VwGH 98/20/0579

VwGH98/20/057917.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des SN in Graz, geboren am 9. August 1968, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. November 1998, Zl. 203.622/7-XI/33/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo. Er reiste am 8. Oktober 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 12. Oktober 1992 Asyl.

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag damit begründet, dass er an einer Demonstration gegen den ehemaligen Präsidenten von Zaire (nunmehr: Demokratische Republik Kongo) teilgenommen habe, deshalb von der Polizei verhaftet und während seiner Anhaltung misshandelt worden sei.

In der gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Oktober 1992 erhobenen Berufung präzisierte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe noch dahingehend, dass er am 16. Februar 1992 als Mitglied der "katholischen Gemeinschaft" gegen Präsident Mobutu demonstriert habe. Er habe das Plakat mit der Parole "Nieder mit dem Diktator" getragen. Er sei mit anderen Demonstranten verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden. Viele unter ihnen seien zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Durch Bestechung und mit Hilfe eines falschen Reisepasses sei ihm die Flucht gelungen. Er habe nicht länger in einem Land bleiben können, das "vom größten Diktator dieser Erde mit harter Faust regiert werde".

Im Zuge des infolge Inkrafttretens des Asylgesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 vor der belangten Behörde wieder anhängig gewordenen Berufungsverfahrens hielt diese dem Beschwerdeführer die in seinem Heimatland geänderten politischen Verhältnisse mit Schreiben vom 5. November 1998 wie folgt zur Stellungnahme vor:

"Am 17.7.1997 marschierten Truppen der AFDL in Kinshasa ein und verkündeten den Sieg über die Truppen Mobutus. Kabila, der Führer der AFDL, erklärte sich zum Präsidenten, setzte die Verfassung außer Kraft und ernannte eine neue Regierung, die ausschließlich dem Präsidenten verantwortlich ist. Am 2.8.1998 begann eine Koalition aus vertriebenen Hutus aus Ruanda, Armeeteile der Nachbarstaaten Ruanda und Uganda sowie in der Folge revoltierende Armeeteile von DR Kongo und ihre Revolte, die sich den Sturz von Kabila zum Ziel gesetzt hat. Mittlerweile kämpfen die Staaten Angola, Sambia und Simbabwe auf Seiten der Truppen von Kabila."

In seiner Stellungnahme vom 9. November 1998 schilderte der Beschwerdeführer die Lage im ehemaligen Zaire aus dem Jahre 1993, als Präsident Mobutu noch an der Macht war.

Davon ausgehend wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 7 AsylG 1997 ab.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, dass der Beschwerdeführer unter der Regierung des Präsidenten Kabila keiner Verfolgung ausgesetzt sei, weswegen ihm in der (nunmehrigen) Demokratischen Republik Kongo keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) drohe.

Demgemäß setzte sich die belangte Behörde mit den vom Beschwerdeführer auf das Jahr 1992 bzw. 1993 bezogenen Fluchtgründen nicht näher auseinander.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Von der Erstattung einer Gegenschrift sah die belangte Behörde ab. Sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. Nr. 76 aus dem Jahr 1997 (im Folgenden: AsylG), hat die Behörde demjenigen Asyl zu gewähren, der glaubhaft machen kann, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Wenn die belangte Behörde darauf abstellte, dass aufgrund der seit der Flucht des Beschwerdeführers in der Demokratischen Republik Kongo geänderten politischen Verhältnisse für diesen - auch im Falle des Zutreffens seiner (damaligen) Fluchtgründe - keine aktuelle Verfolgungsgefahr (mehr) bestünde, hat sie im Ergebnis Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv angewendet. Diese Bestimmung besagt, dass eine Person, auf die die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt A Z 2 zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen fällt,

"wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt."

Der belangten Behörde ist beizupflichten, dass grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen können, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht länger bestehe.

Es reicht zwar eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne dieser Bestimmung mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gänzlich veränderte Machtverhältnisse im ehemaligen Zaire zur Kenntnis gebracht und diesem Gelegenheit zur Stellungnahme dahingehend eingeräumt, ob seine damaligen Fluchtgründe angesichts dieser geänderten politischen Verhältnisse nach wie vor gegeben erscheinen. Dazu hat der Beschwerdeführer jedoch lediglich auf die vor dem politischen Umsturz im ehemaligen Zaire gegeben gewesenen Umstände, konkret die politischen Verhältnisse in den Jahren 1992 und 1993, als Präsident Mobutu noch an der Macht war, verwiesen. Der Beschwerdeführer hat aber keinerlei weiter gehende Gründe dargelegt, warum er ungeachtet des Umstandes, dass Präsident Mobutu und sein seinerzeitiges politisches Regime nicht mehr die Regierungsmacht inne habe, dennoch in der nunmehrigen Demokratischen Republik Kongo aus asylrelevanten Gründen verfolgt (werden) würde.

Auch in der vorliegenden Beschwerde werden keine derartigen Gründe vorgebracht, insbesondere wird nicht behauptet, dass das Regime Mobutu in den aktuellen Machtkämpfen (noch) eine Rolle spielen könnte, somit die Gefahr bestünde, die nunmehrige Demokratische Republik Kongo könnte wieder vom seinerzeitigen Regime kontrolliert werden. Die Beschwerde beschränkt sich vielmehr darauf, in allgemein gehaltener Form Ermittlungsfehler der belangten Behörde zu behaupten, allerdings ohne konkret darzulegen, zu welchen (anderen), für eine (weitere) Verfolgung des Beschwerdeführers sprechenden Feststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensfehler gelangt wäre. Soweit der Beschwerdeführer weiterhin auf seine damaligen Fluchtgründe verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass es im Falle von im vorangeführten Sinn wesentlichen Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, gerade nicht (mehr) auf die seinerzeitigen politischen Verhältnisse ankommt, sofern nicht aufgrund der konkreten Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers ungeachtet dieser Veränderungen dennoch eine bis in die Gegenwart reichende objektiv begründete Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung anzunehmen wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475). Dies kann weder aus seiner Stellungnahme im Verwaltungsverfahren noch aus dem Inhalt der vorliegenden Beschwerde oder den Verwaltungsakten entnommen werden.

Da dem von der belangten Behörde im Bescheid festgestellten Sachverhalt vom Beschwerdeführer auch nach Aufforderung zur Stellungnahme durch die belangte Behörde nicht widersprochen wurde, konnte sie davon ausgehen, dass nach der aktuellen, zwar weiterhin instabilen Situation in der Demokratischen Republik Kongo keine dem Beschwerdeführer drohende asylrelevante Verfolgung aufgrund der seinerzeitigen Umstände bestehe. Die Bürgerkriegssituation für sich allein begründet nach ständiger hg. Rechtsprechung keinen Grund für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß der Verfahrensvorschrift des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG nicht vorlagen, weil die belangte Behörde selbst ein (gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren weiter gehendes) Ermittlungsverfahren durchführte und gestützt auf dessen Ergebnisse zusätzliche, neue Sachverhaltsfeststellungen traf (vgl. dazu das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. März 1999). Es führt nämlich nicht jede Verfahrensverletzung zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist sie in der Beschwerde konkret darzulegen. Dem ist der Beschwerdeführer aber nicht nachgekommen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 17. Juni 1999

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