VwGH Ra 2014/17/0004

VwGHRa 2014/17/000421.8.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der revisionswerbenden Partei N S in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 10. März 2014, Zl. LVwG-1- 1062/E10-2013, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §50 Abs4 idF 2012/I/112;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5 idF 2012/I/112;
GSpG 1989 §50 Abs4 idF 2012/I/112;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5 idF 2012/I/112;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 9. Dezember 2013, mit welchem der Revisionswerber der Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,--, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Stunden, verhängt worden war, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Dabei ging das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass der Revisionswerber zu einem näher bestimmten Zeitpunkt die faktische Verfügungsgewalt über zwei konkret bezeichnete Glücksspielgeräte in einem namentlich angeführten Lokal gehabt habe. Er sei in diesem Lokal angestellt gewesen. Beide Geräte seien zum Zeitpunkt der Kontrolle zwar öffentlich zugänglich, aber nicht betriebsbereit aufgestellt gewesen. Sie seien nicht an das Stromnetz angeschlossen gewesen. Der Revisionswerber sei der an ihn gerichteten Aufforderung, die beiden Glücksspielgeräte an den Strom anzustecken und diese in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, nicht nachgekommen, sodass es den Organen der öffentlichen Aufsicht nicht möglich gewesen sei, umfassende Überprüfungen an den Glücksspielgeräten und Testspiele vorzunehmen sowie Einsicht in die geführten Aufzeichnungen (insbesondere in die Gerätebuchhaltung) zu nehmen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2012, Zl. 2012/17/0114, ausgeführt habe, könne nach dem Wortsinn und dem Gesetzeszweck unter der Wortfolge "Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten" in § 50 Abs. 4 GSpG jemand verstanden werden, der de facto für die Bereithaltung einer "Einrichtung", mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden könnten, sorge. Im Fall der Aufstellung eines Glücksspielapparates in einem Lokal treffe die Auskunftspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG nicht nur den Betreiber des Apparates, der in einer großen Zahl der Fälle nicht im Lokal anwesend sein werde, sondern den- oder diejenigen, die faktisch für die Verfügbarkeit des Apparates sorgten.

Indem der Revisionswerber im Lokal anwesend gewesen sei und sich trotz Aufforderung durch ein Organ der öffentlichen Aufsicht geweigert habe, die beiden Glücksspielgeräte an den Strom anzustecken und diese in betriebsbereiten Zustand zu versetzen, habe dieser für deren Nichtverfügbarkeit gesorgt. Dadurch habe der Revisionswerber die einschreitenden Beamten daran gehindert, anlässlich der Kontrolle umfassende Überprüfungen und Testspiele durchzuführen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach dem Glücksspielgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu nehmen.

Gleichzeitig wurde die Revision seitens des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg für unzulässig erklärt.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Die vorliegende Revision erweist sich im Hinblick auf die Frage, ob eine Duldungs- und Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG nur hinsichtlich betriebsbereiter (und nicht hinsichtlich nicht an das Stromnetz angeschlossener) Glücksspieleinrichtungen besteht, als zulässig.

§ 50 Abs. 4 und § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 112/2012, lauten:

"§ 50. (1) ...

(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

...

Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 40 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

...

5. wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs. 3 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs. 6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 verstößt;

..."

Nach den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses waren die beiden im Zeitpunkt der Kontrolle im Lokal vorgefundenen Glücksspielgeräte zwar öffentlich zugänglich aufgestellt, aber nicht an das Stromnetz angeschlossen.

Fraglich ist nun, ob die in § 50 Abs. 4 GSpG festgelegten Duldungs- und Mitwirkungspflichten auch in Fällen wie dem vorliegenden bestehen, wo im Kontrollzeitpunkt zwar Glücksspielgeräte aufgestellt sind, diese aber nicht unmittelbar bespielbar sind, weil sie etwa - wie hier - nicht an das Stromnetz angeschlossen sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit dem Begriff des "Bereithaltens" einer Glücksspieleinrichtung im Sinne des § 50 Abs. 4 GSpG befasst. Dazu ist im hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2012, Zl. 2012/17/0114, ausgeführt:

"Das GSpG definiert den Begriff des 'Bereithaltens' einer Glücksspieleinrichtung bzw. der 'Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält', zwar nicht näher und auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Novelle des GSpG mit BGBl. I Nr. 54/2010, mit welcher § 50 Abs. 4 GSpG in das GSpG eingefügt wurde (658 Blg NR, 24. GP, 8), enthalten keine Ausführungen zu § 50 Abs. 4 GSpG. Unter einer 'Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit hält', kann jedoch schon nach dem Wortsinn und dem Gesetzeszweck jemand verstanden werden, der de facto für die Bereithaltung einer 'Einrichtung', mit der Glücksspiele von Dritten gespielt werden können, sorgt. Das Bereithalten wird vom Gesetzgeber in § 50 Abs. 4 GSpG vom 'Veranstalten' und 'Anbieten' eines Glücksspielapparates unterschieden. Das 'Bereithalten' setzt somit keine rechtlichorganisatorische Beziehung zu der Glücksspieleinrichtung in dem Sinne voraus, dass jemand das Spiel organisierte, dass die Verträge mit ihm abgeschlossen würden oder die Spiele auf seine Rechnung erfolgten. Der Gesetzgeber wollte mit der Bestimmung offensichtlich auch eine Auskunftsverpflichtung jener Personen schaffen, die zwar mit der Veranstaltung des Spiels nicht im eben genannten Sinne zu tun haben, die aber durch ihr Verhalten die Durchführung des Spiels erst ermöglichen und in vielen Fällen bei Kontrollen die einzigen Personen sind, die den Kontrollorganen Auskünfte erteilen können. Im Falle der Aufstellung eines Glücksspielapparats in einem Lokal trifft somit die Auskunftspflicht nach § 50 Abs. 4 GSpG nicht nur den Betreiber des Apparats, der in einer großen Zahl der Fälle nicht im Lokal anwesend sein wird, sondern den- oder diejenigen, die faktisch für die Verfügbarkeit des Apparats sorgen. Die Abgrenzung, welche Angestellte des Lokalbetreibers damit von der Auskunftspflicht erfasst sind, hat sich nach dem Aufgabenbereich des Angestellten zu richten."

Dieser Entscheidung lag als Sachverhalt zugrunde, dass die vorgefundenen Geräte betriebsbereit und funktionstauglich waren.

Im Erkenntnis vom 15. März 2013, Zl. 2012/17/0590, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, es sei im Erkenntnis vom 20. Juni 2012 ausgesprochen worden, dass die in § 50 Abs. 4 GSpG festgelegten Duldungs- und Mitwirkungspflichten alle Personen träfen, die faktisch für die Verfügbarkeit des Glücksspielautomaten sorgten. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass der Beschwerdeführer, indem er als Vertretung in der Bar anwesend gewesen sei und den Strom ausgeschaltet und sich geweigert habe, diesen wieder einzuschalten, faktisch für deren Verfügbarkeit bzw. auch Nichtverfügbarkeit gesorgt habe.

Zwar lagen der dargestellten Judikatur Fälle betriebsbereit vorgefundener Geräte zugrunde, doch kommt es darauf letztlich - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - nicht entscheidend an. Maßgeblich für die Auslegung des Terminus des "Bereithaltens" ist vielmehr, ob der in Frage kommenden Person die faktische Macht zukommt, für die Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit eines Glücksspielapparats zu sorgen. Diese ergibt sich in der Regel aus dem Aufgabenbereich des Angestellten (bzw. seines Vertreters).

Regelungsgegenstand des § 50 Abs. 4 zweiter Satz GSpG ist nämlich der Adressatenkreis der Duldungs- und Mitwirkungspflichten, nicht aber der Status der vorgefundenen Glücksspieleinrichtungen.

Eine andere Auslegung würde den Zweck der normierten Duldungs- und Mitwirkungspflichten vereiteln. Sinn und Zweck einer Kontrolle ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2013, Zl. 2013/17/0293). Würde die im Zeitpunkt der Kontrolle fehlende Betriebsbereitschaft vorgefundener Glücksspieleinrichtungen zur Verneinung der glücksspielrechtlichen Duldungs- und Mitwirkungspflichten führen, könnte gerade nicht ermittelt werden, ob die Bestimmungen des GSpG in Bezug auf die vorgefundenen Glücksspieleinrichtungen eingehalten werden.

Der Feststellung des Landesverwaltungsgerichts, dass der Revisionswerber als Angestellter die faktische Verfügungsgewalt über zwei näher bezeichnete Glücksspielgeräte in einem bestimmten Lokal hatte, wird in der Revision nicht entgegengetreten. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das Landesverwaltungsgericht von einer Duldungs- und Mitwirkungspflicht des Revisionswerbers ausging.

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung waren auch Feststellungen dazu, ob der Revisionswerber überhaupt im Stande gewesen wäre, die gegenständlichen Geräte in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, nicht erforderlich, wird doch vom Revisionswerber weder die Feststellung bestritten, dass er der an ihn gerichteten Aufforderung, die beiden Glücksspielgeräte an den Stromkreis anzustecken und diese in betriebsbereiten Zustand zu versetzen, nicht nachgekommen ist, noch dargetan, aus welchem Grund ihm die Erfüllung der Aufforderung nicht möglich gewesen wäre.

Die Kontrollorgane sind auch nicht verpflichtet, Anschlüsse von Glücksspieleinrichtungen an das Stromnetz, Internet u.Ä. selbst vorzunehmen. Der Wortlaut des § 50 Abs. 4 GSpG, wonach den Organen der öffentlichen Aufsicht u.a. umfassende Überprüfungen zu ermöglichen sind, schließt es aus, dass die Kontrollorgane selber die Voraussetzungen für die erforderlichen Überprüfungen zu schaffen haben. Vielmehr wäre der Revisionswerber als Person, die die Glücksspieleinrichtungen bereithielt, dazu verpflichtet gewesen. Die vom Revisionswerber diesbezüglich ins Treffen geführte Wendung "soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist" (wobei er die Erforderlichkeit verneint, weil die Kontrollorgane selbst einen Versuch hätten unternehmen können, die Betriebsbereitschaft herzustellen) bezieht sich nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift nämlich nur auf das Betretungsrecht der betreffenden Kontrollorgane, nicht aber auf die im Einzelnen normierten Duldungs- und Mitwirkungspflichten.

Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren - somit auch ohne mündliche Verhandlung (s. § 39 Abs. 1 VwGG, wonach Verhandlungen "nach Abschluss des Vorverfahrens" durchzuführen sind) - als unbegründet abzuweisen. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem belangten Landesverwaltungsgericht, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan.

Wien, am 21. August 2014

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