Normen
AVG §45 Abs2;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG-GV 1997 §13 Abs1;
FSG-GV 1997 §17 Abs1;
FSG-GV 1997 §17;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z1;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z4;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015110120.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit (Vorstellungs)Bescheid vom 28. Mai 2014 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für die Klassen A, AM und B für die Dauer von 15 Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheins am 16. April 2014, mithin bis 16. Juli 2015. Unter einem wurde eine Nachschulung angeordnet und der Revisionswerber zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der genannten Klassen sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgefordert. Grund für die Entziehung der Lenkberechtigung war eine Fahrt des Revisionswerbers am 16. April 2014 gegen die Fahrtrichtung auf der A 14 über eine Strecke von mehr als 22 km, und zwar in alkoholisiertem Zustand (Blutalkoholgehalt 1,92 Promille). In die Bemessung der Entziehungszeit ließ die belangte Behörde auch einfließen, dass sich der Revisionswerber gegenüber den ihn anhaltenden Beamten aggressiv verhalten und von Selbstmord gesprochen habe.
Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde erhoben.
Nachdem sich der Revisionswerber am 16. Februar 2015 einer verkehrspsychologischen Untersuchung unterzogen hatte, entzog ihm die belangte Behörde - gestützt auf die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 17. Februar 2015 und ein Gutachten des Amtsarztes der belangten Behörde (Dr. A.M.) vom 23. Februar 2015 - mit Bescheid vom 26. Juni 2015 die Lenkberechtigung für die Klassen A, AM und B für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung. Unter einem wurde ein Antrag des Revisionswerbers vom 18. Mai 2015 auf Ausfolgung des Führerscheins - gemeint: nach Ablauf der am 16. Juli 2015 verstreichenden 15 monatigen Entziehungszeit - abgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aberkannt.
Das Verwaltungsgericht Vorarlberg wies - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2015 gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ab. Unter einem wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht unter Vorlage der Akten des Verfahrens vorgelegten (außerordentliche) Revision.
Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
1.1. Das FSG idF. der 16. FSG-Novelle, BGBl.I Nr. 74/2015, lautet (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. ... .
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese
Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. ... .
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:
‚geeignet', ‚bedingt geeignet', ‚beschränkt geeignet' oder ‚nicht geeignet'.
(4) Wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Auflagen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, so sind diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
...
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
...
Dauer der Entziehung
§ 25.
...
(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
..."
1.2. Die FSG-GV idF. der Verordnung BGBl. II Nr. 285/2015 lautet (auszugsweise):
"Begriffsbestimmungen
§ 1. Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:
1. ärztliches Gutachten: ein von einem Amtsarzt oder von einem gemäß § 34 FSG bestellten sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin gemäß der Anlage erstelltes Gutachten, das in begründeten Fällen auch fachärztliche Stellungnahmen, gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt gemäß § 9 FSG oder erforderlichenfalls auch eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu umfassen hat.
2. fachärztliche Stellungnahme: diese hat ein Krankheitsbild zu beschreiben und dessen Auswirkungen auf das Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen und ist von einem Facharzt des entsprechenden Sonderfaches abzugeben. In dieser ist gegebenenfalls auch die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitzubeurteilen.
3. verkehrspsychologische Untersuchung eines Bewerbers um eine Lenkberechtigung oder eines Führerscheinbesitzers: diese besteht aus
a) der Prüfung seiner kraftfahrspezifischen verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit und
b) der Untersuchung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung.
...
Allgemeines
§ 2. (1) Das ärztliche Gutachten hat gegebenenfalls auszusprechen:
1. ob und nach welchem Zeitraum eine amtsärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist,
...
(2) Die verkehrspsychologische Untersuchung hat, je nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, den Gesichtspunkt der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besonders zu berücksichtigen. Sie kann in den Fällen des § 17 Abs. 3 Z 1 und 2 auf Grund einer positiven Kurzuntersuchung (Screening) abgekürzt werden.
...
(4) Bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens darf keine fachärztliche oder verkehrspsychologische Stellungnahme miteinbezogen werden, die älter als sechs Monate ist. Aktenkundige Vorbefunde sind jedoch heranzuziehen, um einen etwaigen Krankheitsverlauf beurteilen zu können. Zu diesem Zweck hat die Behörde dem Sachverständigen bei Nachuntersuchungen in diese Vorbefunde Einsicht zu gewähren.
...
Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
...
und
4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.
...
Psychische Krankheiten und Behinderungen
§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt.
...
Verkehrspsychologische Stellungnahme
§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht
- 1. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
- 2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.
... .
...
Verkehrspsychologische Untersuchung
§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muß durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.
(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgende Fähigkeiten zu überprüfen:
- 1. Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,
- 2. Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens,
- 3. Konzentrationsvermögen,
- 4. Sensomotorik und
- 5. Intelligenz und Erinnerungsvermögen.
..."
2. Die Revision ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes zulässig, weil dieses, wie im Folgenden zu zeigen ist, entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jegliche Auseinandersetzung mit einer vom Revisionswerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten einschlägigen fachärztlichen Stellungnahme unterlassen hat.
3. Die Revision ist begründet.
3.1.1. Das Verwaltungsgericht legt der angefochtenen Entscheidung folgende Sachverhaltsannahmen zugrunde:
Zwar sei beim Revisionswerber von einer ausreichenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung auszugehen, doch mangle es ihm an der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und damit an der erforderlichen gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.
Dies ergebe sich aus der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten (neuerlichen) verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 15. September 2015, der eine verkehrspsychologische Untersuchung des Revisionswerbers am 9. September 2015 vorangegangen sei, der Beurteilung durch den Amtsarzt der belangten Behörde (Dr. L.M.) im Gutachten vom 21. September 2015, sowie aus dem Gutachten des vom Verwaltungsgericht herangezogenen medizinischen Amtssachverständigen Dr. W.G. vom 31. Juli 2015.
Dr. W.G. habe in seinem Gutachten vom 31. Juli 2015 hervorgehoben, die am 16. Februar 2015 durchgeführte verkehrspsychologische Untersuchung des Revisionswerbers hätte ergeben, dass beim Revisionswerber Einschränkungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen im Bereich der visuellen Überblicksgewinnung, der reaktiven Belastbarkeit, der Sensomotorik sowie im Bereich des schlussfolgernden Denkens vorlägen. Zwei vom Revisionswerber vorgelegte fachärztliche Stellungnahmen (vom 12. Jänner 2015 und vom 13. Mai 2015) beleuchteten nicht den eignungsausschließenden testpsychologischen Aspekt der Lenkeignung, sondern ausschließlich den medizinischen Aspekt der Alkoholkrankheit, außerdem hätten beide Nervenfachärzte keine testpsychologischen Untersuchungen durchgeführt, die geeignet wären, "die verkehrspsychologische Untersuchung zu konterkarieren". Aufgrund dieser Defizite in der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit läge beim Revisionswerber die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht vor, dies trotz der "momentan attestierten Stabilisierung der Alkoholkrankheit und der Absolvierung einer Einheit eines kognitiven Funktionstrainings".
Der Revisionswerber habe sich am 9. September 2015 neuerlich einer verkehrspsychologischen Untersuchung unterzogen. Der verkehrspsychologischen Stellungnahme sei zu entnehmen, dass er bei der Beobachtungsfähigkeit und der diskriminativen Reaktionsfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses ausreichende Testergebnisse erzielt hätte, deutliche Leistungsdefizite lägen aber nach wie vor beim Reaktionsverhalten, der Reaktionssicherheit und reaktiven Belastbarkeit, der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, beim logischen Denken und bei der Sensomotorik vor. Trotz eines kognitiven Trainings hätte sich keine Leistungsverbesserung ergeben. Das amtsärztliche Gutachten vom 21. September 2015 habe diese verkehrspsychologische Stellungnahme als schlüssig übernommen und mangels ausreichender kraftfahrspezischer Leistungsfähigkeit die gesundheitliche Lenkeignung verneint.
Zwar habe der Revisionswerber eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme Dris T.M. vom 21. September 2015 vorgelegt, derzufolge keinerlei Hinweise auf einen Missbrauch von Alkohol oder eine Alkoholabhängigkeit vorlägen und aus nervenfachärztlicher Sicht keinerlei Einschränkungen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit gegeben seien, weshalb der Revisionswerber unter der Voraussetzung von entsprechenden Kontrolluntersuchungen gesundheitlich zum Lenken von Fahrzeugen der Gruppe 1 geeignet wäre, doch habe der medizinische Amtssachverständige (Dr. W.G.) in einer email vom 2. Oktober 2015 mitgeteilt, dass ein nervenfachärztliches Gutachten grundsätzlich nicht geeignet wäre, "das Ergebnis einer verkehrspsychologischen Untersuchung aufzuheben", weil es nicht den psychologischen Teilaspekt unter Berücksichtigung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit beleuchte.
Das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen Dr. W.G. vom 31. Juli 2015 sei "schlüssig und widerspruchsfrei".
3.1.2. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - sich dabei explizit der Meinung des medizinischen Amtssachverständigen Dr. W.G. anschließend - aus, die vom Revisionswerber vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen aus dem Bereich Psychiatrie und Neurologie seien zwar hinsichtlich der nunmehr als gegeben anzunehmenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung eingeflossen, könnten aber das Ergebnis einer verkehrspsychologischen Untersuchung "grundsätzlich" nicht aufheben. Mangels ausreichender kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit ermangle es dem Revisionswerber an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, weshalb die von der belangten Behörde ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung sowie die Abweisung des Antrags auf Wiederausfolgung des Führerscheins zu bestätigen gewesen sei.
3.2. Schon mit ihrem Hinweis darauf, dass der Revisionswerber im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme Dris H.K. vom 16. September 2015 vorgelegt habe, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Revisionswerbers anhand von Tests mitbeurteilt worden sei, diese Stellungnahme vom Verwaltungsgericht aber gänzlich ungewürdigt geblieben sei, zeigt die Revision eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.
3.3.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, erlaubt das Nichtvorliegen einer positiven verkehrspsychologischen Stellungnahme allein nicht, die gesundheitliche Eignung einer Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu verneinen; diese hat vielmehr nur eine Hilfsfunktion für die ärztliche Beurteilung im Rahmen des erforderlichen amtsärztlichen Gutachtens, und den verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen kommt keine Monopolstellung in Ansehung der Beurteilung der gesundheitliche Eignung zu (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 2001, Zl. 98/11/0312 (= Slg. Nr. 15550/A) und Zl. 2000/11/0287, vom 28. Mai 2002, Zl. 2000/11/0169, vom 17. Oktober 2006, Zl. 2003/11/0318, vom 27. September 2007, Zl. 2004/11/0057 (= Slg. Nr. 17282/A), vom 22. April 2008, Zl. 2008/11/0043, und vom 21. September 2010, Zl. 2010/11/0095). Auch eine negative verkehrspsychologische Stellungnahme muss nicht zwingend zur Verneinung der gesundheitlichen Eignung führen (vgl. z.B. die bereits erwähnten hg. Erkenntnisse Zl. 2008/11/0043 und Zl. 2010/11/0095). Ausführungen einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sind - anders als das Verwaltungsgericht vermeint - nicht schon deshalb, weil sie von einem Psychologen stammen, einer näheren Beurteilung durch Ärzte, insbesondere Fachärzte, entzogen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2011, Zl. 2009/11/0116).
Insbesondere betont der Verwaltungsgerichtshof aber in ständiger Rechtsprechung, dass - auch bei Fehlen einer positiven oder bei Vorliegen einer negativen verkehrspsychologischen Stellungnahme - schon das amtsärztliche Gutachten eine Auseinandersetzung mit einer fachärztlichen psychiatrischen Stellungnahme, in der die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitbeurteilt wurde, zu enthalten hat, soll die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen verneint werden (vgl. zB. die erwähnten hg. Erkenntnisse Zl. 98/11/0312, Zl. 2000/11/0287, Zl. 2000/11/0169, Zl. 2004/11/0057, Zl. 2009/11/0116). Der Umstand, dass dem Verwaltungsgericht allenfalls divergierende Beweisergebnisse vorliegen, erlaubt es nicht, eines dieser Beweisergebnisse ohne Durchführung einer Beweiswürdigung schlicht "auszublenden" (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis Zl. 2009/11/0116).
3.3.2. Gegenständlich ist das Verwaltungsgericht auf die vom Revisionswerber vorgelegte (aktuelle) fachärztliche psychiatrische Stellungnahme Dris H.K. vom 16. September 2015 nicht eingegangen und hat auch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit derselben durch den medizinischen Amtssachverständigen veranlasst. Diese Stellungnahme beurteilt auch die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit, sie erwähnt die Durchführung eines Reaktionstests und eines Determinationstests, deren Ergebnisse im Einzelnen dargestellt sind. Dem Revisionswerber wird insgesamt ein recht gutes Reaktionsvermögen und im Determinationstest ein durchschnittliches Ergebnis zugestanden, wobei darauf hingewiesen wird, dass bei etwas langsamerem Arbeiten weniger Reizantworten ausgelassen würden. Insgesamt sei aus Sicht der durchgeführten Leistungstests die Lenkeignung zu bejahen.
Dass die Berücksichtigung dieser Stellungnahme durch den medizinischen Amtssachverständigen bei Erstattung seines Gutachtens zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, bedarf keiner näheren Darlegung. Das angefochtene Erkenntnis ist jedenfalls mit einem gravierenden, auf einer Verkennung der Rechtslage beruhenden, Verfahrensfehler behaftet.
3.3.3. Das angefochtene Erkenntnis ist allerdings, wiewohl dies in der Revision nicht aufgezeigt wird, noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig:
Angesichts der dem Verwaltungsgericht vorliegenden divergierenden Beweisergebnisse wäre bei einer Abweisung der Beschwerde jedenfalls - ungeachtet eines fehlenden Antrags des Revisionswerbers - eine mündliche Verhandlung geboten gewesen, weil sich diese als erforderlich iSd. § 24 Abs. 1 VwGVG erwiese. Es sei in diesem Zusammenhang überdies darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über eine Entziehung der Lenkberechtigung im Lichte der Entscheidung des EGMR Becker gegen Österreich (Urteil vom 11. Juni 2015) eine Entscheidung über civil rights iSd. Art. 6 MRK darstellt.
3.4. Aus den bisherigen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die begehrte Umsatzsteuer im Pauschalersatz für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 1. März 2016
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