Fall der "Wahrunterstellung".

In seiner rechtlichen Beurteilung stützte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine auf Rechtsfragen beschränkte Prüfung unter der Annahme der hypothetischen Richtigkeit des vorgebrachten Sachverhalts hinsichtlich des Verlassens des Herkunftsstaates aus Angst vor den Kutschi. Dabei kam das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung unter Heranziehung der Feststellungen zum Herkunftsland des Revisionswerbers zu dem Schluss, dass der Konflikt zwischen den Kutschi und den Hazara nicht ethnisch motiviert und mangels GFK-Bezugs keine Asylrelevanz gegeben sei. Die vom Revisionswerber beschriebenen Überfälle seien auf die allgemein schlechte Wirtschafts- und Versorgungslage sowie auf die ungeklärten Boden- und Wasserverhältnisse in Afghanistan zurückzuführen.

Dabei ließ das Bundesverwaltungsgericht aber unbeachtet, dass der Revisionswerber als Ursache des Konflikts zwischen den Kutschi und Hazara die Ethnie angegeben hat. Die Kutschi würden die Besitzrechte der Hazara nicht anerkennen und sie von ihrem Land vertreiben, weil sie der Meinung seien, die Hazara dürften nichts besitzen, weil ganz Afghanistan nur den Paschtunen gehöre.

Indem das Bundesverwaltungsgericht nach dem Gesagten nicht das gesamte Vorbringen des Revisionswerbers, das auch beinhaltete, dass die Verfolgung der Hazara durch die Kutschi ethnisch motiviert sei, vollumfänglich seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sondern in einem entscheidungserheblichen Punkt - ohne dass dazu in gesetzmäßiger Weise Feststellungen getroffen worden sind - von dessen sachverhaltsbezogenem Vorbringen abgewichen ist und sich das Bundesverwaltungsgericht lediglich auf seine von Amts wegen eingebrachten Länderberichte stützte, kann im vorliegenden Fall nicht von einer "Wahrunterstellung" ausgegangen werden.

Die vom Bundesverwaltungsgericht seinen Feststellungen zum Konflikt zwischen den Kutschi und den Hazara zugrunde gelegten Berichte bieten im Übrigen keine ausreichende Grundlage für die Annahme, alle Bewohner der betroffenen Regionen seien gleichermaßen von Überfällen der Kutschi bedroht und es könne ein ethnisches Motiv der Vertreibung deshalb von vornherein verneint werden.

Ob im vorliegenden Fall eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Gründe angenommen werden kann, lässt sich damit nicht ohne weitere Feststellungen beantworten.

Ausgehend davon lagen auch unter diesem Blickwinkel die Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung nicht vor.

Die angefochtene Entscheidung war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und Z 6 VwGG abgesehen werden. Eine solche wird vom Bundesverwaltungsgericht durchzuführen sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Mai 2015

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