VwGH Ra 2014/17/0035

VwGHRa 2014/17/003527.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag Dr Zehetner und Dr Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Maga Schubert-Zsilavecz, über die Revision der revisionswerbenden Partei M D in S, vertreten durch Dr Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 31. März 2014, LVwG-10/80/5- 2014, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes,

Normen

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs3;
AVG §64a;
AVOGDV 2010 §10b Abs2 Z2 litc;
GSpG 1989 §50 Abs5;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
VStG §30;
VStG §45 Abs1;
VwRallg;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs3;
AVG §64a;
AVOGDV 2010 §10b Abs2 Z2 litc;
GSpG 1989 §50 Abs5;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
StGB §168;
VStG §30;
VStG §45 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die angefochtene Entscheidung wird hinsichtlich ihres Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 2. Juli 2013 erstattete die Finanzpolizei bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung gegen den Revisionswerber Anzeige wegen einer Übertretung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG). Ihm wurde vorgeworfen, er habe in der von ihm betriebenen Tankstelle durch die Duldung der Aufstellung und des Betriebs zweier mit "FA 01" und "FA 02" bezeichneten Glücksspielgeräte die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht.

Mit Bescheid vom 20. November 2013 stellte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber ein. Das gerichtliche Strafverfahren sei von der zuständigen Staatsanwaltschaft mit der Begründung eingestellt worden, dass aufgrund der aktuellen Rechtsprechung die Bestimmung des § 168 StGB infolge Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unanwendbar sei. Daraus ergebe sich eindeutig, dass ein verwaltungsbehördlicher Straftatbestand gemäß § 52 Abs 1 GSpG nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid erhob die Finanzpolizei am 2. Dezember 2013 Berufung und beantragte, "die belangte Behörde möge im Zuge einer Berufungsvorentscheidung den bekämpften Bescheid aufheben und durch ein dem Strafantrag entsprechendes Straferkenntnis ersetzen". Ein Verbesserungsauftrag hinsichtlich des Berufungsantrags wurde weder vom im Zeitpunkt der Berufungseinbringung zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg noch vom Landesverwaltungsgericht Salzburg erteilt.

Mit Ablauf des 31. Dezember 2013 ging gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG das beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg anhängige Berufungsverfahren auf das Landesverwaltungsgericht Salzburg über und wurde als Beschwerdeverfahren weitergeführt. In der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2014 beantragte die Finanzpolizei unter Hinweis auf die Berufungsbegründung, das Landesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden.

Mit Erkenntnis vom 31. März 2014 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde hinsichtlich des Geräts "FA 01" ab, da in diesem Fall aufgrund der Möglichkeit von Höchsteinsätzen von über EUR 10,-- eine strafgerichtliche Zuständigkeit bestanden habe und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens somit rechtmäßig erfolgt sei (Spruchpunkt II.).

Hinsichtlich des Glücksspielgeräts "FA 02" wurde der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens eine Ermahnung erteilt wurde (Spruchpunkt I.).

Gleichzeitig wurde die Revision seitens des Landesverwaltungsgerichts Salzburg für unzulässig erklärt.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber vorerst Beschwerde gemäß Art 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 5. Juni 2014 ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 24. Juli 2014 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Daraufhin erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 1. August 2014 die vorliegende Revision an den Verwaltungsgerichtshof, in der er die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Landesverwaltungsgericht Salzburg und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Hinsichtlich der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision führt der Revisionswerber aus, es widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass nach einer strafgerichtlichen Sachentscheidung noch eine verwaltungsstrafrechtliche Zuständigkeit bestehe. Zudem fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, inwieweit ein Verbesserungsauftrag iSd § 13 Abs 3 AVG auch auf mangelhafte Beschwerdeanträge von Amtsparteien Anwendung finde und ob ein allein auf die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gerichteter Antrag überhaupt Gegenstand einer Verbesserung sein könne. Ebenso sei höchstgerichtlich nicht geklärt, inwieweit die Finanzpolizei als Hilfsorgan der Abgabenbehörde zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt sei. Schließlich fehle im Spruchpunkt I. des Erkenntnisses, in dem die Ermahnung ausgesprochen worden sei, der laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs notwendige Schuldspruch.

Die Revision ist (betreffend den Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses) jedenfalls hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Schuldspruchs im Fall einer Ermahnung zulässig. Sie ist auch begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach einer Verfahrenseinstellung oder einem freisprechenden Urteil durch die Gerichte die Verwaltungsbehörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen habe (vgl VwGH 5. November 2013, 2013/17/0044 bis 0045, und 8. November 2013, 2013/17/0097). Aus der Einstellung ergibt sich nicht, dass die Staatsanwaltschaft vom Vorliegen eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes ausgegangen wäre, sodass hier - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend - die belangte Behörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbstständig zu beurteilen hatte (vgl VwGH 5. November 2013, 2013/17/0044 bis 0045).

Aus der Annahme der Staatsanwaltschaft, § 168 StGB sei aufgrund Unionsrechtswidrigkeit unanwendbar, kann nicht geschlossen werden, dass eine gerichtliche Strafbarkeit bestanden hätte und eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit nicht gegeben war.

Gemäß § 10b Abs 2 Z 2 lit c der Durchführungsverordnung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV) obliegt der Finanzpolizei im Rahmen ihrer Unterstützungstätigkeit für die Finanzämter als Abgabenbehörden wie diesen die Wahrnehmung der den Abgabenbehörden in der Vollziehung des Glücksspielgesetzes übertragenen Aufgaben. Die Abgabenbehörde hatte gemäß § 50 Abs 5 GSpG im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nach § 52 GSpG, da zu der Verwaltungsübertretung eine von ihr bzw der ihr zuzurechnenden Finanzpolizei stammende Anzeige vorlag, Parteistellung und konnte Berufung bzw Beschwerde erheben. Die Finanzpolizei war somit legitimiert, als Organ der Abgabenbehörde in deren Namen Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu erheben.

Gemäß der Rechtsprechung des VwGH ist zwar das Fehlen eines begründeten Berufungsantrags einer Verbesserung zugänglich. § 13 Abs 3 AVG dient aber nicht dazu, einen verfehlten Berufungsantrag zu korrigieren (vgl VwGH 21. Oktober 1999, 99/07/0131). Allerdings entspricht es ebenso der ständigen Rechtsprechung des VwGH, bei der Auslegung des Begriffs "begründeter Berufungsantrag" keinen übertriebenen Formalismus anzuwenden. Es ist vielmehr der wesentliche Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl VwGH 4. September 2008, 2007/17/0105, und 1. April 2004, 2003/20/0438). Aus dem wörtlich auf eine "Berufungsvorentscheidung" abzielenden Berufungsantrag lässt sich erkennen, dass das Begehren des Berufungswerbers auf Aufhebung des Bescheids und Entscheidung in der Sache selbst gerichtet war. Dafür steht das Rechtsmittel der Berufung offen. Die Finanzpolizei konnte keinen Zweifel daran haben, dass die Beantragung einer Berufungsvorentscheidung mit der Einleitung eines Berufungsverfahrens einhergeht, da nur in diesem Rahmen eine Berufungsvorentscheidung von der belangten Behörde erlassen werden kann (vgl auch die Bezeichnung des Anbringens als Berufung) und dass, falls keine Vorentscheidung erlassen wird, die Sache der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wird. Der auf die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gerichtete Berufungsantrag umfasste somit implizit auch den Antrag auf eine Entscheidung durch die Berufungsbehörde und war entsprechend zu erledigen. Dass der Antrag in dieser Weise verstanden werden sollte, wurde von der Finanzpolizei auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt. Die in der Revision geäußerten Bedenken hinsichtlich der Behandlung der von der Finanzpolizei eingebrachten Berufung (nunmehr: Beschwerde) sind daher unbegründet.

Die vom Landesverwaltungsgericht Salzburg im Spruchpunkt I. ausgesprochene Ermahnung beschränkte sich jedoch darauf, dass dem Beschuldigten unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird, ohne näher auszuführen, worin dessen rechtswidriges Verhalten lag. Ein solches Vorgehen widerspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH, wonach das Absehen von einer Strafe bei gleichzeitiger Ermahnung im Bescheidspruch die Ausführung des tatbildmäßigen Verhaltens und der übertretenen Verwaltungsnorm erfordert (vgl VwGH 22. Juni 1971, 253/71; 10. Juli 1985, 84/03/0063, und 10. November 2011, 2010/07/0001). Da im Spruchpunkt I. weder die Tatumschreibung noch die übertretene Verwaltungsnorm angegeben worden waren, war das Erkenntnis in diesem Umfang aufgrund Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Im Spruchpunkt II. bestätigte das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich des Glücksspielgeräts "FA 01". In diesem Umfang war der Revisionswerber durch das Erkenntnis somit nicht beschwert. Die Revision war daher, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses richtete, mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen.

Von der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg Genüge getan.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am 27. Februar 2015

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