VwGH 99/11/0348

VwGH99/11/034814.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Parkstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Juli 1997, Zl. VerkR-392.755/1-1997/Kar, betreffend Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §64a Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §64a Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem im Jahr 1976 geborenen Beschwerdeführer wurde am 21. April 1994 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen AL und B erteilt.

Am 7. März 1995 beging der Beschwerdeführer als Lenker eines Motorfahrrades eine Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (Atemluftalkoholgehalt 0,76 mg/l).

Wegen dieser Übertretung wurde ihm mit dem rechtskräftigen Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29. März 1995 die Lenkerberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 und § 73 Abs. 3 KFG 1967 vorübergehend für die Dauer von vier Wochen (gerechnet ab der am 3. April 1995 erfolgten Zustellung des Bescheides) entzogen. Weiters wurde in diesem Bescheid gemäß § 73 Abs. 2a und § 64a KFG 1967 eine Nachschulung angeordnet.

Am 4. Mai 1995 wurde dem Beschwerdeführer der Führerschein ausgefolgt. Darin war eine Verlängerung der Probezeit bis 21. Mai 1997 eingetragen.

Am 17. Mai 1997 wurde beim Beschwerdeführer im Rahmen einer Verkehrskontrolle eine Atemluftuntersuchung durchgeführt, die einen Wert von 0,14 mg/l ergab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 64a Abs. 2 KFG 1967 eine Nachschulung angeordnet und das Ende der am 4. Mai 1995 in den Führerschein eingetragenen Probezeit auf 19. Mai 1997 berichtigt.

In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, durch den Bescheid vom 29. März 1995 habe sich die gesetzliche Probezeit von zwei Jahren um ein Jahr (bis 21. April 1997) verlängert. Unter Berücksichtigung der Entziehungsdauer von vier Wochen habe die Probezeit am 19. Mai 1997 geendet. Der Beschwerdeführer habe daher innerhalb der Probezeit gegen § 64a Abs. 4 KFG 1967 verstoßen, sodass neuerlich eine Nachschulung anzuordnen gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers habe sich die Probezeit auch um die Entziehungsdauer von vier Wochen verlängert, weil der Beschwerdeführer während der Entziehungsdauer seine Verkehrszuverlässigkeit nicht habe unter Beweis stellen können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 4. Oktober 1999, B 2303/97-5, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 64a Abs. 2 und Abs. 4 KFG 1967 lauten wie folgt:

"(2) Begeht der Besitzer der Lenkerberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 3), oder verstößt er gegen Abs. 4, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen. Die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes (Abs. 3) ist abzuwarten. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängert sich die Frist nach Abs. 1 um ein weiteres Jahr. Ist die Probezeit bereits abgelaufen, so beginnt sie mit der Anordnung der Nachschulung für ein Jahr wieder neu zu laufen. Die Probezeit endet jedenfalls nach der dritten Verlängerung. Der Besitzer der Lenkerberechtigung hat der Anordnung innerhalb von zwei Monaten nachzukommen. Er hat auch die Kosten der Nachschulung zu tragen.

(4) Während der Probezeit darf der Lenker ein Fahrzeug nur in Betrieb nehmen und lenken, wenn der Alkoholgehalt des Blutes nicht mehr als 0,1 g/l (0,1 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,05 mg/l beträgt. Er darf während der Fahrt - einschließlich der Fahrtunterbrechungen - keinen Alkohol zu sich nehmen. Verstöße gegen diese Bestimmungen sind nur mit der Anordnung einer Nachschulung (Abs. 2) zu ahnden, sofern nicht auch ein Verstoß gegen die StVO 1960 vorliegt."

Gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der 19. KFG-Novelle BGBl. I Nr. 103/1997) hat die Behörde begleitende Maßnahmen anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 64a Abs. 1) erfolgt.

Die Verlängerung der Probezeit im Falle der Anordnung einer Nachschulung ist im § 64a Abs. 2 KFG 1967 abschließend geregelt. Mit der Anordnung der Nachschulung verlängert sich die Probezeit um ein Jahr. Ist die Probezeit bereits abgelaufen, so beginnt sie mit der Anordnung der Nachschulung für ein Jahr wieder neu zu laufen.

Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass die Anordnung der Nachschulung (mit Mandatsbescheid vom 29. März 1995) die (ansonsten

zufolge § 64a Abs. 1 erster Satz KFG 1967 am 21. April 1996 endende) Probezeit um ein Jahr verlängert hat, sodass sie am 21. April 1997 geendet hat. Der Vorfall vom 17. Mai 1997 ereignete sich somit nach Ablauf der Probezeit, sodass ein Verstoß des Beschwerdeführers gemäß § 64a Abs. 4 KFG 1967 nicht vorliegt. Damit fehlt aber die Grundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Nachschulung.

Die Auffassung der belangten Behörde, die Probezeit habe sich nicht nur um ein Jahr, sondern um ein Jahr und die Entziehungsdauer (von vier Wochen) verlängert, ist mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen. Die Verlängerung der Probezeit und das Ausmaß der Verlängerung sind durch das Gesetz (§ 64a Abs. 2 KFG 1967) bestimmt. Es bedarf keiner Bestimmung der Probezeit durch die Kraftfahrbehörde und damit auch keiner an den Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 orientierten Prognose über die voraussichtliche Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden. Die Probezeit bedeutet nicht, dass der Betreffende in dieser Zeit als verkehrsunzuverlässig anzusehen ist. Damit erweist sich die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Nichteinrechnung von Haftzeiten in die Entziehungszeit (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1996, Zl. 96/11/0257, und vom 10. November 1998, Zl. 97/11/0107, jeweils mwN) im Erlass des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 5. Dezember 1991, Zl. 179.648/22-I/7/91 (Punkt III.4.3.), den die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides offenbar befolgt hat, als verfehlt.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den (zur hg. Zl. AW 99/11/0075 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 14. März 2000

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