VwGH Ra 2014/02/0034

VwGHRa 2014/02/003425.7.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des L in S, vertreten durch Dr. Walter Heel und Mag. Christof Heel, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6 b, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 11. Februar 2014, Zl. LVwG‑2013/28/1303‑6, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck),

Normen

AVG §58 Abs2
AVG §60
AVG §67
VStG §44a Z1
VwGG §41 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014020034.L00

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird,

‑ soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. und 2. des angefochtenen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol in jenem Umfang wendet, als damit über die Spruchpunkte 1. bis 4. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 19. April 2013, Zl. VK‑36007/2012, abgesprochen wurde, sowie,

‑ soweit sie sich gegen Spruchpunkt 3. des angefochtenen Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol in jenem Umfang wendet, als damit betreffend die Beschwerde gegen Spruchpunkte 2., 3. und 4. des genannten Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eine Kostenvorschreibung für das Beschwerdeverfahren erfolgt ist,

zurückgewiesen; und

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen (hinsichtlich der Bestätigung der Spruchpunkte 5. und 6. des genannten Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sowie hinsichtlich der diesbezüglichen Kostenvorschreibung gemäß § 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zu Spruchpunkt I.:

1 Der Revisionswerber stellt in der vorliegenden, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 11. Februar 2014 erhobenen Revision unter gleichzeitigem Antrag auf Kostenersatz die Anträge an den Verwaltungsgerichtshof, dieser möge „gemäß § 42 Abs. 2 VwGG das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes für Tirol aufheben“ oder „gemäß § 42 Abs. 1 VwGG das angefochtene Erkenntnis […] abändern und [den Revisionswerber] freisprechen“.

2 Gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu € 750,- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,- verhängt wurde.

3 Hinsichtlich der Revision gegen den verwaltungsgerichtlichen Abspruch über die Spruchpunkte 1. bis 4. des Straferkenntnisses der BH Innsbruck vom 19. April 2013 treffen diese Voraussetzungen zu.

4 Mit dem genannten Straferkenntnis der BH Innsbruck wurden über den Revisionswerber ‑ in den Spruchpunkten 1. bis 3. ‑ 1. wegen Übertretung des § 7 Abs. 3 StVO, 2. wegen Übertretung des § 26a Abs. 2 StVO und 3. wegen Übertretung des § 38 Abs. 1 lit. a StVO jeweils gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO (diese Bestimmung sieht einen Strafrahmen von bis zu € 726,- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen vor) Geldstrafen in der Höhe von 1. € 80,- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden), von 2. € 40,- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) und 3. von € 60,- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. In Spruchpunkt 4. des in Rede stehenden Straferkenntnisses wurde über den Revisionswerber weiters wegen Übertretung des § 102 Abs. 3 5. Satz KFG gemäß § 134 Abs. 3c KFG (diese Bestimmung sieht einen Strafrahmen von € 72,- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu 24 Stunden vor) eine Geldstrafe in der Höhe von € 55,- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt.

5 Das LVwG Tirol gab der Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der BH Innsbruck im angefochtenen Erkenntnis Folge und stellte das Strafverfahren diesbezüglich ein. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. bis 4. des Straferkenntnisses wies das LVwG Tirol dahingegegen als unbegründet ab und sprach hierzu jeweils die Verpflichtung des Revisionswerbers zur Tragung eines Kostenersatzbeitrages zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aus.

6 Nach dem Gesagten war die Revision betreffend den Abspruch über die Spruchpunkte 1. bis 4. des Straferkenntnisses der BH Innsbruck vom 19. April 2013 als gemäß § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig zurückzuweisen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 21. September 2015, Zl. Ra 2015/02/0171).

7 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Revision betreffend den Abspruch des Verwaltungsgerichtes über Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der BH Innsbruck auch mangels Beschwer des Revisionswerbers zurückzuweisen wäre (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 10. Dezember 2015, Ro 2014/17/0069).

8 Zu Spruchpunkt II.:

Die BH Innsbruck lastete dem Revisionswerber im Straferkenntnis vom 19. April 2013 unter Spruchpunkt 5. weiters ‑ betreffend die Tatzeit 3. September 2012, 8.30 Uhr, sowie einen näher genannten Tatort ‑ eine Übertretung des Art. 15 Abs. 7a lit. i der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr an und verhängte über ihn gemäß § 134 Abs. 1b KFG eine Geldstrafe von € 365,-, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden. In Spruchpunkt 6. desselben Straferkenntnisses wurde der Revisionswerber außerdem betreffend dieselbe Tatzeit und denselben Tatort einer Übertretung des „Art. 15 Abs. 7 lit b Abschnitt ii“ der genannten Verordnung für schuldig befunden und über ihn gemäß § 134 Abs. 1b KFG ebenfalls eine Geldstrafe von € 365,-, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden verhängt.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies die auch gegen diese beiden Spruchpunkte gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers im angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach hierzu jeweils die Verpflichtung des Revisionswerbers zur Kostentragung im Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG aus.

9 Art. 15 Abs. 7a lit. i der Verordnung (EWG) des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006) lautet:

„Art. 15. [...]

‚(7) a) Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist, so muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:

i) die Schaublätter für die laufende Woche und die vom Fahrer in den vorausgehenden 15 Tagen verwendeten Schaublätter,

[...]

Nach dem 1. Januar 2008 umfassen die in den Ziffern i und iii genannten Zeiträume jedoch den laufenden Tag und die vorausgehenden 28 Tage.“

Art. 15 Abs. 7b lit. ii der genannten Verordnung hat folgenden Wortlaut:

‚[...]

b) Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I B ausgerüstet ist, so muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:

[...]

ii) alle während der laufenden Woche und der vorausgehenden 15 Tage erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß der vorliegenden Verordnung und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 vorgeschrieben sind, [...]

Nach dem 1. Januar 2008 umfasst der in Ziffer ii genannte Zeitraum jedoch den laufenden Tag und die vorausgehenden 28 Tage.“

10 Zu Recht rügt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision, das Verwaltungsgericht habe nicht unterschieden, welches Kontrollgerät in dem von ihm gelenkten Lkw zum Kontrollzeitpunkt eingebaut gewesen sei. Es hätte nur entweder ein analoges oder ein digitales Kontrollgerät im Lkw vorhanden gewesen sein müssen, wenn nicht überhaupt ein Ausnahmetatbestand betreffend die Verwendung eines Kontrollgerätes vorgelegen sei. Die diesbezügliche wesentliche Feststellung fehle.

Dieses Vorbringen führt die Revision im Umfang des Spruchpunktes II. der gegenständlichen Entscheidung zum Erfolg.

11 Gemäß § 44a Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung zu lauten hat, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung zu der genannten Bestimmung hat die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2015, Ra 2015/02/0025, mwN).

12 Im vorliegenden Fall wurde der Revisionswerber durch die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 5. und Spruchpunkt 6. des Straferkenntnisses der BH Innsbruck - betreffend jeweils denselben Lkw zum selben Tatzeitpunkt und am selben Tatort - zum einen als Fahrer eines Fahrzeuges, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 ausgerüstet ist, zum anderen als Fahrer eines Fahrzeuges, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang IB der genannten Verordnung ausgerüstet ist, bestraft. Diesbezüglich erweist sich der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses damit, wie der Revisionswerber richtig aufzeigt, als in sich widersprüchlich, weshalb eine im vorliegenden Fall prävalierende inhaltliche Rechtswidrigkeit vorliegt.

Feststellungen des Verwaltungsgerichtes (und bereits der Verwaltungsbehörde), ob und wenn ja, mit welchem Kontrollgerät (gemäß welchem Anhang der in Rede stehenden Verordnung) der verfahrensgegenständliche Lkw zum Tatzeitpunkt ausgerüstet war, fehlen völlig.

Da das angefochtene Erkenntnis aber diesbezüglich keine Feststellung des ihm zugrunde gelegten Sachverhalts enthält, lässt es somit infolge seiner unzureichenden Begründung keine inhaltliche Überprüfung „auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts“ zu, weshalb der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall gehindert ist, seine Rechtskontrollaufgabe iSd § 41 Abs. 1 VwGG wahrzunehmen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. September 2015, Ra 2015/02/0115). Es liegt insoweit auch ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher in dem in Spruchpunkt II. genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

14 Für das fortgesetzte Verfahren ist anzumerken ‑ worauf auch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht in der erstatteten Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist ‑ dass in der polizeilichen Anzeige vom 15. September 2012 als verletzte Rechtsnormen Art. 15 Abs. 7 lit. a Abschnitt i sowie Abschnitt iii der Verordnung (EWG) 3821/85 angeführt wurden. Nach dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes hat der Revisionswerber durch seine rechtsfreundliche Vertretung am 16. November 2012 Akteneinsicht in den Verwaltungsstrafakt der Behörde genommen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 25. Juli 2016

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