Normen
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs2;
LAG §5 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs2;
LAG §5 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. Mai 1997 sprach die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt aus, dass der Mitbeteiligte ab 1. Jänner 1995 gemäß § 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) in der Unfallversicherung pflichtversichert sei. Nach der Begründung sei der Mitbeteiligte Alleineigentümer einer Liegenschaft im Ausmaß von 1,3275 ha mit einem Einheitswert von S 17.000,--. Von diesem Grundstück seien 1,1924 ha bis 31. Dezember 1994 verpachtet gewesen; ab 1. Jänner 1995 stünden 0,3191 ha mit einem anrechenbaren Einheitswert von S 2.600,-- in Eigenbewirtschaftung (ergänze: durch den Mitbeteiligten). Es handle sich - so die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt weiter - großteils um den Hausgarten, der mit sechs Obst- und fünf Zwetschkenbäumen bewachsen sei. Die Bäume würden regelmäßig ausgelichtet und die Früchte für den Hausgebrauch verwendet werden. Das Gras würde zweimal jährlich gemäht und dann kompostiert werden. Dadurch würden Arbeiten der Land(Forst)wirtschaft im technischen Sinn durchgeführt werden, wobei für den Bestand der Pflichtversicherung das Ausmaß des dabei erzielten Nutzen keine Bedeutung habe.
Dem dagegen erhobenen Einspruch des Mitbeteiligten gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 21. April 1998 keine Folge. Bei seiner Entscheidung ging der Landeshauptmann im Wesentlichen von dem von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt im erstinstanzlichen Bescheid festgestellten Sachverhalt aus und fügte dem noch hinzu, dass aus dem geernteten Obst Most für den Hausgebrauch erzeugt sowie dass das gemähte Gras zusammengerecht und kompostiert werden würde. Es handle sich dabei um land(forst)wirtschaftliche Tätigkeiten im technischen Sinne.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen - als Einspruch bezeichneten - Berufung gab die belangte Behörde Folge und stellte fest, dass der Mitbeteiligte seit 1. Jänner 1995 nicht nach dem BSVG unfallversichert sei. In der Begründung wurde als "unstrittiger Sachverhalt" festgestellt, dass der Mitbeteiligte Eigentümer einer landwirtschaftlich nutzbaren, nicht verpachteten Liegenschaft mit einem S 2.000,-- übersteigenden Einheitswert sei. Die Liegenschaft bestehe im Wesentlichen aus einem Hausgarten und einer kleinen Waldfläche mit einem Anteil am Einheitswert von etwa S 600,--. Im Hausgarten stünden "ungefähr sechs bis elf" Obstbäume, die gepflegt würden und deren Obst für den Hausgebrauch der Familie des Mitbeteiligten verwendet würde. Die Wiese des Hausgartens werde "ungefähr zweimal jährlich gemäht" und das Gras werde kompostiert. Andere Tätigkeiten würden auf der Liegenschaft nicht durchgeführt. Rechtlich beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt zusammengefasst dahin, dass auf Grund der Geringfügigkeit des Ertrages an pflanzlichen Produkten nicht von einer "landwirtschaftlichen Produktion" gesprochen werden könne. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Gewinnung pflanzlicher Produkte auf einem als landwirtschaftliche Fläche bewerteten Grundstück oder im Garten eines Einfamilienhauses erfolge. Die geringfügige Nutzung für den Eigenbedarf könne daher auch als ein "Brachliegen" angesehen werden. Die Menge des geernteten Obstes stelle weder eine "relevante Größe für eine Erwerbsquelle" noch eine "Quelle der Ernährung" dar. Auch sei von Marmelade-, Likör- oder Schnapsgewinnung keine Rede gewesen. Das Gras sei nicht gemäht worden, um Heu zu gewinnen, sondern um die Liegenschaft nicht verwildern zu lassen. Ob das dann kompostierte Gras in irgendeiner Weise nützlich sei, sei für die Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes bedeutungslos.
Gegen dieses Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Der Mitbeteiligte hat keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG sind in der Unfallversicherung, soweit es sich um natürliche Personen handelt, diejenigen Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984 (LAG), BGBl. Nr. 287/1984, dessen zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- erreicht oder übersteigt, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.
Die Bestimmung des Landarbeitsgesetzes, auf die hier verwiesen wird, lautet:
"§ 5. (1) Betriebe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei."
Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist somit die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne der zuletzt wiedergegebenen Bestimmung dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein oder mit Arbeitskräften mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt. Das Vorliegen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft muss auch dann angenommen werden, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn entwickelt wird, ohne dass hiebei eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist (vgl. das Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 2663/79), oder wenn die Tätigkeit bloß als Hobby betrieben wird (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/08/0201, mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob das Mähen und Kompostieren des Grases einerseits bzw. das Pflegen und Ernten der Obstbäume und die - unstrittige - Herstellung von Most aus dem geernteten Obst andererseits landwirtschaftliche Tätigkeiten sind.
Hinsichtlich des Grases liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann eine landwirtschaftliche Tätigkeit vor, wenn mit dem gemähten Gras in einer Art verfahren wird, die an sich auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liegt. Bei einer bloßen Vernichtung des gemähten Grases (zum Beispiel um der Gefahr eines Grasbrandes vorzubeugen), läge keine landwirtschaftliche Bewirtschaftung vor (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1980, Zlen. 2869, 2870/78). In Anlehnung an diese Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, Zl. 96/08/0289, ausgesprochen, dass die Kompostierung des Aufwuchses einer ehemals als Weingarten bewirtschafteten, nicht weiter landwirtschaftlich genutzten Fläche, auf der nach Gewährung einer Stilllegeprämie Begrünungs- und Pflegemaßnahmen durchzuführen waren, nicht auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liegt (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 4. Oktober 2001, Zl. 97/08/0643, in dem die Verwendung von Sumpfgras als Einstreu als kostengünstige und umweltschonende Entsorgungsmöglichkeit als nicht auf der Linie einer Bewirtschaftung im Sinne des Landarbeitsgesetzes gewertet wurde).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt in ihrer Beschwerde vertretene Standpunkt, das jährlich zweimalige Mähen, Zusammenrechen und Kompostieren von Gras und Laub liege "auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung", nicht geteilt werden, während die gegenteilige Einschätzung der belangten Behörde im Ergebnis der dargestellten Rechtslage entspricht. Die bloße Kompostierung gemähten Grases ohne weitere landwirtschaftliche Zweckbestimmung kann nämlich für sich allein nicht als "Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse" angesehen werden.
Vertritt die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt in der Beschwerde weiter die Ansicht, der durch den Mitbeteiligten betriebene Obstbau begründe einen landwirtschaftlichen Betrieb, ist ihr aus nachgenannten Erwägungen zu folgen:
Ausgehend von dem Umstand, dass der Mitbeteiligte die insgesamt elf Obstbäume pflegt, das Obst erntet und - nach der Aktenlage von ihm selbst angegeben - daraus Most gewinnt, verneint die belangte Behörde die Nachhaltigkeit der Tätigkeit des Obstbaues durch den Mitbeteiligten unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom 30. April 1991, Zl. 90/08/0018, sowie vom 6. Dezember 1961, Slg. Nr. 5682/A, schon deshalb, weil danach eine Betätigung nur dann nachhaltig sei, wenn sie in der Absicht vorgenommen werde, sie bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen und aus der ständigen Wiederholung eine Erwerbsquelle zu machen; davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein, weshalb auch keine landwirtschaftliche Tätigkeit angenommen werden könne.
Zwar fordert der Verwaltungsgerichtshof für die Qualifikation einer Tätigkeit als Erwerbstätigkeit deren Nachhaltigkeit. Eine Tätigkeit wird aber nach der von der belangten Behörde selbst zitierten Rechtsprechung schon dann nachhaltig betrieben, wenn sie nicht bloß gelegentlich ausgeübt wird und wenn - ohne dass eine Gewinnerzielung beabsichtigt ist - die Erzielung von Einkünften in Geld- oder Güterform hingenommen wird, wenn also die Tätigkeit somit zumindest objektiv auf Erwerb gerichtet ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 6. Dezember 1961, Slg. Nr. 5682/A). Aus dem festgestellten Sachverhalt lassen sich keine Anhaltspunkte für die Annahme finden, die Pflege der Obstbäume durch den Mitbeteiligten sei nicht (auch) auf die nachfolgende Ernte des Obstes gerichtet bzw. die in Frage stehenden Tätigkeiten würden nicht dem natürlichen Zyklus gemäß - somit nicht nur gelegentlich - ausgeübt. Demnach ist die Nachhaltigkeit des Obstbaues im vorliegenden Fall zu bejahen.
Führt die belangte Behörde für ihre Ansicht, es liege keine landwirtschaftliche Tätigkeit vor, weiter die geringe Menge an geerntetem Obst ins Treffen, ist ihr Folgendes zu entgegnen:
Reifen Früchte nur fallweise und reicht deren Zahl bzw. Menge gerade aus, um an Ort und Stelle verzehrt zu werden, kann eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung nicht angenommen werden (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 96/08/0355, mit einem Hinweis auf das Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 83/08/0256, in dem für Bäume mit derart geringem Ertrag die Bezeichnung "Naschbäume" verwendet wurde). Ist aber die Grenze zur Geringfügigkeit der geernteten Menge überschritten, entspricht die Menge somit nicht nur dem Ertag von "Naschbäumen", liegt der Obstbau auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 2663/79).
Im vorliegenden Fall liegen der Ansicht der belangten Behörde, der Ertrag sei "gering", keine Feststellungen zu Grunde. Ist aber von einem durchschnittlichen Ertrag der insgesamt elf Obstbäume auszugehen, kann von einer geringen Menge, die gerade zum Verzehr an Ort und Stelle ausreicht, nicht mehr die Rede sein, zumal zumindest bei den fünf Zwetschkenbäumen eine gleichzeitige Reife der Früchte anzunehmen ist, was einen Verzehr an Ort und Stelle wegen der anfallenden Mengen ausschließen würde. Schon daraus ergibt sich die Relevanz von Feststellungen über den Ertrag der Obstbäume, die die belangte Behörde wegen ihrer unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen hat. Erst nach Vorliegen eines entsprechend festgestellten Sachverhaltes kann die - skizzierte - wesentliche Rechtsfrage beurteilt werden.
Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 7. August 2002
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