VwGH 99/21/0137

VwGH99/21/013714.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des R in Wien, geboren am 25. Oktober 1962, vertreten durch Dr. Andreas Schmid, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. Jänner 1999, Zl. Fr-610/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
AVG §38;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf erließ gegen den Beschwerdeführer eine auf § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes aus 1992 gestützte Ausweisung. Zugleich sprach sie aus, dass der Beschwerdeführer die Kosten des Ausweisungsverfahrens, der Durchsetzung der Ausweisung sowie die Kosten der Vollziehung einer allfälligen Schubhaft (§ 79 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992, § 76 Abs. 1 und 2 AVG) zu ersetzen habe und dass einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 erster Satz AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde, sodass der Beschwerdeführer unverzüglich auszureisen habe.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) - nachdem ein erster Berufungsbescheid mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1997, Zl. 97/21/0264, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war - mit Bescheid vom 18. Jänner 1999 keine Folge; sie bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass die gegenständliche Ausweisung auf § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestützt werde.

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, am 29. Oktober 1996 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und von Organen der Grenzüberwachung aufgegriffen worden sei. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei mittlerweile rechtskräftig negativ abgeschlossen, sodass ihm resultierend aus dem Asylgesetz keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne. Wie die Einsichtnahme in die "CO-Ausdrucke des Asylwerber- und Fremdeninformationssystems" ergeben habe, halte sich der Beschwerdeführer nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aus diesem Grund sei die gegenständliche Ausweisung auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen. Der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeit, im Inland einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis einzubringen. Aufgrund seines kurzen Aufenthaltes in Österreich und angesichts des Umstandes, dass er keine Verwandten im Bundesgebiet habe, bewirke die gegenständliche fremdenrechtliche Maßnahme keinen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben.

Die im Spruch vorgenommene Änderung ergebe sich aus der Änderung der Rechtslage mit 1. Jänner 1998.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Inhalt nach richtet sich die vorliegende Beschwerde nur gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers. Dieser wird zunächst damit entgegengetreten, dass bis dato nicht über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß § 57 FrG abgesprochen und dass seitens der belangten Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht geprüft worden sei. Weiters hätten die Asylbehörden nicht über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 entschieden, obwohl kein offensichtlich unbegründeter Asylantrag vorgelegen habe. Im Übrigen sei gegen den den Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Oktober 1998 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden, der dieser Beschwerde antragsgemäß die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Einerseits stellt nämlich die Frage der Zulässigkeit/Unzulässigkeit der Abschiebung (bzw. Zurückweisung oder Zurückschiebung) keine Vorfrage (im Sinn des § 38 AVG) für die Entscheidung über die Ausweisung dar (vgl. etwa das zum Fremdengesetz aus 1992 ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 98/21/0247), weshalb das Fehlen einer dazu ergangenen Entscheidung im gegebenen Zusammenhang unerheblich ist. Andererseits ist die Flüchtlingseigenschaft von den Asylbehörden zu prüfen, die freilich den Beschwerdeführer betreffend - er verweist selbst auf den seinen Asylantrag rechtskräftig abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Oktober 1998 - zu einem negativen Ergebnis gelangten. Dass der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, hat im vorliegenden Fall außer Betracht zu bleiben; wie sich aus dem hg. Akt Zl. 99/20/0025 ergibt, wurde der Beschluss über die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung vom 26. Jänner 1999, Zl. AW 99/20/0012, nämlich erst am 17. Februar 1999 und damit nach Erlassung des hier angefochtenen Bescheides (27. Jänner 1999) zugestellt. Erst damit trat die verfügte aufschiebende Wirkung ein (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit (1983), 125), weshalb der vorliegende Fall etwa nicht mit jenem vergleichbar ist, der dem hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 98/21/0373, zugrunde lag. Von daher gehen auch die Überlegungen zu § 19 Abs. 2 Asylgesetz 1997 ins Leere.

Nach dem Gesagten und im Hinblick auf die unbestrittene Feststellung, dass der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist ist, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, er halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, keinen Bedenken. Die belangte Behörde kam daher zu Recht zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG erfüllt sei. Die in der Beschwerde ergänzend zu § 33 Abs. 2 FrG angestellten Erwägungen gehen am Thema vorbei, weil die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers nicht auf diese Bestimmung, sondern auf § 33 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat.

Unter dem Gesichtspunkt des § 37 Abs. 1 FrG macht der Beschwerdeführer geltend, dass er einer legalen Beschäftigung nachgehe und einen festen Wohnsitz habe. Er sei in Österreich integriert, sodass die Ausweisung einen erheblichen Eingriff in sein Privatleben darstelle. Daran ist richtig, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde - schon im Hinblick auf den knapp zweieinhalbjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers -

ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in sein Privatleben nicht schlechterdings verneint werden kann. Es wäre daher eine Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 FrG durchzuführen gewesen. Dass eine solche unterblieben ist, vermag den Beschwerdeführer jedoch nicht in Rechten zu verletzen: Durch seine unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgte Einreise und seinen unrechtmäßigen Aufenthalt hat er nämlich das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert aufweisende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/21/0302) gravierend beeinträchtigt. Demgegenüber müssen die geltend gemachten persönlichen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers zu Österreich zurücktreten, zumal sie auch in Verbindung mit der Dauer seines inländischen Aufenthaltes keine nachhaltige Integration bewirken können. Soweit der Beschwerdeführer überdies auf die Ermordung seiner Eltern und auf die Verschleppung seiner Schwester im Heimatland verweist, sodass er dort keine weiteren Familienangehörigen mehr habe, ist ihm zu entgegnen, dass durch § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben geschützt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 98/18/0374).

Wie die Beschwerde zutreffend anmerkt, besteht "keinerlei Rechtspflicht" zur Verhängung einer Ausweisung. Die vom Beschwerdeführer zu seinen Gunsten ins Treffen geführten Umstände - es sind dies diejenigen, die eben im Zusammenhang mit der Abwägung nach § 37 Abs. 1 FrG behandelt worden sind - sind jedoch nicht dergestalt, dass die belangte Behörde von dem ihr durch § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen im Sinn einer Abstandnahme von der Ausweisung Gebrauch zu machen gehabt hätte.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer im Ergebnis Ermittlungsdefizite bezüglich seiner Fluchtgründe, bezüglich des Asylverfahrens und bezüglich seiner Lebenssituation im Inland (insoweit verweist er auf die ihm zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehenden Mittel und auf seinen ordentlichen Wohnsitz) geltend. Nach dem Vorgesagten kommt diesen Umständen indes keine Relevanz zu.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 2000

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