VwGH Ra 2015/02/0115

VwGHRa 2015/02/01152.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des G H in K, vertreten durch die Hofbauer & Wagner Rechtsanwälte KG in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. April 2015, Zl. LVwG-S-661/001-2015, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Übertretung kraftfahrrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §43 Abs2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §29;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015020115.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 3. Februar 2015 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Wiederaufnahme eines mit Strafverfügung dieser Behörde vom 14. Oktober 2014 abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Übertretung nach § 58 Abs. 1 Z 2 lit. e KDV, wegen der über den Revisionswerber gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von EUR 350,-- verhängt worden war, gemäß § 69 AVG zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 21. April 2015 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers ab und änderte den Spruch des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten insoweit, als das Wort "zurückgewiesen" durch das Wort "abgewiesen" ersetzt wurde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.

In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wird - nach einer Darlegung des Verfahrensgangs und der wörtlichen Wiedergabe des Beschwerdevorbringens - ausgeführt, dass "im Führerscheinentzugsverfahren" unter anderem die gegenständliche Verwaltungsübertretung als solche im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 4 FSG gewertet worden sei. Im Beschwerdeverfahren (gemeint wohl: hinsichtlich des Führerscheinentzugs) seien die dazu vorgebrachten Einwände, welche inhaltlich mit jenen des Antrags auf Wiederaufnahme übereinstimmten, widerlegt worden. Auf die Begründung in einem näher bezeichneten Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich werde verwiesen. Es liege daher kein Wiederaufnahmegrund vor.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhalts geltend machende Revision mit dem Antrag, es kostenpflichtig aufzuheben oder dahin abzuändern, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme stattgegeben wird.

Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision unter anderem vor, dass der gänzliche Verweis auf eine andere Entscheidung, die zudem noch nicht zugestellt worden sei, unzulässig sei.

2. Die Revision ist zulässig und berechtigt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung 1. in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, 2. in der Beweiswürdigung, 3. in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund.

Bei der Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist die besondere Stellung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen. Angesichts ihrer sich aus Art 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG dann nicht gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2014/03/0045).

3. Das angefochtene Erkenntnis enthält keine Feststellung des ihm zugrunde gelegten Sachverhalts. Es lässt somit infolge seiner unzureichenden Begründung keine inhaltliche Überprüfung "auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts" zu, weshalb der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall gehindert ist, seine Rechtskontrollaufgabe iSd § 41 Abs 1 VwGG wahrzunehmen.

Die Begründung des Erkenntnisses erschöpft sich zudem in einem Verweis auf ein anderes, dem angefochtenen Erkenntnis bei der Zustellung an den Revisionswerber auch nicht beigeschlossenes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes. Für einen derartigen Verweis, der an die Stelle einer eigenständigen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tritt, fehlt in den vom Verwaltungsgericht anzuwendenden Verfahrensbestimmungen des VwGVG jegliche Rechtsgrundlage (vgl. demgegenüber § 43 Abs. 2 VwGG, wonach jedes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu begründen ist, es jedoch - soweit die Rechtsfrage bereits durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist - genügt, diese anzuführen).

4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 2. September 2015

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte