Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat beiden Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden miteinander verheirateten Beschwerdeführer, beide Staatsangehörige von Vietnam, reisten am 4. Mai 1991 in das Bundesgebiet ein und ersuchten um Asyl. Der Erstbeschwerdeführer gab in seiner niederschriftlichen Vernehmung zu seinen Fluchtgründen an, die wirtschaftliche und politische Lage in Vietnam sei sehr schlecht gewesen. Er habe sich (nachdem er zufolge eigener Angaben im Jahr 1982 offiziell von Vietnam in die CSFR geschickt worden war) bis 1991 in der CSFR aufgehalten. Probleme mit vietnamesischen Behörden habe er nie gehabt, auch sei er in seiner Heimat niemals inhaftiert oder politischen, rassischen oder religiösen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Auch die Zweitbeschwerdeführerin gab in ihrer Ersteinvernahme an, freiwillig in die CSFR gereist zu sein und in ihrer Heimat niemals inhaftiert oder politischen, rassischen oder religiösen Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein. Sie habe nach eigenen Angaben wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit dem Erstbeschwerdeführer nach der Eheschließung nicht mehr nach Vietnam zurückkehren wollen.
Mit Bescheiden jeweils vom 7. Oktober 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hinsichtlich beider Beschwerdeführer fest, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zuträfen, wogegen beide Beschwerdeführer Berufung erhoben und dazu begründend lediglich auf die erwähnten Aussagen verwiesen.
Nachdem die Berufungsbescheide des Bundesministers für Inneres vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden und die beiden Asylverfahren nach Erlassung von Ersatzbescheiden gemäß § 44 Abs. 2 AsylG in das Stadium vor Erlassung der Berufungsbescheide zurückgetreten waren, wies die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden die jeweilige Berufung der beiden Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG ab. Nach der Begründung der angefochtenen Bescheide hätten die Beschwerdeführer in Berufungsergänzungen vorgebracht, dass sie durch die Weigerung, "nach Löschen des Arbeitsvertrages wieder in ihr Heimatland zurückzukehren ihrer politischen Auffassung Gewicht verliehen" und durch die Ablehnung des menschenverachtenden kommunistischen Regimes in Vietnam einen Nachfluchtgrund gesetzt hätten. Insbesondere wäre dabei auf die vietnamesischen Strafbestimmungen Bedacht zu nehmen, wobei "die Weigerung zur Rückkehr in das Heimatland bereits im Gesetz als politisches Delikt erfasst und unter Strafe gestellt" würde.
Die belangte Behörde vertrat in den angefochtenen Bescheiden die Auffassung, die Beschwerdeführer hätten keine Gründe dargetan, die die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen würden, da die vorgebrachten Motive "für das Verlassen des Landes" nicht auf den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen beruhen würden. Bei dieser Beurteilung sei von den Angaben der Beschwerdeführer anlässlich ihrer Ersteinvernahme auszugehen, in der die Beschwerdeführer das Verlassen ihres Heimatlandes keinesfalls mit einer politischen Gesinnung begründet, sondern lediglich die insgesamt schlechte Situation in Vietnam behauptet hätten.
Zu den Ausführungen der Beschwerdeführer in der Berufungsergänzung, sie hätten durch "Republikflucht" einen Nachfluchtgrund gesetzt, führte die belangte Behörde lediglich wie folgt aus:
Diese Ausführungen seien nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass sich die Beschwerdeführer aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe außerhalb ihres Heimatlandes befänden und deshalb nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt seien, sich des Schutzes dieses Landes (wiederum) zu bedienen. Die Beschwerdeführer seien im Unrecht, wenn sie meinten, ihre "Republikflucht" stelle einen "Nachfluchtgrund" dar, weil sie dadurch ihre politische Gesinnung zum Ausdruck gebracht hätten.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, gemeinsame Beschwerde der beiden Beschwerdeführer, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Vorweg ist festzuhalten, dass die in der Beschwerde eingewendete Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht vorliegt. Die Beschwerdeführer gehen nämlich davon aus, die belangte Behörde habe die beiden genannten Bescheide der Sicherheitsdirektion des Landes Steiermark vom 7. Oktober 1991 bereits mit Berufungsbescheiden vom 12. Oktober 1998 aufgehoben und hätte daher mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden nicht neuerlich über die genannten erstinstanzlichen Bescheide absprechen dürfen. Zu diesem Beschwerdevorbringen verweist die Gegenschrift der belangten Behörde zu Recht darauf, dass die Berufungsbescheide vom 12. Oktober 1998 mit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0536 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und Zl. 98/20/0537 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), aufgehoben wurden, wodurch die Rechtssachen gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage vor Erlassung der Berufungsbescheide vom 12. Oktober 1998 zurücktraten.
Zutreffend macht die Beschwerde jedoch geltend, die belangte Behörde hätte nicht (so sehr) die Gründe zu beurteilen gehabt, wegen der die Beschwerdeführer ihre Heimat verlassen hätten, sondern vielmehr das Vorbringen der Beschwerdeführer, demzufolge sie bei Rückkehr in ihre Heimat Verfolgung zu befürchten hätten. Zu dem in der Berufungsergänzung angegebenen Verfolgungsgrund der "Republikflucht" habe die belangte Behörde aber nur lapidar festgestellt, dass dieser keinen Nachfluchtgrund darstelle.
Nach den in der Beschwerde insoweit unwidersprochen gebliebenen Feststellungen haben die Beschwerdeführer in ihrer Berufungsergänzung (die dem Akt nicht angeschlossen ist) vorgebracht, dass ihre Weigerung, nach Beendigung des Arbeitsvertrages in der CSFR in ihre Heimat zurückzukehren, ihrer "politischen Auffassung Gewicht verliehen habe", wobei eine solche Weigerung bereits nach den vietnamesischen Strafbestimmungen "im Gesetz als politisches Delikt" erfasst werde.
Mit diesem Vorbringen setzte sich die belangte Behörde, wie erwähnt, inhaltlich nicht weiter auseinander sondern sprach ihm - aus nicht näher dargestellten Gründen - die Relvanz ab. Indem die belangte Behörde einerseits die Stichhaltigkeit des zentralen Berufungsvorbringens der Beschwerdeführer zum Bestehen eines Nachfluchtgrundes ohne Bezugnahme auf Sachverhaltsfeststellungen negiert hat und andererseits im angefochtenen Bescheid auch keine Argumente dafür angeführt hat, weshalb dem behaupteten Nachfluchtgrund in asylrechtlicher Hinsicht schon von vornherein keine Bedeutung zukäme, ist sie ihrer in § 60 AVG normierten Verpflichtung zur nachvollziehbaren Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachgekommen. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die belangte Behörde nun in ihrer Gegenschrift zugesteht, die Beschwerdeführer wären zwar im Recht, dass auch jene Gründe, derentwegen sich Asylwerber weigern, in ihre Heimat zurückzukehren, asylrelevant sein können, dass aber der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, in der nach Verlassen des Heimatlandes entstandenen allfälligen strafrechtlichen Verfolgung auf Grund des Verlassens des Heimatlandes könne kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erblickt werden, wozu die belangte Behörde in der Gegenschrift auf zwei hg. Erkenntnisse verwies. Ist nämlich ein Bescheid mit wesentlichen Begründungsmängeln behaftet, so können diese auch durch den Versuch der Behörde, Begründungsteile in der Gegenschrift nachzubringen, nicht behoben werden (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E.140 ff. zu § 60 AVG referierte hg. Judikatur).
Der Vollständigkeit halber wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof in jüngerer Zeit wiederholt unter Verweis auf Vorjudikatur ausgesprochen hat, dass unter anderem der Gefahr einer Verfolgung wegen eines unerlaubten Auslandsaufenthaltes eines Asylwerbers (insbesondere bei gebotener Bedachtnahme auf die dafür vorgesehene Strafhöhe) nicht von vornherein die Asylrelevanz abgesprochen werden könne und dass dem Umstand, ob die Verfolgungsgefahr vor oder nach der Ausreise des Asylwerbers entstanden ist, in der Regel keine Bedeutung zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0440 und vom 15. Februar 2001, Zl. 99/20/0045, sowie in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409).
Die in der Gegenschrift angeführte, in Bezug auf Sanktionen wegen "Republikflucht" - insbesondere in Vietnam - auch bei etwaigen Einweisungen in ein "Umerziehungslager" u. dgl. den Zusammenhang mit einem Konventionsgrund verneinende Vorjudikatur zum Asylgesetz 1991 ist in dieser Hinsicht nicht ohne Differenzierungen aufrechtzuerhalten. Ob im Sinne von Steiner, Österreichisches Asylrecht (1990), 32, an eine "Übertretung pass- und fremdenpolizeilicher oder sonstiger den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften" anknüpfende Sanktionen asylrelevant sein können, hängt von den Einzelheiten des jeweils zu beurteilenden Bedrohungsbildes ab (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 98/20/0221; zur "Republikflucht" auch Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 (Nachdruck 1998), 53). Die belangte Behörde wird sich mit der Frage, ob die den beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wegen des Auslandsaufenthaltes drohenden Sanktionen, sofern solche zu erwarten sind, den Charakter einer Verfolgung wegen einer zumindest unterstellten politischen Gesinnung haben, daher näher auseinandersetzen und ihre Entscheidung entsprechend begründen müssen.
Da dies bisher nicht geschehen ist, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Durchführung der beantragten Verhandlung erübrigte sich gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 52 Abs. 1 leg. cit., in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 21. März 2002
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