VwGH AW 2010/07/0037

VwGHAW 2010/07/003720.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Örsegi Nemzeti Park - Nationalpark Örseg in Öriszentpeter/Ungarn, vertreten durch C Partnerschaft von Rechtsanwälten, der gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 11. Juni 2010, Zl. US 1A/2009/6- 142, betreffend Umweltverträglichkeitsprüfung des Vorhabens "Thermische Reststoffverwertungsanlage in der KG H" (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Partei: R GmbH und B GmbH, vertreten durch O Rechtsanwälte GmbH), erhobenen und zur hg. Zl. 2010/07/0138 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

UVPG 2000 §17 Abs2 Z2 litb;
VwGG §30 Abs2;
UVPG 2000 §17 Abs2 Z2 litb;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Die antragstellende Partei ist eine juristische Person öffentlichen Rechts nach ungarischem Recht. Ihr obliegt die Wahrnehmung aller Eigentümerrechte und sonstigen Rechte in Bezug auf den Nationalpark Örseg. Dieser Nationalpark ist als Natura- 2000-Schutzgebiet ausgewiesen.

Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 5. Februar 2009 wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur thermischen Verwertung nicht gefährlicher Abfälle im Wirtschaftspark H bewilligt.

Die antragstellende Partei sowie andere Parteien beriefen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde den Berufungen teilweise stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid in Teilen abgeändert, die Berufungen teilweise zurückgewiesen bzw. - soweit es die antragstellende Partei betrifft - gemäß §§ 17, 19 und 40 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit verfahrensgegenständlich relevant - aus, dass sie aus Anlass der Berufungsvorbringen, die ungarischen Schutzgebiete seien bei der naturschutzfachlichen Beurteilung ausgespart worden, das Ermittlungsverfahren ergänzt habe.

In seinem Gutachten vom 22. November 2009 - Fachbereich Naturschutz - habe der zugezogene Sachverständige schlüssig dargelegt, dass durch die Errichtung und den Betrieb des gegenständlichen Vorhabens keine nachteiligen Auswirkungen auf die Schutzgüter des Schutzgebietes Örseg zu erwarten seien. Der Schluss der erstinstanzlichen Behörde, dass aufgrund der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung eine Beeinträchtigung der Schutzziele des Natura-2000-Gebietes Örseg nicht zu erwarten sei, erweise sich für die belangte Behörde aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens als gerechtfertigt. Es werde dadurch auch die Aussage des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen bestätigt, der darauf hinweise, dass praktisch alle Wirkungen der geplanten Anlage mit zunehmender Entfernung geringer würden und somit, da schon auf die in unmittelbarer Nähe liegenden Biotope und Schutzgebiete keine negativen Auswirkungen zu erwarten seien, auch auf die auf ungarischem Staatsgebiet liegenden Schutzgebiete keine negativen Auswirkungen zu befürchten seien.

Was die Auswirkungen auf die Flora und Fauna im ungarischen Staatsgebiet insgesamt betreffe, stehe für die belangte Behörde aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Gutachten der Sachverständigen aus den Fachbereichen Naturschutz, Klima und Luftschadstoffemissionen sowie des im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachtens fest, dass das Immissionsminimierungsgebot des § 17 Abs. 2 Z. 2 UVP-G 2000 auch in Bezug auf Pflanzen, Tiere und Lebensräume erfüllt sei. Sowohl für die Luft als auch für das Wasser als potentielle Einwirkungspfade, aber auch durch Flächenverbrauch, Lärm- und Lichtemissionen hätten von den Sachverständigen keine relevanten Auswirkungen für die hier in Rede stehenden Schutzgüter festgestellt werden können. Die Luftschadstoffemissionen im Auswirkungsbereich des Vorhabens blieben unter der Relevanzschwelle und der Auswirkungsbereich auch irrelevanter Immissionen reiche nach den schlüssigen gutachterlichen Feststellungen nicht nach Ungarn und insbesondere auch nicht in das ungarische Natura-2000-Gebiet. Gewässer in Ungarn würden durch das Vorhaben nicht unmittelbar berührt, Lebensraumveränderungen durch indirekte Auswirkungen seien nicht zu erwarten, da keine Eingriffe in das Grundwasser oder in Oberflächenwässer von Oberliegern und Zuflüsse zu ungarischen Schutzgebieten vorgesehen seien.

Aufgrund der dargestellten Ergebnisse des erstinstanzlichen und des ergänzenden Ermittlungsverfahrens gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass detailliertere Erhebungen zu dem auf ungarischem Staatsgebiet vorkommenden Tier- und Pflanzenbestand zu einem anderen Ergebnis führten könnten. Entsprechend substantiiertes Vorbringen enthielten auch die Berufungen und Stellungnahmen zum Edikt nicht. Das Vorkommen zahlreicher seltener Arten, wie z.B. von Ameisenbläuligen, ebenso wie der ökologische Wert und die naturschutzfachliche Bedeutung der Lebensräume des Örseg, seien vom Amtssachverständigen für Naturschutz und vom im Berufungsverfahren zugezogenen Amtssachverständigen nicht bestritten worden. Die zu erwartenden Immissionen und insbesondere auch die Luftschadstoffimmissionen würden jedoch nach den Ergebnissen der Umweltverträglichkeitserklärung und nach den Gutachten des Sachverständigen für Landwirtschaft, Vegetation und Boden sowie des Sachverständigen für Forst und Jagd in einer Größenordnung liegen, bei der projektbedingte Beeinträchtigungen von Tieren und Pflanzen auszuschließen seien.

Für die belangte Behörde stehe sohin fest, dass die Bewilligungsvoraussetzungen des UVP-G 2000, insbesondere des § 17 Abs. 2 Z. 2 lit. b leg. cit., auch in Bezug auf das ungarische Staatsgebiet und die ungarischen Schutzgebiete vorlägen. Da durch das Vorhaben keine wesentlichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen von Europaschutzgebieten zu erwarten seien, sei im Sinne der Anforderungen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) auch keine weitergehende Alternativenprüfung erforderlich.

In ihrem Antrag, der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, führt die antragstellende Partei aus, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegenstünden.

Der Nachteil, der der antragstellenden Partei durch die Umsetzung des angefochtenen Bescheides drohen würde, sei jedoch unverhältnismäßig.

Durch den Bau und Betrieb einer Müllverbrennungsanlage in unmittelbarer Nachbarschaft der antragstellenden Partei, wobei der Nationalpark auch Schutzgebiete nach der FFH-RL und Vogelschutz-Richtlinie (VS-RL) umfasse, würde in irreversibler Weise in den fragilen Charakter des Schutzgebietes eingegriffen, der im Nachhinein nicht wieder auszugleichen sei. Dies betreffe insbesondere den Lebensraum einiger, näher aufgezählter Tierarten. Schon allein die Bauführung sei besonders immissionsintensiv.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine umfassende Prüfung bei einem Eingriff in ein Schutzgebiet notwendig. Nur zuverlässige und vollständige Ergebnisse dürften als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Ein Projekt dürfe erst verwirklicht werden, wenn sich die staatlichen Behörden vergewissert hätten, dass eine Beeinträchtigung der Schutzgebiete auszuschließen sei. Entspreche ein Behördenverfahren nicht den vorgenannten Anforderungen, so sei und bleibe die auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung unionsrechtswidrig. Es könne von der antragstellenden Partei nicht verlangt werden, im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes jene Nachweise und Bescheinigungen beizubringen, die das Unionsrecht in dem von ihm geregelten Verfahren dem einzelnen gerade nicht auflege, sondern den Behörden.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben.

Die bekämpfte Genehmigung sei prima facie auf unvollständige Erhebungen gestützt, die lediglich summarisch-kursorischen Charakter hätten, in sich unschlüssig seien und keine konkrete, an den Schutzzielen der FFH-RL und der VS-RL orientierte Überprüfung nach dem letzten Stand der Wissenschaft beinhalte.

Es sei daher bereits prima facie offensichtlich, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Prüfung und die darauf gegründete Entscheidung den Anforderungen der Rechtssprechung des EuGH nicht entspreche.

Die belangte Behörde erstattete zu diesem Antrag keine Stellungnahme.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Stellungnahme mit dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Beschwerdeführer - unabhängig vom Fehlen eines zwingenden öffentlichen Interesses - in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl. dazu den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10.381/A).

Von einem unverhältnismäßigen Nachteil ist im vorliegenden Zusammenhang dann zu sprechen, wenn nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die geschützten Güter die Schwelle der irreversiblen Beeinträchtigung erreichen; die Beurteilung ist auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die Möglichkeit einer Beseitigung der Folgen des Vollzuges des angefochtenen Bescheides im Falle seiner Aufhebung abzustellen. Im beschriebenen Umfang trifft den Antragsteller eine Konkretisierungspflicht (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 27. September 1999, Zl. AW 99/10/0040).

Der Antrag erschöpft sich in der Behauptung, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung, wonach keine Beeinträchtigung des Schutzgebietes durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei gegeben sei, auf unvollständige Ermittlungsergebnisse stütze.

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof, wenn das in der Beschwerde selbst erstattete Vorbringen nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist, jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 5. November 2008, Zl. AW 2008/07/0032, mwN).

Unter Zugrundelegung der Feststellungen des angefochtenen Bescheides, wonach (zusammengefasst) aufgrund der eingeholten Gutachten eine Beeinträchtigung des Gebietes der antragstellenden Partei auszuschließen sei, wird mit dem Vorbringen der antragstellenden Partei ein sich durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides ergebender unverhältnismäßiger Nachteil nicht dargetan. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bleibt im ordentlichen Verfahren zu prüfen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 3. Dezember 2007, Zl. AW 2007/03/0033).

Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Wien, am 20. Oktober 2010

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