VwGH Ra 2015/06/0037

VwGHRa 2015/06/003714.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der Dr. E W in S, vertreten durch Mag. Rolf Gabron, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Peter-Wunderlichstraße 17, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 11. Februar 2015, Zl. KLVwG- 1347/16/2014, betreffend einen Beseitigungsauftrag (belangte

Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde S; mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S; weitere

Partei: Kärntner Landesregierung, Arnulfplatz 1, 9020 Klagenfurt), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §53;
AVG §7;
BauO Krnt 1996 §36 Abs1;
BauO Krnt 1996 §6;
BauO Krnt 1996 §7 Abs1 litj;
BauRallg;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag der mitbeteiligten Marktgemeinde auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Verfahrensgegenständlich ist ein Beseitigungsauftrag für eine konsenslos errichtete Toranlage mit einer Gesamtbreite von 414 cm und das entlang der Ostgrenze nach Süden verlaufende, mit der Toranlage bzw. deren Tragkonstruktion mittels Verschraubung verbundene Zaunfeld mit einer Länge von 373 cm, beide mit einer Höhe von 151 cm bis 158 cm, auf einem näher bezeichneten Grundstück der Revisionswerberin.

2 Der Revisionswerberin war bereits mit Bescheid der vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG) belangten Behörde vom 15. Oktober 2004 rechtskräftig aufgetragen worden, entweder nachträglich eine Baubewilligung für die auf ihrem näher bezeichneten Grundstück errichtete Toranlage zu beantragen oder innerhalb einer bestimmten Frist den rechtmäßigen Zustand - Urzustand - herzustellen und die ohne Baubewilligung ausgeführte und vollendete Toranlage abzubrechen.

3 Dieser Beseitigungsauftrag wurde in weiterer Folge vollstreckt und am 11. November 2010 wurden die Toranlage und der seitliche Zaun entfernt (Anordnung der Ersatzvornahme mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S. vom 18. Juni 2010, bestätigt mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. Juli 2010).

4 Im März 2011 errichtete die Revisionswerberin die Toranlage und die Zauneinfriedung neuerlich an derselben Stelle.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Jänner 2014, mit dem dieser die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes auf dem näher bezeichneten Grundstück durch Beseitigung der Toranlage mit einer Gesamtbreite von 414 cm und des entlang der Ostgrenze nach Süden verlaufenden, mit der Toranlage bzw. deren Tragekonstruktion mittels Verschraubung verbundenen Zaunfeldes mit einer Länge von 373 cm, beide mit einer Höhe von 151 cm bis 158 cm, aufgetragen und darüber hinaus den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 7. Juli 2011 bestätigt hatte, nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen gemäß § 28 VwGVG als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig (Spruchpunkt III.).

6 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück im März 2011 eine Toranlage sowie an der östlichen Grundstücksgrenze nach Süden verlaufend einen Zaunteil errichtet (zu den Maßen siehe Rz 1). Dieser östliche, an die Toranlage anschließende Zaunteil sei hinsichtlich des Materiales und des Erscheinungsbildes gleich ausgestaltet wie die Toranlage und mit der östlichen Kante der Toranlage verschraubt, wobei zwischen Toranlage und Zaunteil keine Zaunsäule sei. Westlich des Zaunteiles sei ein mit der Toranlage verschraubter Steher, welcher quer in Nord-Süd-Richtung verlaufe und im Boden befestigt sei, angebracht, der der Standfestigkeit des Zaunteiles diene.

Mit näher bezeichnetem Bescheid (des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde) vom 2. Februar 1971 sei der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft die Baubewilligung für den Abbruch des bestehenden Badehauses und den Neubau der sanitären Anlagen und Kabinen erteilt worden. Dieser Baubewilligung seien ein Grundrissplan (1:50) und ein Lageplan (1:500) zu Grunde gelegen. Auf dem Lageplan (1:500) sei keine Toranlage ersichtlich. Der Lageplan weise auch keine Parzellennummer der benachbarten Parzellen auf und keine Bemaßung. Im Lageplan sei die Nutzungsgrenze hin zur öffentlichen Straße dargestellt; der Lageplan sei mit dieser Nutzungsgrenze abgeschnitten. Im Grundrissplan (1:50) seien die baulichen Anlagen selbst dargestellt. Hiebei sei eine Toranlage in unmittelbarer Nähe der Nordseite des Kabinentraktes eingezeichnet. Als Maßangabe sei ein Säulenquerschnitt eingezeichnet. Im Grundrissplan sei auch keine Zaunanlage, ebenso wenig wie eine bestehende Zaunanlage, ersichtlich gemacht. Die gegenständliche Toranlage sei nicht in jenem Bereich, wie im Grundrissplan eingezeichnet, errichtet worden.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG nach Anführung von Rechtsvorschriften zunächst aus, Voraussetzung für einen Wiederherstellungsauftrag (Beseitigungsauftrag) sei das Fehlen einer Baubewilligung. Es sei daher vorab die Frage zu klären, ob für die verfahrensgegenständliche Toranlage und den ostseitigen Zaunteil eine Baubewilligung im Sinne des § 6 Kärntner Bauordnung 1996 - K-BO 1996 erforderlich sei. Bei der Toranlage handle es sich um eine fest mit dem Boden verbundene bauliche Anlage in Leichtbauweise, deren Höhenmaße 1,50 m überschritten, zumal sowohl die Toranlage als auch der ostseitige Zaunteil zumindest eine Höhe von 151,5 cm und maximal ein Höhenmaß von 158 cm (Toranlage) hätten. Der ostseitige Zaunteil stehe mit der Toranlage in einem untrennbaren Zusammenhang, zumal die Standfestigkeit des ostseitigen Zaunteiles durch den an der Toranlage fixierten Steher gesichert sei. Wenn die Revisionswerberin anführe, der ostseitige Zaunteil sei nicht der Toranlage zuzuordnen, sondern sei Bestandteil des Richtung Süden verlaufenden Zaunes, sei ihr zu entgegnen, dass der ostseitige Zaunteil hinsichtlich seines Materials und seiner optischen Ausgestaltung der Toranlage gleiche, demgegenüber der Richtung Süden weiterverlaufende Zaun ein Maschendrahtzaun bzw. Gitterzaun mit anderer optischer Ausgestaltung sei. Wie bereits angeführt, sei der Zaunteil mit der Toranlage verschraubt und ebenso der die Standfestigkeit des Zaunteiles garantierende Steher. Bei Entfernung der Toranlage wären zusätzliche Maßnahmen notwendig, um die Standfestigkeit des ostseitigen Zaunteiles zu garantieren. Unabhängig davon, ob der ostseitige Zaunteil eine Höhe von 150 cm oder mehr aufweise, stellten der gegenständliche Zaunteil und die Toranlage eine einheitliche bauliche Anlage dar, deren Höhenmaß über jenes in § 7 Abs. 1 lit. j K-BO 1996 hinausgehe, sodass eine bewilligungspflichtige Anlage vorliege.

Wenn die Revisionswerberin darauf hinweise, dass diese Anlage bereits durch die mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 2. Februar 1971 erteilte Baubewilligung gedeckt sei, sei sie darauf zu verweisen, dass im Lageplan, der Grundlage dieser Baubewilligung gewesen sei, entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin eine Toranlage nicht ersichtlich gemacht sei. Wohl aber sei im Grundrissplan dieses Bauaktes eine Toranlage eingezeichnet, welche laut Plan in unmittelbarer Nähe des Kabinentraktes situiert sei. Die verfahrensgegenständliche Toranlage in ihrer derzeitigen Lage sei nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens daher keinesfalls in der Baubewilligung aus dem Jahre 1971 mitbewilligt. Die gegenständliche Toranlage sei sowohl zum Errichtungszeitpunkt als auch zum Zeitpunkt der Erteilung des gegenständlichen Auftrages bewilligungspflichtig gewesen; eine entsprechende Bewilligung hiefür sei nicht vorgelegen. Der Auftrag im Sinne des § 36 Abs. 1 K-BO 1996 sei daher rechtmäßig erteilt worden.

8 Schließlich erklärte das LVwG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

10 Das LVwG legte die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor.

11 Die belangte Behörde vor dem LVwG beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 In ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG bzw. Art. 133 Abs. 4 B-VG führt die Revisionswerberin aus, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liege auch deshalb vor, weil zur Frage, ob das LVwG in einem Verfahren, in dem ein Bescheid einer Gemeindebehörde angefochten werde, einen Angehörigen dieser Gemeinde, von welcher der bekämpfte Bescheid erlassen worden sei, als Amtssachverständigen beiziehen dürfe, noch dazu dann, wenn dieser Sachverständige bereits im Verfahren vor den Gemeindebehörden tätig geworden und die Richtigkeit seines Gutachtens in der Beschwerde ausdrücklich bekämpft worden sei, keine Judikatur vorliege.

13 Die außerordentliche Revision ist im Hinblick auf die genannte Rechtsfrage zulässig, sie ist aber nicht begründet.

14 Eine ausdrückliche Rechtsprechung zu der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage besteht - soweit ersichtlich - nicht. Lediglich implizit hat der Verwaltungsgerichtshof diese Frage im Beschluss vom 29. Jänner 2016, Zl. Ra 2016/06/0006, bejaht.

15 Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 2014, E 707/2014, grundlegende Aussagen zur Zulässigkeit der Heranziehung von Amtssachverständigen durch ein Verwaltungsgericht gemacht. Die Aussagen des Verfassungsgerichtshofes lassen sich dahin zusammenfassen, dass er zwar die grundsätzlichen Bedenken gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht nicht teilt, dass aber andererseits die Heranziehung nicht von vornherein und in jedem Fall zulässig ist; die Unbefangenheit des Amtssachverständigen ist vielmehr jeweils gesondert zu prüfen.

16 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesen Erwägungen an.

17 Das angefochtene Erkenntnis steht im Einklang mit diesen Ausführungen. Gegenständlich wurden keine besonderen Umstände vorgebracht, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen. Auch der Revision ist kein dahin gehendes konkretes Vorbringen zu entnehmen. Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem LVwG zufolge wurde auch in der Beschwerdeverhandlung lediglich vorgebracht, der Amtssachverständige sei Bediensteter der belangten Behörde und weise daher im kontradiktorischen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht die nach dem Gesetz erforderliche Unabhängigkeit auf. Das LVwG hat im angefochtenen Erkenntnis in Auseinandersetzung mit diesen Einwendungen festgestellt, dass der Amtssachverständige in der Beschwerdeverhandlung lediglich Messungen an Ort und Stelle vorgenommen habe. Diese hätten keinen Grund zur Beanstandung gegeben. Im Übrigen seien die diesbezüglichen Feststellungen (mit Ausnahme der Höhe der südlich des östlichen Zaunteilers befindlichen Zaunsäule) auf Grund des Vorbringens der Revisionswerberin bzw. deren eigener Messungen im Zuge der Beschwerdeverhandlung getroffen worden.

18 Im Übrigen geht das LVwG bei seinen Erwägungen von einem untrennbaren Zusammenhang zwischen der Toranlage und dem ostseitigen Zaunteil aus (siehe Rz 7), sodass die Ausführungen zur Bewilligungspflicht bzw. Konsenslosigkeit der "Toranlage" in gleicher Weise für den ostseitigen Zaunteil gelten.

19 Das LVwG legte seiner Entscheidung - wie dargestellt - zu Grunde, die verfahrensgegenständliche, im Jahre 2011 errichtete Toranlage sei sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages bewilligungspflichtig gewesen, eine Bewilligung liege allerdings nicht vor. Die Toranlage sei in der Baubewilligung aus dem Jahre 1971 nicht "mitbewilligt" worden.

20 Dem hält die Revision entgegen, dass das LVwG zu diesen Feststellungen auf Grund eines mangelhaften Verfahrens und einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung gekommen sei.

21 Es kann im vorliegenden Fall allerdings dahinstehen, ob die Toranlage Gegenstand des Baubewilligungsbescheides vom 2. Februar 1971 war:

Selbst zutreffendenfalls bedeutete dies nur, dass der nicht mehr bestehende Altbestand - unstrittig ist, dass die Toranlage im Wege einer behördlichen Ersatzvornahme am 11. November 2010 entfernt wurde - baubehördlich bewilligt war. Dieser Konsens ist durch die Beseitigung der baulichen Anlage erloschen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 5. Februar 1991, Zl. 90/05/0139, vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/05/0073, und vom 15. November 2011, Zl. 2011/05/0041).

22 Entscheidend ist, ob für die aktuelle Bauführung, d.h. die Errichtung der Toranlage durch die Revisionswerberin an derselben Stelle im März 2011, eine aufrechte Baubewilligung besteht. Dies ist aber nach der Aktenlage und dem Vorbringen in der Revision zu verneinen.

23 Soweit die Revisionswerberin geltend macht, die Toranlage sei bewilligungsfrei im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. j K-BO 1996, weil die Höhe von 1,50 m nicht überschritten werde, ist ihr mit dem LVwG zu entgegnen, dass bei Ermittlung der Höhe der vorliegenden baulichen Anlage, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Torflügel öffnen zu können, die Bodenfreiheit einzubeziehen ist. Es begegnet auch keinen Bedenken, die auf den Säulen befindlichen und mit diesen verschweißten Zierelemente als höhenrelevant anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommt der Frage, ob eine Beseitigung der Toranlage allein möglich wäre oder zusätzliche Maßnahmen für die Standfestigkeit des Zaunteiles erfordere, keine Bedeutung mehr zu, weil auch der Zaunteil, jedenfalls eine Zaunsäule, die Höhe von 1,50 m überschreitet. Der Beseitigungsauftrag ist demnach zu Recht ergangen.

24 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

25 Der Antrag der mitbeteiligten Marktgemeinde auf Kostenersatz war abzuweisen, weil nach § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG einem Mitbeteiligten nur dann Anspruch auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes zukommt, wenn die Gegenschrift durch einen Rechtsanwalt eingebracht wurde.

Wien, am 14. April 2016

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