VwGH 99/07/0124

VwGH99/07/012416.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über den Antrag der SR in N, vertreten durch Dr. Walter Simma, Rechtsanwalt in Bregenz, Deuringstraße 9, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der ihrer zu 98/07/0179 protokollierten Beschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 28. Jänner 1998, Zl. LAS-210-463, betreffend Mitgliedschaft in einer Agrargemeinschaft, anhaftenden Mängel die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Beschluss vom 10. Juni 1999, 98/07/0179, wurde das Beschwerdeverfahren der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 28. Jänner 1998, Zl. LAS-210-463, betreffend Mitgliedschaft in einer Agrargemeinschaft, zufolge Eintritts der Rückziehungsfiktion des § 34 Abs. 2 VwGG deswegen eingestellt, weil die Antragstellerin als Beschwerdeführerin die ihrer Beschwerde anhaftenden Mängel zwar fristgerecht, aber insofern unvollständig behoben hatte, als sie entgegen dem Inhalt des ergangenen Mängelbehebungsauftrages den Ergänzungsschriftsatz nur in einfacher Ausfertigung vorgelegt hatte; während im Rubrum ihres Schriftsatzes sich der Vermerk "3-fach, 1 HS" fand, wurden von ihr drei Halbschriften, jedoch nur eine Ausfertigung der Ergänzungsschriftsatzes überreicht.

In dem nach Zustellung dieses Einstellungsbeschlusses fristgerecht im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG unter gleichzeitiger Nachholung der Vorlage der seinerzeit aufgetragenen Gleichschriften des Ergänzungsschriftsatzes gestellten Wiedereinsetzungsantrag wird von der Antragstellerin, bestätigt durch ihren Rechtsvertreter und dessen Sekretärin, vorgebracht, dass die Schriftsatzerledigung in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Antragstellerin regelmäßig in der Weise von statten gehe, dass die Sekretärin nach Ausarbeitung und Korrektur des Schriftsatzes durch den Rechtsvertreter insbesondere auch im Hinblick auf die Richtigkeit des Vermerkes über die Anzahl der Ausfertigungen, Halbschriften und Beilagen die erste Seite des korrigierten Schriftsatzes über den PC-Drucker auf das Originalschriftsatzpapier in so vielen Ausfertigungen auszudrucken pflege, als weitere Gleichschriften und Halbschriften vorgesehen seien. Die weiteren Seiten des Schriftsatzes pflegten auf das Originalschriftsatzpapier kopiert und den übrigen Schriftsatzausfertigungen beigeheftet zu werden. Bei relativ kurzen Schriftsätzen lege die Sekretärin den Originalschriftsatz und die jeweils ersten Seiten für die Gleichschriften dem Rechtsvertreter vor, welcher dann den gesamten Originalschriftsatz sowie die erforderlichen Gleichschriften unterfertige. Diesfalls kopiere die Sekretärin die Gleichschriften in der genannten Weise erst nach Unterfertigung durch den Rechtsvertreter, wobei auch in einem solchen Fall der Rechtsvertreter die Anzahl der Gleichschriften, Halbschriften und der Beilagen regelmäßig nochmals auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen pflege. Erst danach werde von der Sekretärin die Kuvertierung übernommen. Durch eine nicht erklärliche Fehlleistung der sonst verlässlichen Sekretärin des Rechtsvertreters der Antragstellerin habe diese im vorliegenden Fall die Beiheftung der übrigen Seiten des Ergänzungsschriftsatzes an die vom Rechtsvertreter unterschriebenen ersten Seiten verabsäumt und auch der Rechtsvertreter selbst die Vollständigkeit der Ausfertigungen nicht mehr kontrolliert, was zu einer kanzleitechnischen Fehlleistung geführt habe, wie sie in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Antragstellerin noch nie vorgekommen sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen, sodass die Bewilligung der Wiedereinsetzung nur in Betracht kommt, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad eines Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen einer Kanzleikraft eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Kanzleikraft unterlassen hat. Unterläuft einer Kanzleikraft, deren Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben samt den dazugehörigen Beilagen durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. Dezember 1996, 96/13/0084, 0085), weil ein Rechtsanwalt kanzleitechnische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlassen darf (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 12. September 1996, 96/20/0345).

Das im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemachte Versehen bei der Herstellung der Gleichschriften des Ergänzungsschriftsatzes ist den in den vorzitierten Beschlüssen behandelten Kuvertierungspannen in einer Weise gleichzuhalten, die es nicht rechtfertigt, dem Rechtsvertreter der Antragstellerin an der durch das dargestellte kanzleitechnische Versehen hervorgerufenen Versäumung der Frist zur ordnungsgemäßen Mängelbehebung ein Verschulden zur Last zu legen, welches das Gewicht eines minderen Grad des Versehens überstiege.

Dem Antrag war daher stattzugeben.

Wien, am 16. September 1999

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