VwGH 98/15/0116

VwGH98/15/011620.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zehetner, in den Beschwerdesachen 1. des Dr. Harald Weigel und 2. der Ingrid Weigel, beide in 6842 Koblach, Pocksberg 2, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 25. Juni 1997, RV/140- 6/97 und RV/139-6/97, betreffend Festsetzung der Normverbrauchsabgabe, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E012 EG Art12;
11997E023 EG Art23;
11997E025 EG Art25;
11997E039 EG Art39;
11997E090 EG Art90;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
31983R0918 System der Zollbefreiungen;
31991L0680 Binnenmarkt-RL;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61986CJ0127 Ledoux VORAB;
61988CJ0047 Kommission / Dänemark;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61993CJ0345 Nunes Tadeu VORAB;
61995CJ0347 UCAL VORAB;
61998CJ0393 Gomes Valente VORAB;
61999CJ0265 Kommission / Frankreich;
NoVAG 1991;
VwGG §38a;
11997E012 EG Art12;
11997E023 EG Art23;
11997E025 EG Art25;
11997E039 EG Art39;
11997E090 EG Art90;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
31983R0918 System der Zollbefreiungen;
31991L0680 Binnenmarkt-RL;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61986CJ0127 Ledoux VORAB;
61988CJ0047 Kommission / Dänemark;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61993CJ0345 Nunes Tadeu VORAB;
61995CJ0347 UCAL VORAB;
61998CJ0393 Gomes Valente VORAB;
61999CJ0265 Kommission / Frankreich;
NoVAG 1991;
VwGG §38a;

 

Spruch:

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 39 EG (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) oder Artikel 12 EG (Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit) dahin auszulegen, dass es einen Verstoß gegen diese Vorschriften darstellt, wenn für ein anlässlich einer durch einen Arbeitsplatzwechsel bedingten Übersiedlung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Gebiet der Republik Österreich mitgebrachtes Kraftfahrzeug Normverbrauchsabgabe (Grundabgabe und Zuschlag) vorgeschrieben wird?

2. Stehen Artikel 90 EG (Keine höheren Abgaben für Waren aus anderen Mitgliedstaaten) oder Artikel 23 (Zollunion) und 25 EG (Verbot von Zöllen oder Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten) der Vorschreibung der unter der ersten Vorabentscheidungsfrage angeführten Normverbrauchsabgabe (Grundabgabe beziehungsweise Zuschlag) entgegen?

3. Ist es mit der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG vom 17. Mai 1997 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in ihrer Fassung durch die Richtlinie 91/680/EWG vom 16. Dezember 1991, ABl L 376,1 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen vereinbar, dass der als Teil der unter der ersten Vorabentscheidungsfrage angeführten Normverbrauchsabgabe festgesetzte Zuschlag vorgeschrieben wird?

Begründung

I. Sachverhalt

Die beiden Beschwerdeführer sind deutsche Staatsbürger und übersiedelten Mitte des Jahres 1996 anlässlich der Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit durch den Erstbeschwerdeführer in Österreich (Vorarlberg) von Deutschland nach Österreich. Der Erstbeschwerdeführer war vorher in Deutschland, die Zweitbeschwerdeführerin (seine Ehefrau) ebenfalls vorher in Deutschland - bis zur Geburt ihres Kindes - erwerbstätig.

Als Übersiedlungsgut brachten die Beschwerdeführer je einen Personenkraftwagen (im Folgenden: Pkw) mit. Für diese Kraftfahrzeuge (im Folgenden: Kfz) wurde den Beschwerdeführern nach der Zulassung der Kfz in Österreich mit Bescheiden des Finanzamtes Feldkirch vom 2. Oktober 1996 eine Normverbrauchsabgabe (im Folgenden: NoVA) in Höhe von 31.416 S (Erstbeschwerdeführer) und 7.668 S (Zweitbeschwerdeführerin) vorgeschrieben.

Die Abgabenvorschreibung an den Erstbeschwerdeführer betraf einen Pkw der Marke "Mitsubishi Space Wagon GLXi", Baujahr 1995. Als Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung diente ein nach Eurotax-Notierungen ermittelter Wert von 187.000 S. Unter Anwendung eines Steuersatzes von 14 % errechnete sich eine NoVA von 26.180 S (im Folgenden: Grundabgabe). Als weiterer Betrag wurde an NoVA ein Zuschlag von 20 % der Grundabgabe in Höhe von 5.236 S festgesetzt, womit sich der Gesamtbetrag von 31.416 S ergab.

Die Abgabenvorschreibung an die Zweitbeschwerdeführerin betraf einen Pkw der Marke "Nissan Sunny Y10 L2", Baujahr 1993. Als Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung diente ein nach Eurotax-Notierungen ermittelter Wert von 71.000 S. Unter Anwendung eines Steuersatzes von 9 % errechnete sich eine NoVA (Grundabgabe) von 6.390 S. Als weiterer Betrag wurde an NoVA ein Zuschlag von 20 % der Grundabgabe in Höhe von 1.278 S festgesetzt, womit sich der Gesamtbetrag von 7.668 S ergab.

Gegen diese Abgabenvorschreibungen machten die Beschwerdeführer im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden europarechtliche Bedenken geltend. Sie wiesen darauf hin, dass die Kfz nicht für den Betrieb in Österreich angeschafft worden seien. Sie seien nur im Rahmen des notwendigen Umzuges wegen des Ausscheidens aus dem deutschen Beamtendienstverhältnis und dem Eintritt in den Vorarlberger Landesdienst mitgebracht worden. Alle Steuern seien in Deutschland abgegolten gewesen. Das Einheben der NoVA widerspreche dem Grundsatz der Mobilität der Arbeitnehmer in der Europäischen Union. Es werde unzulässig unterschieden, ob jemand von einem Ort innerhalb Österreichs oder von Deutschland nach Vorarlberg übersiedle. Bei der an die Beschwerdeführer vorgeschriebenen NoVA handle es sich auch um eine einfuhrumsatzsteuerähnliche Abgabe.

In den angefochtenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde die mit den Bescheiden des Finanzamtes vorgeschriebene NoVA. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Steuertatbestand des § 1 Z. 3 Normverbrauchsabgabegesetz (im Folgenden: NoVAG) sei ein subsidiärer, der nur dann zur Anwendung komme, wenn nicht bereits anlässlich der Lieferung oder des Vermietens des Kfz die Steuerpflicht entstanden sei. Unter § 1 Z. 3 NoVAG falle unter anderen der so genannte Eigenimport von neuen oder gebrauchten Fahrzeugen, unabhängig davon, ob dieser im Rahmen einer Übersiedlung oder aus anderen Gründen erfolgt sei. Der Einwand der Beschwerdeführer, es bestehe ein Unterschied, ob jemand beispielsweise von Wien oder von Deutschland nach Vorarlberg umziehe, gehe ins Leere, weil mit der NoVA nicht nur der Import eines Kfz nach Österreich, sondern ebenso der Erwerb eines Kfz im Inland belastet sei. Die NoVA sei deshalb auch keine einfuhrumsatzsteuerähnliche Abgabe.

Die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide richtete sich zunächst an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese über Antrag der Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerdeschriftsatz bringen die Beschwerdeführer vor, die festgesetzten Abgaben behinderten die Arbeitnehmerfreizügigkeit, beeinträchtigten den freien Warenverkehr innerhalb des gemeinsamen Marktes und der Zuschlag von 20 % zur Grundabgabe stelle eine nach Gemeinschaftsrecht verbotene Einfuhrumsatzsteuer dar. Auch liege ein Verstoß gegen Artikel 2 der Zollbefreiungsverordnung vor. Es sei auch keine Inländergleichbehandlung gegeben, denn ein Arbeitnehmer, der innerhalb Österreichs übersiedle, müsse keine NoVA entrichten. Die Vorschreibung der NoVA führe weiters zu einer verbotenen Doppelbesteuerung, weil die Beschwerdeführer bereits anlässlich der Zulassung ihrer Pkw in Deutschland Mehrwertsteuer und Zulassungsabgaben bezahlt hätten.

II. Maßgebende Bestimmungen des nationalen Rechts:

Das NoVAG wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 1991, BGBl Nr. 695/1995, in die österreichische Rechtsordnung eingefügt. Es ist auf Vorgänge nach dem 31. Dezember 1991 anzuwenden (§ 15 Abs. 1 NoVAG). Der NoVA unterliegen nach § 1 NoVAG folgende Vorgänge:

Nach § 1 Z. 1 die Lieferung von bisher nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen sowie von Vorführkraftfahrzeugen, die ein Unternehmer (§ 2 UStG) im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, ausgenommen die Lieferung an einen anderen Unternehmer zur gewerblichen Weiterveräußerung oder zur gewerblichen Vermietung;

nach § 1 Z. 2 die gewerbliche Vermietung im Inland von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen und von Vorführkraftfahrzeugen durch einen Unternehmer, ausgenommen die gewerbliche Vermietung von Vorführfahrzeugen an Unternehmer im Sinne der Z. 1 und zum Zwecke der gewerblichen Weitervermietung;

nach § 1 Z. 3 die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, ausgenommen von Vorführkraftfahrzeugen, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z. 1 oder 2 eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 Abs. 1 erfolgt;

nach § 1 Z. 4 die Lieferung, der Eigenverbrauch durch Entnahme und die Änderung der begünstigten Nutzung von nach § 3 Z. 3 befreiten Kraftfahrzeugen und von Vorführkraftfahrzeugen, weiters der Wegfall der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Z. 4. Inland ist das Bundesgebiet, ausgenommen Zollausschlussgebiete (§ 1 Abs. 2 Zollgesetz 1988).

Als Kraftfahrzeuge gelten nach § 2 Z. 1 und 2 NoVAG Krafträder und Personenkraftwägen nach Maßgabe der dort näher angeführten Positionen der zolltarifarischen Einstufung nach der Kombinierten Nomenklatur.

Abgabenschuldner ist nach § 4 Z. 1 NoVAG in den Fällen der Lieferung (§ 1 Z. 1 und 4) und der gewerblichen Vermietung (§ 1 Z. 2), des Eigenverbrauchs und der Nutzungsänderung (§ 1 Z. 4) der Unternehmer, der die Lieferung oder die gewerbliche Vermietung ausführt oder einen der sonstigen Tatbestände des § 1 Z. 4 setzt. Im Falle der erstmaligen Zulassung (§ 1 Z. 3) ist derjenige Abgabenschuldner, für den das Kraftfahrzeug zugelassen wird (§ 4 Z. 2 NoVAG).

Nach § 5 Abs. 1 NoVAG ist die Normverbrauchsabgabe in den Fällen der Lieferung (§ 1 Z. 1 und 4) nach dem Entgelt im Sinne des § 4 UStG zu bemessen. In allen anderen Fällen (zum Beispiel der erstmaligen Zulassung nach § 1 Z. 3) nach dem ohne Umsatzsteuerkomponente ermittelten gemeinen Wert des Kraftfahrzeuges. Die NoVA gehört nach § 5 Abs. 3 NoVAG nicht zur Bemessungsgrundlage.

Der Steuersatz beträgt nach § 6 Abs. 2 NoVAG (idF BGBl Nr. 201/1996) für Kraftfahrzeuge (außer Motorräder) 2 % vervielfacht mit dem um 3 Liter (bei Dieselfahrzeugen um 2 Liter) verminderten Kraftstoffverbrauch in Litern, wobei der Gesamtverbrauch gemäß MVEG-Zyklus nach der EU-Richtlinie 80/1268 in der Fassung 93/116 zugrunde zu legen ist. Bei einem Durchschnittsverbrauch von nicht mehr als 3 Litern (bei Dieselfahrzeugen von nicht mehr als 2 Litern) beträgt der Steuersatz 0 %. Die Abgabe beträgt nach § 6 Abs. 3 NoVAG höchstens 16 % der Bemessungsgrundlage.

Nach dem durch das Bundesgesetz BGBl Nr. 818/1993 eingefügten Abs. 6 des § 6 NoVAG erhöht sich für Vorgänge nach dem 31. Dezember 1993 die Steuer in jenen Fällen, in denen die NoVA nicht Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist, um 20 %.

Die Steuerschuld entsteht nach § 7 Z. 3 NoVAG in den Fällen des § 1 Z. 3 NoVAG mit dem Tag der Zulassung.

III. Erläuterungen zu den Vorlagefragen:

Bei der NoVA handelt es sich von ihrem Konzept her um eine Lenkungsabgabe, die den Erwerb von verbrauchsarmen Fahrzeugen begünstigen soll. Sie wird im Regelfall (§ 1 Z. 1 NoVAG) vom Fahrzeughändler (Unternehmer) berechnet, auf den Kaufpreis überwälzt und an das Finanzamt abgeführt. Spezielle Regelungen sind für das Leasing vorgesehen (§ 1 Z. 2 NoVAG). In Ausnahmefällen hat der Zulassungsbesitzer die Abgabe selbst zu berechnen und beim Finanzamt einzubezahlen (§ 1 Z. 3 NoVAG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Fall eines Steuertatbestandes nach § 1 Z. 1 NoVAG (Lieferung von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kfz durch einen inländischen Fahrzeughändler) im Erkenntnis vom 23. November 2000, 99/15/0092 (siehe Beilage), ausgesprochen, dass der Vorschreibung der NoVA (in Form der Grundabgabe), die nur bestimmte Kategorien von Waren und nur Lieferungen an "Letztverbraucher" erfasse, gemeinschaftsrechtliche Vorschriften (vor allem Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, 77/388/EWG) nicht entgegen stünden. Die Vorschreibung einer solchen Abgabe sei auch zusätzlich zur Mehrwertsteuer zulässig (vergleiche das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juli 1989, Rs C-93/88 und 94/88, Wisselink, Slg. 1989, 2671).

In den vorliegenden Beschwerdefällen ist der Steuertatbestand des § 1 Z. 3 NoVAG erfüllt, der vor allem für die Fälle des Eigenimports von neuen oder gebrauchten (bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassener) Kfz als Ersatztatbestand wegen des Fehlens einer Lieferung eines Unternehmers nach § 1 Z 1 das Entstehen der Normverbrauchsabgabepflicht vorsieht. Die Besonderheit besteht in den Beschwerdefällen darin, dass dieser Steuertatbestand Kfz betroffen hat, die Staatsbürger aus einem anderen Staat der Europäischen Gemeinschaften anlässlich ihrer mit einem Arbeitsplatzwechsel in Zusammenhang stehenden Übersiedlung nach Österreich als Übersiedlungsgut mitgebracht haben.

Zum in den Beschwerdefällen auch vorgeschriebenen Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG ist noch zu erläutern, dass die NoVA grundsätzlich einen Teil der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bildet (somit von der NoVA auch Umsatzsteuer zu entrichten ist). Die Einführung des Zuschlages nach § 6 Abs. 6 NoVAG mit dem BGBl Nr. 818/1993 für Vorgänge nach dem 31. Dezember 1993 erfolgte deshalb, um in Fällen, in denen die NoVA nicht Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer wird, einen Ausgleich der fehlenden Umsatzsteuerbelastung im Wege der NoVA zu erreichen. Die NoVA wurde vor allem dann nicht in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einbezogen, wenn bei einem Import von Kfz die Einfuhrumsatzsteuer zur Vorschreibung gelangte und bei dieser die erst anlässlich der späteren Zulassung nach § 1 Z. 3 NoVAG anfallende NoVA noch nicht Teil der Bemessungsgrundlage bildete. Im Ergebnis sollte mit dem Zuschlag der Eigenimport von Kfz (bei dem es zu keinem innerstaatlichen Liefervorgang im Sinne des § 1 Z. 1 NoVAG mehr kam) auch mit dem Teil der Umsatzsteuer belastet werden, der beim inländischen Erwerb desselben Kfz auf die NoVA entfiel (vergleiche die Gesetzesmaterialien, 1237 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP, die - auszugsweise - in Ablichtung beiliegen). Eine Vorsteuerabzugsmöglichkeit für den Zuschlag wie bei der "normalen" Umsatzsteuer wurde nicht vorgesehen. Die Regelung für den Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG wurde unverändert nach dem mit 1. Jänner 1995 vollzogenen Beitritt Österreichs zur EU beibehalten.

Gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die in den Beschwerdefällen vorgeschriebene NoVA ergeben sich zunächst (erste Vorlagefrage) unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftsrechtlich speziell gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Artikel 39 EG, früher Artikel 48 EGV, hilfsweise auch des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nach Artikel 12 EG, früher Artikel 6 EGV . Dazu bringen die Beschwerdeführer vor, dass diese Abgabe bei einem Arbeitsplatzwechsel und Übersiedlung innerhalb Österreichs nicht angefallen wäre und sie deshalb bei ihrem Zuzug aus einem anderen Mitgliedstaat der EU (in dem sie auch alle mit dem Erwerb und der Zulassung der Kfz im Zusammenhang stehende Abgaben entrichtet hätten) diskriminiert würden. Diese Überlegungen sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes insofern nicht stichhältig als der im Inland übersiedelnde Arbeitnehmer anlässlich des Erwerbs des (bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen) Kfz auch sowohl NoVA als auch Umsatzsteuer (diese auch von der NoVA) zu entrichten hatte. Der aus dem Ausland übersiedelnde Arbeitnehmer befindet sich aber in diesem Zusammenhang nicht in der gleichen Lage wie der Inländer, weil der Inländer bei der Anschaffung des Kfz sein Wahlrecht in Bezug auf eine verbrauchsärmere - und damit mit geringerer NoVA belastete - Variante des Kfz ausüben kann, während dem aus dem Ausland zuziehenden Arbeitnehmer dieses Wahlrecht nicht mehr zukommt. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass in der doch allein wegen der berufsbedingten Übersiedlung anfallenden zusätzlichen Abgabenbelastung für das mitgebrachte Kfz in Form der NoVA eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beeinträchtigung der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft nach Art. 39 EG gesehen werden könnte (vergleiche das auch von den Beschwerdeführern sinngemäß angesprochene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Juli 1988, Rs 127/86, Ledoux, Slg. 1988, 3741). Dafür, dass eine möglicherweise schon von den Grundfreiheiten her unzulässige Behinderung der Freizügigkeit vorliegt, ist auf den Richtlinienvorschlag vom 10. Februar 1998, ABl C 108/75 vom 7.4.1988 (geändert laut ABl C 145/6 vom 26.5.1999), hinzuweisen, nach dem die Mitgliedstaaten keine Steuern auf private Kfz erheben sollten, die von Privatpersonen im Zuge der Verlegung ihres Wohnsitzes aus einem anderen Mitgliedstaat in ihr Hoheitsgebiet verbracht werden (bezüglich Österreich wird in diesem Richtlinienvorschlag ausdrücklich die NoVA angesprochen). Die von den Beschwerdeführern auch angesprochene Verordnung des Rates vom 28. März 1983, 918/83/EWG (Zollbefreiungsverordnung), ABl L 105/1, ist zwar im Beschwerdefall schon deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil keine Übersiedlung aus einem Drittland in das Gemeinschaftsgebiet vorliegt. Die in Artikel 2 dieser Verordnung vorgesehene Befreiung für Übersiedlungsgut könnte aber ebenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass allein wegen der Übersiedlung anfallende Abgaben der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Freizügigkeit widersprechen. Insgesamt wird deshalb die erste Vorabentscheidungsfrage gestellt.

Als Bemessungsgrundlage für die Vorschreibung der NoVA (einschließlich Zuschlag) in Fällen der erstmaligen Zulassung nach § 1 Z. 3 NoVAG dient der gemeine Wert (ohne Umsatzsteuer- und Normverbrauchskomponente) im Zeitpunkt der Zulassung (§ 5 NoVAG). Den gemeinen Wert definiert § 10 Bewertungsgesetz, BGBl. Nr. 148/1955, allgemein als den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (fiktiver Einzelveräußerungspreis im Inland, vergleiche Sarnthein, NoVA beim Eigenimport von Kfz, ÖStZ 1995, 229, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1997, 96/14/0075). Die der Höhe nach im Verwaltungsverfahren unbestritten gebliebenen gemeinen Werte für die beiden von den Beschwerdeführern eingeführten Kfz wurden vom Finanzamt an Hand von Eurotax-Notierungen über inländische Preise vergleichbarer Kfz ermittelt.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (z.B. Urteil vom 17. September 1997, Rs C-347/95 , Ucal, Slg. 1997, I-4911, Randnr. 18 f, und die dort zitierte Vorjudikatur) stellt jede den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinn der Artikel 9, 12, 13 und 16 EGV (nunmehr Artikel 23 und 25 EG) dar, selbst wenn sie nicht zu Gunsten des Staates erhoben wird. Die sich aus einem allgemeinen innerstaatlichen Abgabensystem ergebenden finanziellen Belastungen, die systematisch nach den gleichen Kriterien für inländische und eingeführte Erzeugnisse gelten, fallen dagegen unter Artikel 95 ff EGV (nunmehr Artikel 90 ff EG). Diese Artikel verbieten es den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedsstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben zu erheben, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, oder Abgaben, die geeignet sind, andere inländische Produktionen zu schützen, sodass das Kriterium für die Anwendung von Artikel 90 EG darin besteht, ob eine inländische Abgabe diskriminierenden oder protektionistischen Charakter hat.

Bei der in den Beschwerdefällen vorgeschriebenen NoVA handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes um eine sich aus dem allgemeinen innerstaatlichen Abgabensystem (nämlich dem Regelungssystem des NoVAG) ergebende finanzielle Belastung, sodass schon deshalb ein Verstoß gegen das Verbot zollgleicher Abgaben im Sinne der Artikel 23 und 25 EG nicht vorliegen dürfte. Auch der Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG ist an sich auch Teil des innerstaatlichen Regelungssystem der NoVA. Er kommt nämlich nicht nur bei einem Eigenimport von Kfz, sondern als Auffangtatbestand auch bei rein innerstaatlichen Vorgängen (beispielsweise beim Entstehen der Steuerpflicht für ein zunächst zur gewerblichen Weiterveräußerung oder gewerblichen Vermietung im Sinne des § 1 Z. 1 NoVAG angeschafftes Kfz, das später nicht für diesen Zweck verwendet wird) zur Anwendung. Allerdings trifft dieser Zuschlag (als Ersatz für die Einfuhrumsatzsteuer von der Nova) tatsächlich im Wesentlichen Vorgänge im Zusammenhang mit der Grenzüberschreitung von Waren (Eigenimport von Kfz). Es scheint damit nicht ausgeschlossen, zumindest in diesem Zuschlag im Ergebnis doch eine zollgleiche Abgabe zu sehen, deren Einhebung nach den Artikeln 23 und 25 EG nicht gestattet wäre. Es wird daher zur zweiten Vorabentscheidungsfrage auch die diesbezügliche Alternativfrage gestellt.

Zur Frage eines möglichen Verstoßes gegen Artikel 90 EG ist festzuhalten, dass allein mit der Abgabenvorschreibung auf Übersiedlungsgut nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes noch kein die inländische Produktion oder den inländischen Automarkt (etwa für Gebrauchtfahrzeuge) schützender Effekt verbunden zu sein scheint. Berücksichtigt man, dass auch beim inländischen Regelungssystem der NoVA die zum selben (privaten) Verwendungszweck wie in den Beschwerdefällen dienenden Kfz auch mit NoVA (und Umsatzsteuer von der NoVA) anlässlich ihres Ersterwerbes nach § 1 Z. 1 NoVAG belastet sind, kann außerdem nicht ohne weiteres gesagt werden, dass die eingeführten Kfz insgesamt mit höheren Abgaben belastet sind, als gleichartige inländische Kfz. Von der Bemessungsgrundlage her stellt sich allerdings in diesem Zusammenhang die Frage, ob durch die Heranziehung des gemeinen Wertes als aus den inländischen Marktverhältnissen (nach Abzug der Umsatzsteuer- und NoVA-Komponente) abgeleiteten Verkehrswert zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuerpflicht dem in den beiden Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Dezember 1990, Rs 47/88, Kommission/Dänemark, Slg. 1990, I-4509, und vom 9. März 1995, Rs C- 345/93 , Nunes Tadeu, Slg. 1995, I-0479, enthaltenen Erfordernis ausreichend Rechnung getragen wird, wonach die auf das eingeführte Kfz entfallende Abgabe den Betrag der Reststeuer nicht übersteigen darf, die im Wert eines Kfz vergleichbaren Alters und Zustands sowie vergleichbarer Merkmale auf dem Inlandsmarkt enthalten ist. Im Hinblick auf die Ausführungen im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 22. Februar 2001, Rs C-393/98 , Gomes Valente, Randnr. 27 ff, wird in diesem Zusammenhang noch festgehalten, dass der gemeine Wert von seiner Definition her den jeweiligen Zustand, das Alter oder das Fabrikat des zu bewertenden Kfz berücksichtigt und die Beschwerdeführer die Feststellung des gemeinen Wertes selbst nicht als unrichtig angefochten - in der Beschwerde allerdings ein allgemein niedrigeres Preisniveau für Kfz in Deutschland behauptet - haben.

Im Übrigen ist ein Besteuerungssystem nur dann mit Artikel 90 EG vereinbar, wenn seine Ausgestaltung es unter allen Umständen ausschließt, dass eingeführte Waren höher besteuert werden als gleichartige inländische Erzeugnisse (z.B. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 15. März 2001, Rs C-265/99 , Kommission/Frankreich, Randnr. 40). Da für den Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG keine Vorsteuerabzugsmöglichkeit vorgesehen ist, wird der Import von Kfz in den Fällen mit einer höheren Abgabe belastet, in denen die Einfuhr eines Kfz für einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer erfolgt. Allgemein scheint damit in Bezug auf den Zuschlag auch ein Besteuerungssystem vorzuliegen, das nicht mit Artikel 90 EG vereinbar ist.

Insgesamt wird daher die zweite Vorabentscheidungsfrage gestellt.

Mit der Schaffung des Binnenmarktes bzw. der Ergänzung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie durch die so genannte Binnenmarktrichtlinie vom 16. Dezember 1991, 91/680/EWG, und der damit verbundenen Abschaffung des Prinzips der Besteuerung bei der Einfuhr in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten kam es vor allem zum Entfall der Einfuhrumsatzsteuer. Wie oben ausgeführt stellt der in den Beschwerdefällen neben der Grundabgabe vorgeschriebene Zuschlag nach § 6 Abs. 6 NoVAG einen Ersatz für die ansonsten anfallende Einfuhrumsatzsteuer dar. Da eine solche Einfuhrumsatzsteuer im Verhältnis gegenüber anderen Mitgliedstaaten der EU ab dem Beitritt Österreichs zur EU nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht mehr zulässig ist, könnte der im Ausgangsrechtsstreit (bei dem es sich auch um keinen innergemeinschaftlichen Erwerb nach Artikel 28a der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie handelte) vorgeschriebene Zuschlag dem Richtlinienrecht widersprechen. Damit ergibt sich die dritte Vorabentscheidungsfrage.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfragen scheint nicht derart offenkundig zu sein, dass für einen Zweifel im Sinne der Rechtsprechung C.I.L.F.I.T (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Oktober 1982, Slg. 1982, 3415) kein Raum bliebe. Die Fragen werden daher dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Artikel 234 EG vorgelegt.

Wien, am 20. September 2001

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