VwGH Ra 2015/09/0110

VwGHRa 2015/09/011025.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision der B Privatstiftung, p.A. B GesmbH in W, vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/top 3a, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. August 2015, Zl. VGW-101/056/3119/2015-1, betreffend Wiederherstellungsauftrag nach dem Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 19. Bezirk), zu Recht erkannt:

Normen

DMSG 1923 §36 Abs4;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwRallg;
DMSG 1923 §36 Abs4;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 2015 wurde der Revisionswerberin als Eigentümerin des näher bezeichneten Gebäudes in W, welches mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 17. Mai 2004 rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellt worden war, die Wiederherstellung des der widerrechtlichen Änderung des Denkmals vorausgegangenen Zustandes durch Entfernen der konsenslos errichteten Innenhofüberdachung aus satiniertem Glas aufgetragen. Die Wiederherstellung habe nach Vorgaben des Bundesdenkmalamtes auf Kosten der Revisionswerberin zu erfolgen.

Das Landesverwaltungsgericht Wien gab der dagegen erhobenen Beschwerde keine Folge und sprach aus, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. Das Bundesdenkmalamt und die belangte Behörde erstatteten Revisionsbeantwortungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit vor, es sei entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007) keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden. Sie habe eine solche in der Beschwerde beantragt. Der gegenständliche Eingriff in das Eigentum falle unter civil rights im Sinne des Art. 6 EMRK.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

Die Revisionswerberin zeigt mit ihrem Vorbringen eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, die Revision ist zulässig.

Sie ist auch berechtigt:

Im vorliegenden Fall hatte die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

In der Beschwerde wurde sowohl die Abweichung der durchgeführten Dachkonstruktion von der vom Bundesdenkmalamt bewilligten (Bescheide vom 10. und 11. Februar 2011), sohin die Widerrechtlichkeit der Änderung des Denkmals als auch die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit der Wiederherstellung bestritten und Beweisanträge gestellt.

Das Landesverwaltungsgericht hatte darüber zu entscheiden und die für Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht geltenden Verfahrensbestimmungen, somit die für die Behandlung von Beschwerden geltenden Bestimmungen des VwGVG anzuwenden.

Gründe für den Entfall einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGVG lagen im vorliegenden Fall nicht vor, weil die Beschwerde nicht zurückzuweisen und der angefochtene Bescheid nicht auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, nicht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder eine Weisung angefochten war und das Verwaltungsgericht auch nicht über eine Säumnisbeschwerde zu entscheiden hatte.

Daher war für die Frage der Durchführung einer mündlichen Verhandlung § 24 Abs. 4 VwGVG maßgeblich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, unter Hinweis auf Vorjudikatur die Voraussetzungen zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Klärung des Sachverhaltes wiederholt; auf diese Ausführungen wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Im Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das soeben zitierte Erkenntnis vom 17. Februar 2015 weiters ausgeführt:

"Aus der Formulierung 'Klärung der Rechtssache' in § 24 Abs. 4 VwGVG kann auch geschlossen werden, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen hatte, sondern auch die mündliche Erörterung der nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007)."

Schon deshalb hätte das Landesverwaltungsgericht eine

mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt.

Hinzu kommt noch Folgendes:

Das Landesverwaltungsgericht wies in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses richtig darauf hin, dass gemäß § 36 Abs. 4 DMSG bei Wiederherstellungsaufträgen Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu berücksichtigende Umstände darstellen. Dabei ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung u. a. auch die Schwere des Eingriffs in das Eigentum zu berücksichtigen.

Vor dem Hintergrund, dass bereits die Unterschutzstellung nach dem DMSG ein aus öffentlich-rechtlichen Gründen erfolgender Eingriff in das Eigentumsrecht sowie seine privatrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen berührt, weshalb Art. 6 EMRK auf dieses Verfahren anzuwenden ist, ist auch nicht daran zu zweifeln, dass ein Wiederherstellungsauftrag in den unter Schutz gestellten Zustand eines Denkmals ein durch die Unterschutzstellung bedingter (weiterer) Eingriff in das Eigentum ist und deshalb Streitigkeiten darüber als zivilrechtliche Streitigkeiten anzusehen sind.

Zur grundsätzlichen Verhandlungspflicht bei Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen und die nach der Rechtsprechung des EGMR zulässigen Ausnahmen wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, verwiesen.

Die dort genannten Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Im Übrigen hat sich das Landesverwaltungsgericht mit der Frage der Notwendigkeit einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG auch gar nicht befasst und die Abstandnahme von deren Durchführung nicht begründet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 25. Jänner 2016

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