Normen
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Liberia und am 21. Dezember 1996 in das Bundesgebiet eingereist, gab bei der im Zuge seines Asylverfahrens durchgeführten Einvernahme durch das Bundesasylamt gemäß der im Akt in Kopie erliegenden Niederschrift zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen Folgendes an:
Sein Vater habe eine große Farm besessen, die dessen Bruder (der Onkel des Beschwerdeführers) habe übernehmen wollen. Zudem sei dieser Onkel Mitglied einer näher bezeichneten "Gemeinschaft" gewesen und habe die Aufgabe gehabt, den Kopf des Vaters des Beschwerdeführers - dieser habe einen Beitritt zu der "Gemeinschaft" abgelehnt - als Opfergabe "vorzulegen". Tatsächlich habe der besagte Onkel den Vater des Beschwerdeführers erschossen und einen Stoffteil mit dessen Blut getränkt; zum Abschneiden des Kopfes sei er nicht im Stande gewesen, den Stoffteil habe er "als Opfer" der "Gemeinschaft" gebracht. In der Folge habe der Onkel dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er als Erbe der Plantage der "Gemeinschaft" beitreten sollte, andernfalls würde mit ihm das selbe wie mit seinem Vater geschehen. Er (der Beschwerdeführer) sei Jedoch als Christ nicht bereit gewesen beizutreten und sei daher aus seinem Heimatland geflüchtet.
Über Nachfrage seitens des Bundesasylamtes gab der Beschwerdeführer weiter an, dass sein Vater im Dezember 1995 getötet worden sei und dass ihn sein Onkel im Jänner 1996 zum Beitritt zu der erwähnten "Gemeinschaft" aufgefordert und hiefür bis Oktober 1996 Zeit gegeben habe. Bei der Tötung seines Vaters sei er anwesend gewesen, er habe wegen der Bewaffnung seines Onkels nichts dagegen unternehmen können. Er selbst sei nicht getötet worden, weil er zuerst noch habe gewarnt werden sollen und weil man ihm eine Frist habe einräumen wollen. Nach dem Dezember 1995 habe er (der Beschwerdeführer) sich im Haus seines Vaters aufgehalten, sein Onkel habe von diesem Haus - der Vater sei Besitzer dreier Häuser gewesen - keine Kenntnis gehabt. Er (der Beschwerdeführer) sei ausschließlich wegen der Verfolgung durch seinen Onkel geflüchtet. Die Mitglieder der erwähnten "Gemeinschaft" beherrschten die "schwarze Magie" und seien "böse" gewesen; nähere Angaben könne er nicht machen, er habe nur gehört, dass der erstgeborene Sohn nach dem Beitritt des Vaters geopfert werde. Ein Schutz durch die staatlichen Organe habe nicht erfolgen können, sie seien "dumm". In dem von ihm bewohnten Teil seines Heimatlandes hätten keine Kampfhandlungen stattgefunden. Würde er (der Beschwerdeführer) in sein Heimatland zurückkehren, so müsste er damit rechnen, von seinem Onkel getötet werden zu können.
Im Rahmen des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Ausweisungsverfahrens stellte dieser am 22. April 1997 bezogen auf sein behauptetes Heimatland einen Feststellungsantrag nach § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992. Hiezu gab er an, in seiner Heimat ein "religiöses Problem" zu haben. Der Bruder seines Vaters sowie andere Verwandte und Bekannte gehörten einer geheimen religiösen "Glaubensgemeinschaft" an, die es sich zum Ziel gemacht habe, alle Christen zu töten. Deshalb habe der Bruder des Vaters den Vater - wie der Beschwerdeführer Christ - im Dezember 1995 getötet. Ab diesem Zeitpunkt habe er (der Beschwerdeführer) sich vor seinem Onkel und seinen Genossen verstecken müssen, weil er befürchtet habe, ebenfalls getötet zu werden.
Auch der Bruder des Beschwerdeführers sei vor dem Onkel geflüchtet. Bei einer Rückkehr nach Liberia müsse er (der Beschwerdeführer) sicher mit seiner Ermordung rechnen.
Mit Bescheid vom 4. Juli 1997 stellte die Bundespolizeidirektion Graz gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, fest, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Liberia Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu sein bzw. dass dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 12. Juni 1999 mit der Maßgabe ab, dass gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG BGBl. I Nr. 75, festgestellt werde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.
Ihre Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer mit seinen auf bloßen Behauptungen beruhenden Angaben keinesfalls konkret nachvollziehbar und glaubhaft das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG habe glaubhaft machen können. Den Fremden treffe im Rahmen des Verfahrens nach § 75 FrG eine Mitwirkungspflicht, der zufolge es ihm obliege, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen; die Behörde handle nicht rechtswidrig, wenn sie mangels ausreichend konkretisierten Tatsachenvorbringens von der Vornahme weiterer Ermittlungen Abstand nehme. Auch müsse die Bedrohung vom Staat ausgehen oder von diesem zumindest gebilligt werden, es sei denn, der Staat wäre nicht in der Lage, die Verfolgung einer bestimmten Gruppe durch andere zu verhindern. Darunter falle jedoch nicht die Verfolgung des Beschwerdeführers als "angeblicher Christ" durch Mitglieder einer bestimmten Sekte bzw. durch einen Geheimbund in Liberia. Abgesehen davon sei es völlig unglaubwürdig und den allgemeinen Erfahrungswerten widersprechend, dass der Beschwerdeführer trotz angeblicher Drohungen gegen Leib und Leben bis Oktober 1996 im Haus seines Vaters verblieben wäre, zumal er sich dadurch "geradezu selbst bewusst" den von ihm behaupteten Gefahren ausgesetzt hätte. Die belangte Behörde komme daher zu der Ansicht, dass der Beschwerdeführer mit Sicherheit bereits im Dezember 1995 geflüchtet wäre, wenn die von ihm behaupteten Drohungen tatsächlich vorgelegen hätten. Aber selbst wenn man seinen Angaben Glauben schenken wollte, wäre die behauptete Bedrohung nicht unter § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG subsumierbar, zumal der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe, jemals bei staatlichen Behörden Schutz gesucht zu haben. Somit habe auch nicht glaubhaft gemacht werden können, dass der Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht in der Lage sei, seine Verfolgung durch eine bestimmte Sekte bzw. durch einen Geheimbund zu verhindern. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass auch die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft und seiner Identität durch "keinerlei Dokumente" verifiziert seien. Es stehe daher nicht fest, dass der Beschwerdeführer derjenige sei, als der er sich ausgebe. (Auch) deshalb sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine maßgebliche Gefährdungs- und Bedrohungssituation in Liberia aufzuzeigen, weil dies das Feststehen der wahren Identität voraussetze. Schließlich wäre selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer liberianischer Staatsangehöriger sei, seine Sicherheit in diesem Staat durch die dort noch stationierten bewaffneten ECOMOG-Truppen der ECOWAS-Staaten garantiert, welche nach wie vor in den "Bevölkerungszentren" präsent seien und weitgehendst die öffentlichen Einrichtungen kontrollierten. Wie der unabhängige Bundesasylsenat ausgeführt habe, wäre seitens der Übergangsregierungen und seitens der neuen Regierung unter Präsident Taylor alles daran gesetzt worden, einen Mindeststandard an Menschen- und Bürgerrechten wieder in Kraft zu setzen. Die neue Regierung hätte im November 1997 überdies eine Kommission für Menschenrechte eingerichtet, verschiedene Menschenrechtsgruppen würden im Land frei arbeiten können. Weiters führe der unabhängige Bundesasylsenat aus, dass sich Liberia gemäß internationaler Medienberichte auf dem Weg zur Demokratisierung und Wiederherstellung der staatlichen Institutionen befinden würde. Unter diesen Bedingungen könne der Beschwerdeführer zweifelsohne nach Liberia zurückkehren, ohne dass ihm die behauptete Verfolgung drohen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde erwogen hat:
Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. August 2000, Zl. 98/21/0461).
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren lediglich eine Bedrohung durch seinen Onkel sowie durch eine näher bezeichnete "Glaubensgemeinschaft" geltend gemacht. Diese Bedrohung von nicht-staatlicher Seite sei vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - so der Beschwerdeführer in seiner Berufung - deshalb relevant, weil in seinem Heimatstaat Liberia chaotische Zustände herrschten.
Die belangte Behörde hat zwar in Zweifel gezogen, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger von Liberia sei. Sie hat dessen ungeachtet jedoch weiter ausgeführt, dass die Sicherheit des Beschwerdeführers in Liberia wegen der dort stationierten ECOMOG-Truppen garantiert wäre, dass die neue Regierung die menschenrechtlichen Standards verbessere und dass sich Liberia auf dem Weg zu Demokratisierung und "Wiederherstellung der staatlichen Institutionen" befinde.
Die Beschwerde tritt dieser Beschreibung der Situation in Liberia nicht substanziell entgegen. Zwar macht sie geltend, dass die entsprechenden Ausführungen der belangten Behörde durch im Verwaltungsverfahren vorgelegte Presseberichte und sonstige Unterlagen widerlegt seien, doch ist diese Behauptung - der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren weder Unterlagen vorgelegt noch sich auf solche bezogen oder Beweisanträge gestellt - aktenwidrig. Auch unterbleibt jegliche nähere Darstellung der nach Ansicht des Beschwerdeführers nunmehr tatsächlichen Verhältnisse in Liberia, obwohl einem derartigen Beschwerdevorbringen im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde zu ihren Ermittlungsergebnissen betreffend die Situation in diesem Staat kein Gehör eingeräumt hat, nicht das Neuerungsverbot entgegen gestanden wäre. Für die weitere Beurteilung ist daher von der im bekämpften Bescheid geschilderten Stabilisierung der Lage auszugehen. Legt man diese Stabilisierung zu Grunde, so ist jedoch nicht zu sehen, warum der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Liberia nicht in der Lage sein sollte, staatlichen Schutz vor der von ihm behaupteten Bedrohung in Anspruch zu nehmen, zumal er keinerlei Anhaltspunkte dafür geliefert hat, dass die staatlichen Organe nicht willens seien, ihm einen solchen Schutz zukommen zu lassen. Seine vor dem Bundesasylamt abgegebene Erklärung, die staatlichen Organe seien "dumm", kann jedenfalls nicht in diese Richtung gedeutet werden.
Nach dem Gesagten begegnet die Abweisung des Feststellungsantrages des Beschwerdeführers selbst unter Zugrundelegung seiner Angaben keinen Bedenken. Auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die diesen Angaben die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, und auf das dazu erstattete Beschwerdevorbringen braucht daher nicht weiter eingegangen werden. Ebenso wenig ist es erforderlich, zum Vorwurf der Verletzung der Begründungspflicht (bezogen auf die behördliche Annahme, der Beschwerdeführer habe falsche Angaben zu seiner Identität und zu seiner Herkunft gemacht) Stellung zu nehmen. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde schließlich Ermittlungsdefizite vorwirft, ist ihm zu erwidern, dass er nicht vorbringt, welche Ergebnisse die von ihm vermissten - im einzelnen nicht näher angeführten - Ermittlungen erbracht hätten. Er legt damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar, weshalb seiner Beschwerde auch unter diesem Gesichtspunkt kein Erfolg beschieden sein kann. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der belangten Behörde ist im Hinblick darauf, dass die Verwaltungsakten auch zu einem zweiten Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden, nur der halbe Vorlageaufwand zuzusprechen.
Wien, am 23. Jänner 2001
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