VwGH 98/20/0478

VwGH98/20/047825.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, in der Beschwerdesache des am 15. September 1989 geborenen QH, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz und Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Graben 9, gegen den unabhängigen Bundesasylsenat wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Asylgesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 1997 §30 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 1997 §30 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem - insofern unstrittigen - Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde stellte er am 24. Juli 1997 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. August 1997 abgewiesen, wogegen der Beschwerdeführer Berufung an den Bundesminister für Inneres erhob. Infolge Inkrafttretens des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, am 1. Jänner 1998 wurde die belangte Behörde für die Entscheidung über diese Berufung zuständig. Am 2. Jänner 1998 langten die vom Bundesminister für Inneres gemäß § 44 Abs. 1 AsylG übermittelten Verwaltungsakten bei der belangten Behörde ein.

Mit der vorliegenden Beschwerde, beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 4. November 1998, machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Pflicht zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. August 1997 geltend.

Nach Einleitung des Vorverfahrens gemäß § 36 Abs. 2 VwGG legte die belangte Behörde innerhalb der ihr gesetzten Frist von 3 Monaten u.a. den Aktenvermerk vom 2. August 1999 vor, mit welchem sie die an diesem Tag erfolgte Einstellung des Verfahrens gemäß § 30 Abs. 1 AsylG dokumentiert hat. Nach Ansicht der belangten Behörde sei die Säumnisbeschwerde mangels Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei nicht bekannt, an seiner zuletzt mitgeteilten Adresse sei er bereits am 7. November 1997 "nach unbekannt" abgemeldet worden. Die meritorische Erledigung der Berufung hänge wesentlich von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ab. Insbesondere bedürfe es auch der Erörterung der Ziele und der Struktur der vom Beschwerdeführer angegebenen Organisation der "Wahabiten", der er beigetreten sei. Mangels Verfügbarkeit des Beschwerdeführers für die (erforderliche) persönliche Einvernahme in der (durchzuführenden) mündlichen Verhandlung sei die belangte Behörde nicht in der Lage, das Asylverfahren fortzusetzen. Weiters bezweifelte die belangte Behörde, dass der einschreitende Rechtsanwalt für das verwaltungsgerichtliche (Säumnisbeschwerde-)Verfahren überhaupt bevollmächtigt (worden) sei.

In der dazu aufgetragenen Gegenäußerung wies der Beschwerdeführer auf die in seinem Handakt aufliegende, umfassende Prozessvollmacht vom 19. Juli 1997 hin und brachte weiters vor, dass gemäß § 30 Abs. 1 AsylG bei Abwesenheit des Asylwerbers nicht jedenfalls eine Einstellung des Verfahrens zu erfolgen habe. Er bestritt, dass die der (durch den Aktenvermerk dokumentierten) Einstellung zugrundeliegenden (in § 30 AsylG umschriebenen) Voraussetzungen vorlägen, weil die im Asylverfahren wesentliche Frage, ob es sich bei den "Wahabiten" um eine humanitäre oder radikale islamische Bewegung handle, eine solche sei, die ohne Beiziehung des Beschwerdeführers allein mit seinem Rechtsvertreter unter Heranziehung objektiver Beweisquellen (etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, Einsicht in "diverse Dokumentationen") zu klären wäre.

Die Säumnisbeschwerde erweist sich jedoch als unzulässig:

Es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, die Angaben des Vertreters des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen, dass er vom Beschwerdeführer eine Prozessvollmacht dafür erhielt, ihn in sämtlichen Angelegenheiten sowohl vor Gerichten als auch vor Behörden zu vertreten. Es ist davon auszugehen, dass die Vollmacht des Vertreters des Beschwerdeführers, auf die er sich beruft, (auch) die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht über die Berufung gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes umfasste.

§ 30 AsylG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 lautete:

"§ 30. (1) Die mit Asylantrag oder Asylerstreckungsantrag eingeleiteten Verfahren sind einzustellen, wenn eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Asylwerbers oder der Asylwerberin nicht möglich ist.

(2) Ein nach Abs. 1 eingestelltes Verfahren ist auf Antrag fortzusetzen, wenn der Asylwerber oder die Asylwerberin der Behörde zur Beweisaufnahme zur Verfügung steht. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG von neuem zu laufen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahren nicht mehr zulässig."

Der zweite Absatz dieser Bestimmung wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 ergänzt und sieht in dieser seit 1. Jänner 1999 geltenden Fassung nunmehr auch die Verpflichtung der Behörde vor, eingestellte Verfahren von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist.

Das Bundesasylamt als Behörde erster Instanz hat den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 25. August 1997 im Wesentlichen deshalb abgewiesen, weil die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Mitgliedschaft zu der Organisation der "Wahabiten" in sich widersprüchlich und nicht ausreichend substanziiert seien. Nach Auffassung des Bundesasylamtes sei die Behauptung des Beschwerdeführers, es läge gegen ihn ein Haftbefehl vor, nicht glaubwürdig.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer das Vorliegen von wesentlichen Widersprüchen in seinen Angaben und er betonte neuerlich, dass die Organisation der "Wahabiten" humanitäre Ziele verfolge.

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der belangten Behörde, zur "Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes" im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG bedürfe es der persönlichen Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Berufungsbehörde, nicht als rechtswidrig zu erkennen: Wenn in der im hg. Verfahren erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers vorgebracht wird, die Klärung der Frage, ob es sich bei den "Wahabiten" um eine "humanitäre oder radikale islamische Bewegung" handle, könne auch in Abwesenheit des Beschwerdeführers erfolgen, so wird übersehen, dass im vorliegenden Fall die für die Erledigung des Asylantrages zuständige Berufungsbehörde maßgeblich zu klären hat, ob der Beschwerdeführer aufgrund von Widersprüchen in seinen Aussagen über seine Zugehörigkeit zu der erwähnten Organisation und mangels nicht ausreichend substanziierter Schilderungen seiner Verfolgungsgründe als nicht glaubwürdig - wie vom Bundesasylamt angenommen - anzusehen ist. Die von der belangten Behörde unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, zum Ausdruck gebrachte Auffassung, zur Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bedürfe es seiner Einvernahme, ist unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Aufklärung von Widersprüchen, der Befragung des Beschwerdeführers zur Darlegung näherer Details über seine behauptete Mitgliedschaft bei der mehrfach angeführten Organisation und zur Erfragung seiner Kenntnisse über deren Aufbau und Ziele nicht zu beanstanden.

Davon ausgehend lagen aber die im § 30 Abs. 1 AsylG normierten Voraussetzungen (nämlich: "eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Asylwerbers nicht möglich") jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Säumnisbeschwerde vor, weshalb eine Pflicht der belangten Behörde zur Entscheidung über den Asylantrag schon damals nicht mehr gegeben war (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 12. Mai 1999, Zl. 98/01/0563; zur Zurückweisung der Säumnisbeschwerde auch bei nachträglichem Eintritt der Voraussetzungen des § 30 AsylG den Beschluss vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0395). Abgesehen davon, dass die erst am 2. August 1999 (also nicht schon früher) in Form eines Aktenvermerkes behördenintern erfolgte formlose Einstellung des Verfahrens dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichte, ist dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei in ihrer Verpflichtung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 30 Abs. 1 AsylG säumig geworden, entgegenzuhalten, dass mit der hier zu behandelnden Säumnisbeschwerde die (behauptete) Verletzung des Rechtes des Beschwerdeführers auf eine meritorische Entscheidung in der Asylsache geltend gemacht wurde. Auf die in der Äußerung (auch) behauptete Verletzung eines Rechtes auf (rechtzeitige) Einstellung des Verfahrens ist schon von daher nicht weiter einzugehen.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen zur Frage der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde und der Verfassungswidrigkeit des § 30 AsylG ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG noch auf die hg. Beschlüsse vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0395, und vom 23. Juli 1999, Zl. 99/20/0046, zu verweisen. Aus den in diesen Beschlüssen genannten Gründen war auch im vorliegenden Fall die Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des eingetretenen Verlustes der Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. November 1999

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