VwGH 98/19/0304

VwGH98/19/030419.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1959 geborenen RS in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, vom 28. August 1998, Zl. SD 616/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

11992E048 EGV Art48;
11997E039 EG Art39;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
61989CJ0260 ERT / DEP VORAB;
AufG 1992 §5 Abs1 impl;
AVG §68 Abs1;
EURallg;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4 impl;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §47;
FrG 1997 §49 Abs1;
EMRK Art8;
VwRallg;
11992E048 EGV Art48;
11997E039 EG Art39;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
61989CJ0260 ERT / DEP VORAB;
AufG 1992 §5 Abs1 impl;
AVG §68 Abs1;
EURallg;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4 impl;
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §47;
FrG 1997 §49 Abs1;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte in der Zeit zwischen 9. Juni 1975 und der Erlassung eines mit 30. Dezember 1993 befristeten Aufenthaltsverbotes mit einem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. September 1983 regelmäßig über Wiedereinreisesichtvermerke. Das erwähnte Aufenthaltsverbot wurde nicht durchgesetzt. Vielmehr wurden dem Beschwerdeführer regelmäßig Vollstreckungsaufschübe und teilweise auch "Sichtvermerke gemäß § 6 Abs. 1 FrPG" erteilt. Am 18. Juni 1984 schloss der Beschwerdeführer mit A die Ehe. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Mai 1989 wurde das über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26. September 1983 verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben.

Sodann wurden dem Beschwerdeführer zwischen Mai 1989 und 13. Juli 1993 Wiedereinreisesichtvermerke erteilt.

Ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 5. April 1994 wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Juni 1994 gemäß § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Diese Ausweisung wurde durch die Abschiebung des Beschwerdeführers am 10. November 1994 vollzogen.

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. Mai 1995 wurde der Ehegattin des Beschwerdeführers sowie den gemeinsamen, am 13. November 1986 bzw. am 15. Jänner 1993 geborenen Kindern die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Ein neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 2. November 1995 wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) abgewiesen.

Am 26. Mai 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung. Aus einer von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten Strafregisterauskunft gehen folgende Verurteilungen des Beschwerdeführers hervor:

1. Durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am

22. Dezember 1981 gemäß § 107 Abs. 1 StGB und § 36 Abs. 1 lit. b Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Diese Freiheitsstrafe wurde schließlich endgültig nachgesehen.

2. Durch den Jugendgerichtshof Wien am 18. Juni 1982 gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Auch diese Freiheitsstrafe wurde schließlich endgültig nachgesehen.

3. Durch das Strafbezirksgericht Wien am

21. September 1982 gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen.

4. Durch den Jugendgerichtshof Wien am 27. April 1984 gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Diese Strafe wurde schließlich endgültig nachgesehen.

5. Durch das Strafbezirksgericht Wien am 20. Juli 1989 gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen.

6. Durch den Jugendgerichtshof Wien am 10. April 1990 gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten. Diese Freiheitsstrafe wurde am 5. Oktober 1990 in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt, welche schließlich endgültig nachgesehen wurde.

7. Durch das Bezirksgericht Hernals am

22. Dezember 1992 gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen.

8. Durch das Bezirksgericht Döbling am 11. Jänner 1994 gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Wochen, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Nach der Aktenlage betraf die letztgenannte Verurteilung eine vom Beschwerdeführer am 14. August 1993 im Zuge eines Ehestreites an seiner Ehegattin begangene Körperverletzung.

Über Vorhalt dieser Verurteilungen gab die Ehegattin des Beschwerdeführers (in dessen Namen) eine Stellungnahme ab, in der vorgebracht wurde, es habe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin eine Ehekrise gegeben, welche jedoch überwunden worden sei. Die Ehegatten seien nun willens, ein gemeinsames Leben zu führen. Das Familienleben sei bisher durch Besuche der Angehörigen beim Beschwerdeführer in der Türkei aufrechterhalten worden. Diese Besuche seien aber wegen finanzieller Schwierigkeiten in Zukunft nicht mehr möglich. Eine ähnliche Stellungnahme hatte die Ehegattin des Beschwerdeführers persönlich auch am 14. April 1998 gegenüber der belangten Behörde abgegeben.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Juli 1998 wies diese den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Juli 1998 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab.

Die erstinstanzliche Behörde vertrat die Auffassung, im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten sei davon auszugehen, dass er die öffentliche Sicherheit im Verständnis des § 47 Abs. 2 FrG 1997 gefährden würde. Weder die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes noch die Aufhebung desselben sei geeignet gewesen, den Beschwerdeführer zu einem der österreichischen Rechtsordnung entsprechenden Verhalten zu veranlassen. Eine positive Zukunftsprognose sei daher nicht zu stellen. Unabhängig von durchlebten Ehekrisen, Versöhnungen und dem Wunsch, ein neues Leben zu beginnen, sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Hinblick auf die Vorstrafen nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 1998 wies diese die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 und § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei Angehöriger einer Österreicherin. Auf ihn seien daher die §§ 47 und 49 FrG 1997 anzuwenden. Gemäß § 47 Abs. 2 FrG 1997 setze die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an Angehörige österreichischer Staatsbürger voraus, dass deren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Der Beschwerdeführer sei zwischen 1981 und 1994 achtmal von "diversen österreichischen Gerichten" rechtskräftig verurteilt worden. Die diesbezüglichen Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde würden "ausdrücklich zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erklärt". Vier dieser Verurteilungen seien wegen vorsätzlicher Körperverletzung und eine Verurteilung wegen gefährlicher Drohung erfolgt. Diese Tathandlungen, die sich gegen die Freiheit bzw. körperliche Unversehrtheit dritter Personen richteten, würden sehr wohl die öffentliche Sicherheit gefährden. Auch nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer von weiteren Straftaten nicht abgehalten worden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei daher eine positive Zukunftsprognose nicht zu stellen. Zweifellos bestehe ein großes persönliches Interesse des Beschwerdeführers an einer Einreise und einem Verbleib in Österreich, weil seine Ehegattin und seine Kinder hier aufhältig seien. Die schwer wiegenden Bedenken aus Gründen der öffentlichen Sicherheit überwögen jedoch diese Interessen, sodass der Berufung nicht Folge zu geben gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die

öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

§ 47 Abs. 2 und 3 sowie § 49 Abs. 1 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 47. ...

(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. ...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

1. Ehegatten;

...

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. ..."

Der Beschwerdeführer verweist in seiner Beschwerde zunächst darauf, dass seine letzte Verurteilung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung schon vier Jahre zurückgelegen, die Probezeit abgelaufen und es seither zu keinen Auffälligkeiten mehr gekommen sei. Weiters verweist der Beschwerdeführer auf seine familiären Interessen in Österreich, welche durch die Anwesenheit seiner Ehegattin, der beiden gemeinsamen, sowie eines weiteren Kindes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet begründet seien.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Durch § 49 Abs. 1 FrG 1997 sollte - von geringfügigen Modifikationen abgesehen - die Rechtsstellung von Angehörigen von Österreichern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, jener von Angehörigen von EWR-Bürgern, die ihrerseits ebenfalls Staatsangehörige eines Drittstaates sind, angeglichen werden. Offenbar wollte der Gesetzgeber des Fremdengesetzes 1997 damit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, Slg. Nr. 14.863, Rechnung tragen. Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet" in dem in § 49 Abs. 1 FrG 1997 verwiesenen § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ist daher auf das Verständnis des Begriffes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Art. 39 EG (ex-Art. 48 EGV) Bedacht zu nehmen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG ist bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend. Strafrechtliche Verurteilungen allein können gemäß Abs. 2 leg. cit. ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, Bouchereau, insbesondere folgende Rechtssätze geprägt:

Eine frühere strafrechtliche Verurteilung darf nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (Rz 27, 28 dieses Urteiles). Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahe legt (im Sinne von erfordert), dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtsstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben (Rz 29, 30 dieses Urteiles). Das einer strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende tatbildmäßige Verhalten kann daher auch im Verständnis des Europarechtes im Einzelfall für sich alleine die Beurteilung rechtfertigen, der Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Sicherheit (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, Zl. 99/19/0090).

Schließlich vertrat der Verwaltungsgerichtshof zum Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 im Zusammenhang mit einem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten, dass eine Bedachtnahme auf die während eines langjährigen Voraufenthaltes begründeten privaten und familiären Beziehungen in Österreich auch dann geboten ist, wenn eine frühere Aufenthaltsberechtigung bereits rechtskräftig entzogen worden ist. Diese Bedachtnahme hat derart zu geschehen, dass die Behörde zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, dass die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen. Dabei genießt das Familienleben eines Fremden mit österreichischen Staatsangehörigen einen erhöhten Schutz. Voraussetzung dafür ist freilich, dass diese familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet wurden, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen rechnen durfte (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 96/19/3206).

Diese Rechtsprechung ist auch auf die Versagung einer Niederlassungsbewilligung gegenüber Angehörigen von Österreichern (im Sinne des § 47 Abs. 3 FrG 1997) gemäß § 49 Abs. 1 in Verbindung mit § 47 Abs. 2 FrG 1997 übertragbar.

Die Bedachtnahme auf Art. 8 MRK ist auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass § 49 Abs. 1 FrG 1997 - wie oben ausgeführt - eine Gleichstellung mit Angehörigen von EWR-Bürgern bezweckt, deren Rechtsstellung in Umsetzung von Europarecht durch nationale Bestimmungen in § 47 FrG 1997 geregelt wurde. Nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, wie § 47 FrG 1997, sind nämlich auch unter dem Gesichtspunkt des Europarechts im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegen (vgl. hiezu das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89 ERT, Slg. 1991, I-2925, Rz 41f).

Ausgehend von diesen Überlegungen wäre die Versagung der vom Beschwerdeführer beantragten Niederlassungsbewilligung nur dann rechtmäßig, wenn die belangte Behörde in einem mängelfreien Verfahren Umstände festgestellt hätte, die auf eine Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit von einer Intensität schließen hätten lassen, welche einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt hätte.

Dabei war zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen Juni 1975 bis zu seiner Ausweisung im November 1994 in Österreich aufgehalten hat. Bis zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes am 26. September 1983 waren dem Beschwerdeführer Sichtvermerke erteilt worden. Danach war die Vollstreckung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes aufgeschoben worden; zeitweise wurden ihm ebenfalls Sichtvermerke erteilt. Im Zeitpunkt seiner Eheschließung war zwar das gegenständliche Aufenthaltsverbot in Kraft. Der Beschwerdeführer ist aber mit seiner Ehegattin nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes weiterhin auf Grund ihm erteilter Wiedereinreisesichtvermerke in Österreich niedergelassen geblieben und hat das Familienleben mit seiner Frau und dem erstgeborenen gemeinsamen Kind fortgesetzt. Im Zeitpunkt der Geburt des zweiten aus dieser Ehe stammenden Kindes war der Beschwerdeführer rechtmäßig niedergelassen. Die Ehegattin und die beiden ehelichen Kinder des Beschwerdeführers sind österreichische Staatsangehörige. Darüber hinaus lebt ein drittes Kind des Beschwerdeführers, welches nicht aus der Ehe mit A stammt, in Österreich. Nach dem Beschwerdevorbringen wurde das Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin und den beiden gemeinsamen Kindern auch nach dessen Abschiebung durch Besuche der Familie in der Türkei aufrecht erhalten.

Die belangte Behörde hat ihre Gefährdungsprognose auf die - wie ihr einzuräumen ist, zahlreichen - vom Beschwerdeführer im Zeitraum zwischen 1981 und 1993 begangenen Straftaten gestützt. Sie hat dabei hervorgehoben, dass insbesondere die Straftaten gegen die körperliche Integrität und die Freiheit Anderer gravierend erscheinen.

Dies mag auf Grund der Häufung der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten durchaus zutreffen. Es ist aber auch zu beachten, dass die letzte dieser Straftaten im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mehr als fünf Jahre zurücklag. Nähere Feststellungen über die einzelnen Tathergänge hat die belangte Behörde nicht getroffen. Den Akten ist zu entnehmen, dass die letztgenannte Straftat an der Ehegattin des Beschwerdeführers im Zuge eines Ehestreites verübt wurde. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang vorgebracht, die Ehekrise sei nunmehr überwunden.

Die belangte Behörde durfte daher vorliegendenfalls nicht allein auf Grund der Tatbildmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers in den Jahren 1981 bis 1993 davon ausgehen, dass dieser im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung am 16. September 1998) noch eine Gefahr darstellen würde, die die Versagung der in Rede stehenden Niederlassungsbewilligung rechtfertigt. Die belangte Behörde hätte vielmehr auf geeignete Weise zu prüfen gehabt, ob auch im Zeitpunkt ihrer Bescheiderlassung im September 1998 noch eine Gefahr im oben aufgezeigten Sinne vom Beschwerdeführer ausgegangen ist. Dies hätte wiederum eine Auseinandersetzung mit der Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers in den letzten fünf Jahren erfordert. Allenfalls wäre es der belangten Behörde freigestanden, zur Frage, ob die Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers noch aufrecht ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Der beantragte Ersatz von Stempelgebühren war nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer auf Grund des hg. Beschlusses vom 23. Oktober 1998, Zl. VH 98/19/0037, von der Entrichtung von Stempelgebühren im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren befreit war.

Wien, am 19. Dezember 2000

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