VwGH 99/01/0167

VwGH99/01/01678.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des AT in W, geboren am 15. März 1980, vertreten durch Dr. Michael Kutschera, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. September 1998, Zl. 204.855/0-XI/35/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG (mitbeteiligte Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, der am 18. März 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 23. März 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 24. März 1998 niederschriftlich einvernommen.

Mit dem Bescheid vom 5. August 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AsylG - ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Süd-Sudan zulässig sei. Die vom Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend gemachte versuchte Zwangsrekrutierung durch die Bürgerkriegspartei des John Garang (SPLA) stelle keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Die Unruhen im Sudan bzw. wahllose Übergriffe durch rivalisierende Bürgerkriegsparteien begründeten für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft. Im Hinblick auf die Feststellung gemäß § 8 AsylG begründete die Behörde erster Instanz, es lägen in Bezug auf "die bürgerkriegsfreien Gebiete des Sudan bzw. den Südsudan" keine Gefahren im Sinne des § 57 FrG vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. September 1998 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab. Sie begründete den Bescheid damit, dass aufgrund ergänzender Ermittlungen, denen der Beschwerdeführer nach ermöglichtem Parteiengehör inhaltlich nichts entgegengesetzt habe, feststehe, die Gebiete der Region südlich des Bahr El Arab seien mit Ausnahme von relativ kleinen Zonen (namentlich genannte Städte und deren unmittelbare Umgebung) von der SPLA bzw. einer anderen christlichen Gruppierung, der SSIM kontrolliert, es würde eine quasi staatliche Autorität inklusive Gerichtsbarkeit ausgeübt. Die SPLA habe internationale Konventionen unterzeichnet. Im gegenständlichen Fall stütze sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die Befürchtung, seitens Truppen der SPLA rekrutiert zu werden. Eine drohende Zwangsrekrutierung könne für sich allein noch keine Asylrelevanz entfalten, da eine solche Gefahr ausschließlich aus (dem Geschlecht und) dem Alter des Asylwerbers resultiere. Den Ausführungen des Beschwerdeführers könne nicht entnommen werden, dass die versuchte Rekrutierung von anderen Motiven getragen gewesen sei. Sehe man die von der SPLA kontrollierten Gebiete des Südsudan als Staat oder de facto-Regime im völkerrechtlichen Sinne an, könne - wie bei Zwangsrekrutierung durch staatliche Stellen - davon ausgegangen werden, dass die auf dem vom de facto-Regime kontrollierten Gebiet wohnende Bevölkerung zu Allgemeinleistungen (insbesondere zum Wehrdienst) herangezogen werden dürfe. Es sei vom Beschwerdeführer "in keiner Weise geltend gemacht (und liegen auch der Behörde keine diesbezüglichen Meldungen vor), dass die SPLA bei der Rekrutierung Christen aufgrund ihrer Religion schlechter stellen würde, als Angehörige anderer Religionsgruppen". Einer (versuchten) Rekrutierung durch Truppen der SPLA komme daher im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Asylrelevanz zu. Auch wenn man dem von der SPLA kontrollierten Gebiet die Eigenschaft eines de facto-Regimes bzw. eines Staates nicht zuerkenne, sei die Rekrutierung nicht asylrelevant, weil es an einer auf in der GFK genannten Gründen basierenden Intention der Rekrutierung fehle. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, dass seine Entziehung vom Militärdienst und seine Flucht ins Ausland seitens der SPLA als feindseliger Akt gewertet werde. Der Beschwerdeführer habe deutlich gemacht, dass seitens der SPLA auch dann noch grundlegendes Interesse an seiner Dienstleistung bestanden habe, als er bereits zu erkennen gegeben habe, nicht kämpfen zu wollen.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seitens staatlicher Stellen des Nordsudan aufgrund seiner Flucht verfolgt werde, weil die Regierung des Nordsudan in den Gebieten südlich des Bahr El Arab mit Ausnahme der Garnisonsstädte und der näheren Umgebung keine faktische Macht mehr auszuüben vermöge und eine direkte Einreise in den von den SPLA kontrollierten Südsudan möglich sei.

Zur Feststellung gemäß § 8 AsylG begründete die belangte Behörde, sie verweise zur Befürchtung von Übergriffen seitens des nordsudanesischen Geheimdienstes auf die Ausführungen zur Asylgewährung, dass der Beschwerdeführer direkt in von der SPLA kontrollierte Gebiete einreisen könne. Zur drohenden Rekrutierung führte die belangte Behörde aus, in der Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen und allenfalls eingesetzt zu werden, könne keine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK erblickt werden. Der Beschwerdeführer habe nicht vorgebracht, im Falle seiner Rückkehr für die Entziehung vom Wehrdienst seitens der SPLA bestraft zu werden und es lägen der belangten Behörde auch keine diesbezüglichen Meldungen vor. Somit sei keine Rechtsgutbeeinträchtigung im Sinne des § 57 FrG zu erwarten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer erkennt zwar richtig, dass die Heranziehung zum Militärdienst durch die Behörden eines souveränen Staates dann Asylrelevanz erlangt, wenn eine Schlechterstellung, schlechtere Behandlung oder Unterwerfung unter ein strengeres Strafregime bestimmter, "nach Religion oder sozialer Gruppe oder politischer Gesinnung abgegrenzter Personen der zum Wehrdienst herangezogenen Personen" drohe. Dieser Maßstab gilt aber nicht bei der Zwangsrekrutierung durch eine Rebellenarmee (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0077). Die Zwangsrekrutierung durch eine christliche Rebellenarmee, welche alle männliche Christen ab einem bestimmten Lebensjahr umfasst, bildet allein für sich keinen Asylgrund.

Der Beschwerdeführer führt in der Beschwerde aus, die belangte Behörde übergehe sein Vorbringen im Verfahren, wonach es zu Übergriffen ihm gegenüber im Zuge des Versuches seiner Zwangsrekrutierung als auch im Zuge der Zwangsrekrutierung seines Vaters (1992) gekommen sei; auch das "Verschwinden" des Vaters (nach den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren fiel der Vater im Kampf) zeige, dass es sich bei den vorgenommenen Zwangsrekrutierungen nicht um eine bloße Heranziehung zum Wehrdienst handle.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass ihm aus asylrelevanten Gründen eine Verfolgungsgefahr gedroht habe. Wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, hat er anlässlich seiner Einvernahme selbst ausgeführt, es würden von der (christlichen) Armee SPLA, die gegen die Moslems kämpfe, alle christlichen jungen Männer ab dem 15. Lebensjahr ungeachtet persönlicher Merkmale rekrutiert. Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass ihm wegen der Verweigerung der Zwangsrekrutierung Verfolgung durch die SPLA drohe. Fehlt es aber an behaupteten drohenden Sanktionen, so ist die belangte Behörde im Recht, dass auch aus diesem Grund keine asylrechtlich relevante Verfolgung drohe (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. September 1996). Deshalb kann das Vorbringen des Beschwerdeführers unbeantwortet bleiben, dass (für den Fall, dass es sich bei dem von der SPLA kontrollierten Gebiet um kein de facto-Regime bzw. einen Staat im völkerrechtlichen Sinne handle) staatliche Stellen den Sanktionsverhängungen seitens der SPLA entgegenzuwirken hätten.

Der Beschwerdeführer bringt gegen Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen vor, er habe im Verfahren unter Zitierung eines Urteiles des Bayerischen Verwaltungsgerichtes Bayreuth vom 25. April 1997 darauf hingewiesen, dass bei seiner Rückkehr in den "Süd-Sudan" der Aufenthalt im Ausland und die Asylantragstellung wegen des Verdachtes regimekritischen Verhaltens und oppositioneller Einstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Regelbefragung durch den Staatssicherheitsdienst zu Folterungen führen könne. Diese Beschwerdebehauptung ist aktenwidrig. Denn der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren nicht auf jene Gebiete des Süd-Sudan bezogen, welche gar nicht unter Kontrolle der Regierung stehen. Das zitierte Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtes trifft nach seinem gesamten Inhalt ausschließlich auf jene sudanesischen Gebiete zu, welche unter Kontrolle der Regierung stehen. Damit bleibt aber die Ansicht der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer drohe bei Rückkehr in die von der SPLA kontrollierten Gebiete des Südsudan, welche zudem möglich sei, keine Gefahr im Sinne des § 57 Fremdengesetz, in Wahrheit unbekämpft.

Als Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die belangte Behörde wäre grundsätzlich zur Durchführung einer solchen Verhandlung aufgrund der von ihr vorgenommenen ergänzenden Ermittlungen zur Sachverhaltssituation im Sudan verpflichtet gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475).

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall möglicherweise von Einfluss auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde (ggf. unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Wie bereits dargelegt, zeigen die Beschwerdeausführungen keinen von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt abweichenden (neuen) Sachverhalt auf und zeigt auch sonst nicht auf, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1999

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