VwGH 99/05/0050

VwGH99/05/00509.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des NF in W, vertreten durch Dr. JS, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. Dezember 1998, Zl. UVS- 04/A/17/00077/98, betreffend eine Baustrafe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §124 Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §62a Abs1 Z14;
BauO Wr §62a Abs1;
BauO Wr §62a Abs2;
BauRallg;
VStG §22 Abs1;
BauO Wr §124 Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §62a Abs1 Z14;
BauO Wr §62a Abs1;
BauO Wr §62a Abs2;
BauRallg;
VStG §22 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 28. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Bauherr zu verantworten, dass auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien IV, Wohllebengasse 18,

1. am 2. September 1997 entgegen der Vorschrift des § 60 Abs. 1 lit. c BauO für Wien über dem Flachdach im Bereich des Lichthofes an der linken Grundgrenze Stahlträger montiert waren, ohne die dafür erforderliche Baubewilligung erwirkt zu haben;

2. er sich am 2. September 1997 entgegen den Bestimmungen des § 124 Abs. 1 BauO für Wien bei der Ausführung von nach § 60 leg. cit. bewilligungspflichtigen Bauarbeiten zur Montage von Stahlträgern keines nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Rechtsvorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigten Bauführers bedient habe.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn Geldstrafen in der Höhe von S 10.500,-- und 2.700,-- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

In ihrer Begründung lehnte die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz die Auffassung des Beschwerdeführers im Verfahren ab, die vorgenommene Baumaßnahme sei nicht bewilligungspflichtig gewesen; die aufgestellten Stahlträger, die zur Schaffung eines Raumes als Tragekonstruktion zur Überdachung verlegt wurden, seien jedenfalls geeignet, nicht nur das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes zu verändern, sondern seien auch von Einfluss auf die Festigkeit und die dadurch veränderten statischen Verhältnisse. Auch subjektivöffentliche Rechte von Nachbarn würden tangiert werden. Es wäre dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, sich hinsichtlich einer möglichen Bewilligungspflicht bei der Behörde zu informieren, sodass ihm zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei.

In seiner dagegen erstatteten Berufung machte der Beschwerdeführer insbesondere geltend, die bauliche Maßnahme sei gemäß § 62a Abs. 1 Z. 13 bis 15 BauO für Wien von der Bewilligungspflicht ausgenommen. Bewilligungspflicht trete nicht deshalb ein, weil der Anbau einer Pergola einer Trägerkonstruktion bedürfe. Auch treffe ihn nicht der Vorwurf der Übertretung des § 124 Abs. 1 BauO für Wien, weil bauliche Maßnahmen gemäß § 62a leg. cit. nicht der Vornahme durch einen gewerbsmäßigen Bauführer bedürften. Die Behörde habe dem Einschreiter ein Verhalten zwei Mal angelastet, was jedenfalls im Widerspruch zu den Bestimmungen der EMRK stehe.

Nach Durchführung einer Verhandlung, bei der der Bauplan und Fotos der gegenständlichen Bauführung vorgelegt wurden, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab. Sie stellte fest, dass die im Straferkenntnis genannte Baumaßnahme zur Errichtung einer Weinlaube vorgenommen worden sei. Nach den vorgelegten Fotos handle es sich um vier Stahlprofilträger, auf denen eine provisorische Abdeckung (Holzverschalung) liege. Die Stahlprofilträger seien im Querschnitt ca. 12 cm hoch und erstreckten sich über eine Länge von 3 m. Für die werkgerechte Herstellung der gegenständlichen Dachkonstruktion habe es einer sturm- und kippsicheren Verankerung bedurft. Zur Herstellung sei ein gewisses Maß an technischen Kenntnissen erforderlich, weil die Stahlträger mit der Mauer in eine gewisse Verbindung gebracht werden müssten und diese geeignet sein muss, die Last der Stahlprofilträger und der darauf aufliegenden Abdeckung zu tragen.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, eine Pergola im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 14 BO liege nicht vor, weil es sich dabei um eine Laube oder einen Laubengang aus Pfeilern und Säulen, meist von Schlingpflanzen umrankt, handle, die in der Regel aus Holz oder Aluminium, also in einer leichten Bauweise ausgeführt sei. Hier seien jedoch massive Stahlprofilträger verwendet worden. Die gegenständliche Bauweise berge nicht unerhebliche Gefahren in sich, sodass schon deshalb öffentliche Interessen berührt würden. Eine Überdachung einer Terrasse stelle eine Maßnahme im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BauO für Wien dar, durch die das äußere Ansehen des Gebäudes geändert werde. Für das Vorhaben hätte vielmehr eine Baubewilligung vor Beginn der Bauführung erwirkt werden müssen.

Daraus folge aber auch, dass die Bestimmung des § 124 Abs. 1 BauO für Wien übertreten worden sei, weil kein Bauführer beigezogen wurde, der nach den für die Berufsausbildung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt sei. Dieses Delikt stelle einen eigenen Straftatbestand dar, der durch die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung des § 60 BauO für Wien nicht konsumiert werde.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 135 Abs. 1 BO ist eine Blankettstrafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Hier wurde dem Beschwerdeführer unter dem Spruchpunkt 1 die Übertretung des § 60 Abs. 1 lit. c der BauO für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 (BO) vorgeworfen. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift:

"Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage; im Falle einer Änderung der Verwendung von Aufenthaltsräumen in Wohnzonen die rechtmäßig bestehende Benützung der Aufenthaltsräume als Wohnungen oder Betriebseinheiten im gesamten Gebäude, sofern diese unter Berücksichtigung der beantragten Änderung nicht ausdrücklich als Wohnungen oder Betriebseinheiten bereits gewidmet sind."

Der Beschwerdeführer macht hingegen geltend, dass es sich bei seiner Bauausführung um eine Pergola im Sinne des § 62a Abs. 1 Z. 14 BO handle. Diese Bestimmung lautet:

"Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62 a (1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

...

14. Pergolen;"

Die bewilligungsfreien Bauvorhaben sind in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt (Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften3, 341). Die Wiener Bauordnung enthält keine Definition des Begriffes "Pergola". Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mehrfach mit diesem Begriff befasst und zuletzt im Erkenntnis vom 23. September 1999, Zl. 99/06/0082, ergangen zum Steiermärkischen Baugesetz 1995, ausgeführt:

"Gemäß der hg. Judikatur (vgl. die Erkenntnis vom 11. Oktober 1990, Zl. 90/06/0147, vom 19. Dezember 1995, Zl. 93/05/0143, und vom 19. Jänner 1999, Zl. 95/05/0047) ist unter einer 'Pergola' (=Rankgerüst) im Allgemeinen ein nicht überdeckter Laubengang in einer Gartenanlage zu verstehen, wobei die auf Stützen liegenden Unterzüge ein Gebälk tragen, das von Pflanzen umrankt ist. Es wird in diesem Zusammenhang auf Koepf, Bildwörterbuch der Architektur2, Seite 87f, verwiesen. Weiters wird Pergola (siehe Frommhold/Gareiß, Bauwörterbuch2, 1978, 195) als offener, meist überrankter Laubengang, bei dem in der Regel lange, beiderseitig auf Pfeilern oder Holzstützen liegende Kanthölzer, die in regelmäßigen Abständen angeordneten Querhölzer tragen, definiert."

Entscheidende Funktion einer Pergola ist somit, dass sie als Rankgerüst in einer Gartenanlage Pflanzen Halt gewährt. Dieser Funktion dient regelmäßig ein leichter Baustoff, vorzugsweise Holz. Nur ein Gerüst, das für das "Ranken" von Pflanzen erforderlich ist, kann somit als Pergola angesehen werden.

Die hier verbauten I-Profil-Stahlträger, die typischerweise für Stahlträgerdecken zum Einsatz kommen (siehe Schmitt-Heene, Hochbaukonstruktion11, 307 f) sind hingegen für das Ranken von Pflanzen zweifelsohne nicht erforderlich. Auch eine Pergola im beschriebenen Sinne muss üblicherweise Windstärken standhalten; damit kann der hier verwendete Baustoff nicht gerechtfertigt werden. Darüber hinaus kann durch das bloße Auflegen von Stahlträgern von einem "Laubengang" keine Rede sein.

Da auch das Vorliegen eines anzeigepflichtigen Vorhabens (§ 62 BO) nicht behauptet wurde, stellt sich die Frage, welchen Tatbestand des § 60 leg. cit. der Beschwerdeführer durch seine Bauausführung erfüllt hat. Nicht bestritten werden kann, dass auf dem Flachdach des gegenständlichen Gebäudes eine Änderung im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO vorgenommen wurde. Beim Einbau derartig massiver Bauteile kann aber ein Einfluss auf die Festigkeit nicht in Abrede gestellt werden. Schon dadurch wird der herangezogene Tatbestand jedenfalls erfüllt, sodass es auf die Frage, ob die Bauführung das äußere Ansehen des Gebäudes ändert, nicht mehr ankommt.

Damit hat der Beschwerdeführer den unter Spruchpunkt 1 vorgeworfenen Tatbestand erfüllt; auf die subjektive Tatseite ist er in der Beschwerde nicht mehr eingegangen.

Aber auch die Bestrafung wegen der Übertretung des aus § 124 Abs. 1 resultierenden Gebotes erfolgte zu Recht. Diese Bestimmung lautet:

"§ 124. (1) Der Bauwerber hat sich zur Ausführung aller nach § 60 bewilligungspflichtigen und nach § 62 anzeigepflichtigen Bauarbeiten eines Bauführers zu bedienen, der nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist."

Von einem Widerspruch gegen das Verbot der Doppelbestrafung kann keine Rede sein: Hier liegt ein Fall der Realkonkurrenz im Sinne des § 22 Abs. 1 VStG vor, weil durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen wurden. Die Bauführung ohne Baubewilligung hat mit der Bauausführung ohne Beiziehung eines befugten Bauführers nichts zu tun. Dies erhellt schon aus der Bestimmung des § 62a Abs. 2 BO, wonach sich der Bauherr zur Ausführung aller bewilligungsfreien Vorhaben, soweit dafür ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, eines Bauführers zu bedienen hat, der nach den für die Bauausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass unabhängig von der Bewilligungspflicht für bestimmte Bauführungen jedenfalls die Beiziehung eines dafür Befugten erforderlich ist. Von einer Idealkonkurrenz dieser Strafnormen kann somit keine Rede sein.

Für den Standpunkt des Beschwerdeführers könnte nur der Umstand sprechen, dass § 124 Abs. 1 BO den Begriff "Bauwerber" und nicht "Bauherr" verwendet. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 96/05/0253, ausgeführt:

"Als 'Bauherr' ist derjenige anzusehen, über dessen Auftrag und auf dessen Rechnung die Bauführung erfolgt. Bauwerber ist diejenige Person, die sich um eine Baubewilligung bewirbt (Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften3, 529). Dementsprechend findet sich nunmehr der Begriff 'Bauherr' positiv-rechtlich im § 62a Abs. 2 Wr. BauO in der Fassung der Novelle LGBl Nr. 1996/42 hinsichtlich der dort geregelten bewilligungsfreien Bauvorhaben. Die Beschwerdeführerin muss daher, wenn sie erst nach Vollendung der Arbeiten eine Bauanzeige erstattet und in weiterer Folge ein Bauansuchen eingebracht hat, als Bauherrin, nicht aber als Bauwerberin angesehen werden. Maßgeblich für die Übertretung des § 60 Abs 1 Wr. BauO ist jedenfalls die Eigenschaft als Bauherr."

Wenn der Gesetzgeber im 12. Abschnitt der Bauordnung (Vorschriften betreffend die Ausführung, Benützung und Erhaltung von Bauten) konsequenterweise im § 124 Abs. 1 BO den Begriff "Bauwerber" verwendete, so wollte er damit keineswegs zum Ausdruck bringen, dass derjenige Bauherr, der in gesetzwidriger Weise keine Baubewilligung erwirkt hat, von allen dort genannten Verpflichtungen frei sein soll. Es wäre ein dem Gesetzgeber nicht zu unterstellender Wertungswiderspruch, wollte man annehmen, dass nur der über eine Baubewilligung verfügende Bauwerber zur Beiziehung eines befugten Bauführers verpflichtet sei, während der gesetzwidrig handelnde Bauherr bei der Ausführung völlig frei sei. Eine an den Wertungen des Gesetzes orientierte Interpretation muss gerade im Hinblick auf § 62a Abs. 2 BO zum Ergebnis führen, dass § 124 Abs. 1 BO auch von dem ohne Bewilligung handelnden Bauherrn verwirklicht werden kann.

Damit erweist sich die Beschwerde aber insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 MRK abgesehen werden, da keine Fragen mehr offen blieben, zu deren Klärung es einer Erörterung in der mündlichen Verhandlung bedurft hätte. Wien, am 9. Oktober 2001

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