Normen
BSVG §2 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. Oktober 1995 sprach die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt aus, dass der Mitbeteiligte gemäß § 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) ab 15. Juli 1994 bis laufend in der Unfallversicherung pflichtversichert sei.
Nach der Begründung sei durch das fortlaufende Abweiden der Wiesen des Mitbeteiligten durch zwei Pferde (Haflinger) eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit (Produktion) gegeben. Eine Tätigkeit sei erwerbswirtschaftlich, wenn sie fortgesetzt (nachhaltig, wiederkehrend) ausgeübt werde, um bei objektiver Sicht Einkünfte in Geld- oder Güterform zu verschaffen. Die Pferdeweide erfolge wiederkehrend (fortgesetzt). Es würden daher Einkünfte in Güterform, nämlich Gras durch Weide als Futter für die Pferde, gewonnen. Der sozialversicherungsrechtliche Einheitswert der Weideflächen erreiche jedenfalls S 2.000,--.
Dem dagegen erhobenen Einspruch des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. Februar 1996 keine Folge gegeben.
In seiner Begründung vertrat auch der Landeshauptmann im Wesentlichen die Auffassung, dass die Nutzung eines land(forst)wirtschaftlichen Grundstückes durch das Einstellen von Pferden und das Abweiden der Grundstücksfläche durch diese eine landwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn darstelle. Dass das Abweiden als Pflege von Kulturflächen angesehen werde und aus ästhetisch-optischen Überlegungen den Nachbarn, Passanten und "Kinderaugen" zugute komme, wie der Mitbeteiligte vorbringe, sei dabei ohne Belang.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben und in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes festgestellt, dass für den Mitbeteiligten in der Zeit vom 15. Juli 1994 bis laufend keine Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem BSVG bestehe.
Nach der Begründung sei der Mitbeteiligte Hälfteeigentümer einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche mit einem S 2.000,-- erreichenden Einheitswert. Das gegenständliche Grundstück sei mit 15. Juli 1994 erworben worden. Dabei habe der Mitbeteiligte zwei Pferde (Haflinger) und Heuvorräte übernommen. Auf dem Grundstück befänden sich auch alte Obstbäume, die nicht betreut (geschnitten etc.) würden. Nach den unbestrittenen Angaben des Mitbeteiligten würden die zwei Pferde ihr Futter unter anderem aus dem Abweiden der Grundstücke beziehen; dieses diene im Wesentlichen der Kulturpflege. Auch Obst werde geerntet. Es bestünde aber keinerlei "landwirtschaftliche Infrastruktur".
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein oder mit Arbeitskräften mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolge. Betrachte man den gegenständlichen Sachverhalt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum Begriff eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes, so müsse - ohne zu verkennen, dass es sich hiebei um einen Grenzfall handle - davon ausgegangen werden, dass die gegenständliche Bewirtschaftung nicht auf der Linie einer landwirtschaftlichen Produktion liege. Aus dem Sachverhalt gehe klar hervor, dass die Wiese nicht bewirtschaftet, sondern gepflegt werde. Die Tatsache, dass dies durch zwei Pferde geschehe, sei im Ergebnis nicht anders zu beurteilen, als wenn dies durch Maschinen oder Menschen geschehe. Die Haltung von Pferden indiziere zwar grundsätzlich eine landwirtschaftliche Produktion, die Gesamtumstände des Falles (Übernahme der Pferde von der Vorbesitzerin, fehlende landwirtschaftliche Einrichtungen, keine Nutzung der Pferde außer zu Liebhaberzwecken) ließen hier jedoch einen gegenteiligen Schluss zu.
Hinsichtlich der Obstbäume sei festzustellen, dass diese nach den Sachverhaltsfeststellungen nicht entsprechend betreut würden. Daher sei auch daraus keine aktive Bewirtschaftung abzuleiten. Aus dem Ernten des angefallenen Obstes allein im Ausmaß von Haushaltsmengen könne eine landwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn nicht begründet werden. Die Unfallversicherungspflicht des Mitbeteiligten sei daher zu verneinen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Sie beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die im § 2 Abs. 1 Z. 1 bezeichneten Personen pflichtversichert.
Bei den im § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG bezeichneten Personen handelt es sich um Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.
Die Pflichtversicherung gemäß § 3 Abs. 1 besteht grundsätzlich nur, wenn der im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellte Einheitswert des Betriebes einen bestimmten Betrag erreicht oder übersteigt.
Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr, wobei auch die Absicht auf Erzielung eines Gewinnes fehlen kann. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 des Landarbeitsgesetzes ist dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt. Das Vorliegen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft muss auch dann angenommen werden, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn entwickelt wird, ohne dass hiebei eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 2663/79).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die Auffassung der belangten Behörde nicht zu beanstanden, es fehle im Beschwerdefall insoweit, als bloß Wiesen von zwei Pferden abgeweidet werden, an einer land- und forstwirtschaftlichen Produktion, zumal offenbar auch die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt nicht davon ausgeht, dass der Mitbeteiligte eine Tierzucht im landwirtschaftlichen Sinne betreibt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 93/08/0127). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Übrigen unter einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht bereits das schlichte Bestehen einer entsprechend ausgestatteten Grundfläche verstanden werden (vgl. das Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 83/08/0256, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Gegenteiliges ist dem von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt zitierten Erkenntnis vom 27. Juni 1980, Zlen. 2869, 2870/78, nicht zu entnehmen. Danach ist für eine landwirtschaftliche Tätigkeit erforderlich, dass mit gemähtem Gras in einer Art verfahren wird, die an sich auf der Linie einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liegt, wozu auch das Füttern von Vieh, aber nur im Rahmen einer landwirtschaftlichen Produktion, also der Viehzucht oder der Hervorbringung tierischer Produkte, zählen.
Der Auffassung der belangten Behörde, aus dem Ernten des angefallenen Obstes allein in Haushaltsmengen könne eine landwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn nicht abgeleitet werden, hält die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach etwa der Anbau von Johannisbeeren auf einem Grundstück nur zum Zwecke des Marmeladekochens für den eigenen Bedarf auf der Linie der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liege (Hinweis auf das Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 2663/79).
Diesem Einwand kommt im Ergebnis Berechtigung zu, fehlen doch jegliche Feststellungen über Größe und Anzahl der Obstbäume und Menge der geernteten Früchte. Nur aufgrund solcher Feststellungen könnte verlässlich beurteilt werden, ob der Beschwerdefall dem von der Sozialversicherungsanstalt genannten Fall entspricht. Reiften fallweise Früchte, deren Zahl bzw. Menge gerade ausreicht, um an Ort und Stelle verzehrt zu werden, könnte diesbezüglich allerdings keine landwirtschaftliche Bewirtschaftung angenommen werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 83/08/0256).
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Feststellungsmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Februar 2002
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