Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 13. Oktober 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999) als unzulässig zurückgewiesen. Dies begründete die belangte Behörde im Ergebnis damit, dass der über Ungarn in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer dort Schutz vor Verfolgung finden könne. Dabei stützte sie sich im Wesentlichen auf die "Argumentation der Erstbehörde" und erklärte, diese vollinhaltlich zu übernehmen und die gesamte Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt ihres Bescheides zu erheben.
Im verwiesenen Bescheid des Bundesasylamtes finden sich zur ungarischen Rechtslage u.a. die Feststellungen, dass sich Asylwerber an ein lokales Büro der Asylbehörde oder direkt an das Büro für Asyl- und Migrationsangelegenheiten in Budapest wenden könnten, beide (Behörden) seien gleichwertig. Sollte ein Antrag abgelehnt werden, habe der Asylwerber fünf Tage Zeit, Berufung einzulegen. Berufungen könnten prinzipiell bei jedem lokalen Gericht eingebracht werden, doch sei ein Gericht in Budapest aus pragmatischen Gründen dazu bestimmt worden, in allen Fällen als lokales Gericht zu agieren. Sollte der "Einspruch" wiederum abgelehnt werden, sei eine zweite Berufung bei einem Gericht in Budapest möglich. Das Gericht müsse innerhalb von 15 Tagen sowohl in erster als auch in zweiter Instanz entscheiden. Werde ein Asylwerber abgelehnt, unterstehe er automatisch dem Fremdengesetz, das auch die Frage des weiteren Verbleibes in Ungarn bzw. der Rückkehr in das Ausgangsland regle.
Zur Frage der "Aufenthaltsberechtigung während des Asylverfahrens" in Ungarn (§ 4 Abs. 2 AsylG) führte das Bundesasylamt unter Hinweis auf Art. 14 bis 16 des ungarischen Asylgesetzes Nr. CXXXIX/1997 zunächst aus, dass Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt seien. In der Folge gab es eine Stellungnahme des Leiters des ungarischen Migrations- und Asylamtes, Dr. Istvan Dobo, wieder, wonach mit Ausnahme des ungarischen "Flughafenverfahrens" jeder Asylsuchende ausnahmslos während des Verfahrens vor dem Migrations- und Asylamt zum Aufenthalt in Ungarn berechtigt sei; gemäß einer Bestimmung im ungarischen Fremdengesetz dürften fremdenpolizeiliche Maßnahmen darüber hinaus bei offenen Asylverfahren nicht effektuiert werden.
Außerdem stellte das Bundesasylamt in seinem Bescheid Folgendes wörtlich fest:
"Art. 14 des Gesetzes Nr. CXXXIX/1997 statuiert ein Aufenthaltsrecht für Asylwerber. Sollten Sie Bedenken hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung (Art. 39 Abs. 2 ungAsylG) haben, ist Ihnen entgegenzuhalten, dass es bei unklarem Text den ungarischen Spruchkörpern obliegt, diesbezüglich durch entsprechende Gesetzesinterpretation Klarheit zu schaffen (und sicherlich nicht den österreichischen Asylbehörden). Derzeit gibt es - wie bereits erwähnt - noch keine Anhaltspunkte, in welche Richtung die gesetzliche Unklarheit interpretiert bzw. in der ungarischen Praxis tatsächlich angewendet (werden) wird.
Hinsichtlich der Bestimmung des Art. 39 Abs. 2 ungarisches AsylG, wonach der Asylwerber das Recht hat, beim Gericht eine Überprüfung der negativen Entscheidung der Asylbehörde zu beantragen, teilte der UNHCR, Regionalbüro Wien, dem Unabhängigen Bundesasylsenat in einer schriftlichen Anfragebeantwortung vom 1.4.1998 Folgendes mit: 'Gemäß Art. 332 Abs. 3 des Gesetzes über Zivilverfahren besteht in diesem Fall die Möglichkeit, beim Gericht einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Über diesen Antrag entscheidet das Gericht nach einer Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und dem Interesse des/der Betroffenen innerhalb von acht Tagen. Allerdings wird die aufschiebende Wirkung erst mit der gerichtlichen Entscheidung über die Zuerkennung wirksam.'
Aus diesen Erwägungen ist der Schluss zu ziehen, dass die einschlägigen Gesetzesbestimmungen im ungarischen Asylgesetz eine dahingehende Interpretation zulassen, die aufschiebende Wirkung erstrecke sich auch auf das gerichtliche Beschwerdeverfahren. Doch selbst in dem Fall, dass dies von den ungarischen Organen nicht in dieser Weise interpretiert werden sollte, d.h. wenn die aufschiebende Wirkung sich nur auf das erstinstanzliche Verfahren bezieht, ist durch die allgemeinen, für das Gericht geltenden Vorschriften sichergestellt, dass auch in diesem Fall nicht grundsätzlich die aufschiebende Wirkung während des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens wegfällt. Das Gericht hat jedenfalls die Möglichkeit, auf Antrag die aufschiebende Wirkung während des anhängigen Verfahrens zuzuerkennen."
Gegen den Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, aufzuheben.
Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen, in eventu die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 4 Abs. 2 AsylG für die Zurückweisung eines Asylantrages wegen Drittstaatsicherheit voraus, dass die Asylbehörden im Einzelfall zunächst die Rechtslage im potenziellen Drittstaat ermitteln und dass diese Prüfung (u.a.) ergibt, dass dem Asylwerber während des gesamten im Drittstaat eingerichteten Asylverfahrens (also sowohl eines behördlichen als auch eines nachprüfenden gerichtlichen Verfahrens) in der Regel ein Bleiberecht zusteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284).
Weiters gilt für die Berufungsbehörde nach dem gemäß § 67 AVG auch von ihr anzuwendenden § 60 leg. cit., dass in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützt die Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung der Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargelegt werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), zu § 60 AVG sub E 19. wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Berufungsbehörde die ungarische Rechtslage festzustellen und darzulegen gehabt hätte, auf Grund welcher Überlegungen sie zu dem Ergebnis gelangte, dass diese Rechtslage derart beschaffen sei, dass rechtlich gemäß § 4 Abs. 2 AsylG zu folgern sei, Asylwerber seien während des gesamten (d.h. einschließlich eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens) Asylverfahrens in Ungarn regelmäßig "zum Aufenthalt berechtigt" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0374). Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid ungeachtet der - nicht zu beanstandenden - Übernahme der Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes nicht gerecht. Die - eingangs wiedergegebenen - Ausführungen des Bundesasylamtes lassen nämlich nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, welche aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen an die Erhebung einer Klage gegen die ablehnende Entscheidung der Asylbehörde geknüpft sind. Zum Einen ist unklar, was die Formulierung "die aufschiebende Wirkung erstrecke sich auch auf das gerichtliche Beschwerdeverfahren" und die in den Raum gestellte Alternative, die aufschiebende Wirkung beziehe sich "nur auf das erstinstanzliche Verfahren", zum Ausdruck bringen sollen. Zum Anderen ist jedoch allein auf Grund des Umstandes, dass das Gericht jedenfalls die Möglichkeit habe, auf Antrag die aufschiebende Wirkung während des anhängigen Verfahrens zuzuerkennen, noch nicht geklärt, ob von dieser Möglichkeit in einer Weise Gebrauch gemacht wird, dass von einem (praktisch ausnahmslos) zuerkannten Recht auf Aufenthalt auch während des Rechtsmittelverfahrens ausgegangen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0400).
Der angefochtene Bescheid leidet mithin an einem Begründungsmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Dezember 1999
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