VwGH 98/06/0222

VwGH98/06/022227.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerden 1. des NH,

2. der HH, 3. der CK, 4. des FK, 5. der HK und 6. des OK, alle in V, alle vertreten durch D und C, Rechtsanwälte in G, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung vom 2. November 1998, Zl. 03-12.10 V 23-98/26 (protokolliert zu Zl. 98/06/0222 betreffend den Erstbeschwerdeführer), Zl. 03-12.10 V 23-98/27 (protokolliert zu Zl. 98/06/0223 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), Zl. 03-12.10 V 23-98/25 (protokolliert zu Zl. 98/06/0224 betreffend die Drittbeschwerdeführerin), Zl. 03-12.10 V 23-98/28 (protokolliert zu Zl. 98/06/0225 betreffend den Viertbeschwerdeführer), Zl. 03-12.10 V 23-98/29 (protokolliert zu Zl. 98/06/0226 betreffend die Fünftbeschwerdeführerin), und Zl. 03-12.10 V 23-98/24 (protokolliert zu Zl. 98/06/0227 betreffend den Sechstbeschwerdeführer), betreffend Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung gemäß § 4 Abs. 5 Stmk. KanalG (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Vornholz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

KanalabgabenG Stmk 1955 §1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §2 Abs1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §4 Abs1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §4 Abs2;
KanalabgabenG Stmk 1955 §6 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;
KanalabgabenG Stmk 1955 §1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §2 Abs1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §4 Abs1;
KanalabgabenG Stmk 1955 §4 Abs2;
KanalabgabenG Stmk 1955 §6 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs1;
KanalG Stmk 1988 §4 Abs5;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juni 1997 wurde gegenüber den Beschwerdeführern jeweils im Hinblick auf näher angeführte Grundstücke die Kanalanschlusspflicht ausgesprochen.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. August 1997 jeweils abgewiesen.

Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 16. Jänner 1998 wurde den von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Vorstellungen Folge gegeben und die Angelegenheit jeweils zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde verwiesen. Der tragende Aufhebungsgrund war der Umstand, dass - entgegen der Annahme der Berufungsbehörde - im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsbescheide jeweils eine rechtskräftige wasserrechtliche Bewilligung für die Pflanzenkläranlage vorgelegen und die Kläranlage nach Mitteilung der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt auch bereits in Betrieb genommen worden sei. Auf das Nichtvorliegen einer tatsächlich schon vorhandenen schadlosen Schmutzwasserentsorgung zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Berufungsbehörde konnte die Abweisung des Ausnahmeantrages von der Kanalanschlusspflicht somit rechtens nicht gestützt werden. In diesem Vorstellungsbescheid wies die belangte Behörde im Besonderen auf die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz hin und erläuterte weiters, dass der Nachweis, dass die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage bedroht sei und somit eine Schädigung öffentlicher Interessen gegeben wäre, im fortgesetzten Verfahren anhand von konkreten Berechnungen zu erbringen sei. Berechnungen seien zwar vorgelegt worden, doch hätten diese bereits im Verfahren vor der Gemeindebehörde nach Wahrung des Parteiengehörs Berücksichtigung finden müssen. Zur Information wurde auch noch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 1996, Zl. 94/07/0001 bis 0009, hingewiesen, wonach die öffentlichen Interessen an der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit öffentlicher Abwasserentsorgungsanlagen in jenen Verfahren wahrzunehmen seien, welche die Anschlusspflicht und die Möglichkeiten einer Befreiung davon zum Gegenstand hätten.

Im fortgesetzten Verfahren wurde unter Vorlage einer zusätzlichen Kostenberechnung für den Kanal E. und P. (Bauabschnitt 9) ein Gutachten der Fachabteilung IIIa des Amtes der Stmk. Landesregierung (vom 10. April 1998) mit der Fragestellung eingeholt, ob es im vorliegenden Fall durch die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu einer Schädigung öffentlicher Interessen kommen könnte und ob die Umlegung von Kosten auf die Anschlusspflichtigen objektiv ihrerseits nicht öffentliche Interessen schädige. In diesem Gutachten wurde die Auffassung vertreten, dass es im öffentlichen Interesse gelegen sei, den Betrieb der öffentlichen Kanalanlage wirtschaftlich im Sinne von kostendeckend zu betreiben bzw. die finanzielle Belastung der von der öffentlichen Kanalanlage betroffenen Bevölkerung nicht durch Ausnahmen einzelner Objekte unverhältnismäßig zu erhöhen. Die Mindereinnahmen der Gemeinde durch den Wegfall der vorliegenden Objekte würden nach Abzug der für diese Objekte tatsächlich aufzubringenden variablen Betriebskosten in einen Kanalisationsbeitrag in Höhe von S 218.305,-- und eine jährliche Kanalbenützungsgebühr von rund S 17.000,-- betragen. Für den Bauabschnitt E. und P. seien insgesamt Einnahmen durch Kanalisationsbeiträge von S 1.125.000,-- vorgesehen. Für den Betrieb und die Finanzierung des Bauabschnittes V. (Bauabschnitt 8) bzw. E. und P. (Bauabschnitt 9) würden von der Gemeinde Jahreskosten von S 285.277,-- (das sind S 5.943,-- pro anschließbare Wohnung und Arbeitsstätte) für insgesamt 48 Objekte ausgewiesen, wobei vorerst mit erwarteten Einnahmen aus der Kanalbenützungsgebühr von S 200.000,--, (das sind rund S 4.200,-- pro anschließbare Wohnung und Arbeitsstätte) mit keiner Kostendeckung gerechnet werde. Daraus lasse sich ableiten, dass für den Bauabschnitt E. und P. rund S 155.000,-- kostendeckend bzw. rund S 110.000,-- gemäß Gebührenregelung einzuheben wären. Der Anteil, der von jenen vier Objekten zu tragen sei, die eine Befreiung von der Anschlusspflicht anstrebten, betrage für den Bauabschnitt 9 rund 20 %, bezogen auf den Kanalisationsbeitrag und rund 10 bis 15 % bezogen auf die Kanalbenützungsgebühr. Eine Grundlage bei der Festlegung des Fördersystems nach dem Umweltförderungsgesetz sei die Erzielung allgemein anerkannter zumutbarer Gebühren von rund S 5.000,-- für ein durchschnittliches Wohnobjekt. Nach Fertigstellung des Bauanschnittes 9 würden in der mitbeteiligten Gemeinde die kostendeckenden Gebühren, unter Berücksichtigung aller bereits an die bestehenden öffentlichen Kanalanlagen angeschlossenen Objekte, S 5.943,-- pro anschließbare Wohnung und Arbeitsstätte betragen und würde sich dieser Betrag bei Befreiung der vier genannten Objekte weiter auf rund S 6.100,-- erhöhen. Die gesamten Mindereinnahmen bestehend aus Kanalisationsbeitrag und Benützungsgebühren auf die kalkulatorische Lebensdauer der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlagen (Reinigungsanlage 30 Jahre, Kanalanlage 50 Jahre) hochgerechnet würden in einer Größenordnung von S 850.000,-- bis S 900.000,-- zu liegen kommen. Abschließend sei somit festzustellen, dass die Mindereinnahmen bei Befreiung der genannten Objekte als wesentlich zu bezeichnen seien und dadurch den im öffentlichen Interesse gelegenen Bau- und wirtschaftlichen Betrieb (kostendeckend mit zumutbaren Gebühren) der öffentlichen Kanalanlage gefährdeten. Die Gefährdung bestehe darin, dass die anfängliche Differenz zwischen Gebühreneinnahmen und Kosten nachteilig vergrößert und eine Kostendeckung auch zum geplanten späteren Zeitpunkt erschwert oder nicht realisierbar sei bzw. eine Erhöhung der Gebühren für die ans öffentliche Kanalnetz angeschlossenen Objekte ein allgemein anerkanntes zumutbares Ausmaß überschreiten würde.

Mit Berufungsbescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Juli 1998 wurden die Berufungen auf der Grundlage des angeführten Gutachtens als unbegründet abgewiesen.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidungen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass sich aus den vorliegenden Akten das Vorliegen einer rechtskräftigen wasserrechtlichen Bewilligung durch die Bezirkshauptmannschaft Hartberg ergebe. Die belangte Behörde habe daher geprüft, ob durch die Pflanzenkläranlage öffentliche Interessen beeinträchtigt würden. Es sei zu prüfen, ob die Berufungsbehörde auf der Grundlage der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses die Kanalanschlussverpflichtung zu Recht ausgesprochen habe. Nach dem angeführten Gutachten seien die Mindereinnahmen bei Befreiung der vorliegenden Objekte als wesentlich zu bezeichnen und gefährdeten dadurch den im öffentlichen Interesse gelegenen Bau und den wirtschaftlichen Betrieb der öffentlichen Kanalanlage. Die Gefährdung bestünde darin, dass die anfängliche Differenz zwischen Gebühreneinnahmen und Kosten nachteilig vergrößert und eine Kostendeckung auch zum geplanten späteren Zeitpunkt erschwert oder nicht realisierbar sei bzw. eine Erhöhung der Gebühren für die an das öffentliche Kanalnetz angeschlossenen Objekte ein allgemein anerkanntes zumutbares Ausmaß überschreiten würden. Dieses Gutachten fuße auf einem ausreichenden Befund und sei auch von einem Amtssachverständigen erstellt worden. Die Beschwerdeführer wiesen lediglich durch allgemeine Darlegungen darauf hin, dass dieses Gutachten nicht repräsentativ sei, da die wirtschaftliche Existenz und technische Funktionsfähigkeit der öffentlichen Kläranlage durch die Kläranlage der von den Beschwerdeführern gebildeten Abwassergemeinschaft nicht gefährdet sei. Außerdem sei die nachträgliche Planung des Kanalstranges, der in einem Zick-Zack-Kurs gezogen worden sei, nachdem die Kläranlage bereits bestanden habe, nicht dazu geeignet, dass nunmehr im Nachhinein behauptet werden könne, eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen bestünde im Falle des Nichtanschlusses der Abwassergemeinschaft, da es die Gemeinde selbst unterlassen hätte, ein kostengünstigeres Abwasserprojekt ohne Einschluss der Abwassergemeinschaft vorzulegen. Die von der Gemeinde eingeholten Kostenberechnungen bezüglich der Beeinträchtigung der Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Kanalanlage und damit der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen seien daher ungenügend und nicht aussagekräftig, weil sie nicht von der kostengünstigsten Variante ausgingen. Hiezu sei festzuhalten, dass eine auf einem ausreichenden Befund beruhende schlüssige Begutachtung eines Falles durch einen Amtssachverständigen nur durch ein Gutachten eines anderen Sachverständigen tauglicherweise in Diskussion gezogen und allenfalls erschüttert werden könne. An sich schlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen könne jedenfalls nicht mit laienhaften Äußerungen in wirksamer Weise entgegnet werden. Der Sachverständige sei zutreffend von dem nunmehr vorliegenden Sachverhalt ausgegangen und habe auf dessen Grundlage sein Gutachten erstattet. Es sei nicht von Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Kanalanschlussverpflichtungsbescheides die Pflanzenkläranlage bereits wasserrechtlich bewilligt und in Betrieb gewesen sei oder nicht. Fest stehe nämlich, wie dies aus dem schlüssigen Gutachten abzuleiten sei, dass die öffentlichen Interessen sehr wohl durch den Nichtanschluss seitens der Beschwerdeführer beeinträchtigt würden. Wegen Schädigung öffentlicher Interessen sei der vorliegende Antrag auf eine Ausnahme gemäß § 4 Abs. 5 Stmk. KanalG abzuweisen gewesen.

In den dagegen erhobenen Beschwerden wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 des Steiermärkischen Kanalgesetzes 1988, LGBl. Nr. 79, sind die Eigentümer von bebauten Grundstücken in Gemeinden, in denen öffentliche Kanalanlagen betrieben oder errichtet werden, verpflichtet, die Schmutz- und Regenwässer ihrer bestehenden oder künftig zu errichtenden Bauwerke auf eigene Kosten über die öffentliche Kanalanlage abzuleiten, sofern die kürzeste Entfernung eines Bauwerkes von dem für den Anschluss in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 100 m beträgt.

Gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. sind von der Behörde Ausnahmen von der Verpflichtung nach Abs. 1 für Bauten vorübergehenden Bestandes, für untergeordnete Nebengebäude und Bauteile sowie für Bauten mit einer nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften, den Erfordernissen des Umweltschutzes und der Hygiene entsprechenden Schmutzwasserentsorgung zu erteilen, wenn dadurch eine schadlose Entsorgung der Abwässer nach § 1 Abs. 1 leg. cit. gewährleistet ist und eine Schädigung öffentlicher Interessen sowie ein Nachteil für die Nachbarschaft nicht entsteht. Gleiches gilt für Regenwässer, wenn ihre Versickerung auf dem eigenen Grundstück möglich ist oder sie als Betriebsmittel Verwendung finden. Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 obliegt dem Ausnahmewerber.

Die Beschwerdeführer wenden sich insbesondere gegen die Auslegung des Begriffes "Schädigung öffentlicher Interessen" durch die Gemeindebehörde bzw. die belangte Behörde. Die Beschwerdeführer verweisen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1996, Zl. 93/07/0176, in dem dieser zum Ausdruck gebracht habe, dass, da das Kanalgesetz Ausnahmen vom Anschlusszwang vorsehe, wobei eine Voraussetzung dafür darin bestehe, dass das öffentliche Interesse nicht geschädigt werde, das Kanalgesetz davon ausgehe, dass das Unterbleiben eines Anschlusses durchaus auch ohne Beeinträchtigung öffentlicher Interessen möglich sei. Eine wasserrechtliche Bewilligung könne daher nicht mit der Rechtfertigung versagt werden, dass das Unterbleiben eines Anschlusses an die Gemeindekanalisation generell eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstelle. Weiters habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 3. September 1998, Zl. 98/06/0139, zum Ausdruck gebracht, dass der Sinn des § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz 1988 darin liege, dass jene anschlusspflichtigen Grundstücke, für die bereits eine Anlage zur schadlosen Entsorgung der Abwässer vorhanden sei, nach Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen von der Anschlussverpflichtung ausgenommen werden könnten.

Maßgebliche Frage ist im vorliegenden Fall, ob der Umstand, dass sich durch den Nichtanschluss von Objekten in einer Gemeinde an den öffentlichen Kanal Mindereinnahmen betreffend den einmaligen Kanalisationsbeitrag bzw. die jährlichen Kanalbenützungsgebühren ergäben und die von den übrigen Eigentümern der angeschlossenen Grundstücke zu erhebenden Gebühren um S 156,-- (von S 5.943,-- auf S 6.100,--) zur Kostendeckung erhöht werden müssten, den Tatbestand der Schädigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz erfüllt. Diese Frage ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Aus dem Nebeneinander einerseits der Kanalanschlussverpflichtung von Grundeigentümern in einem bestimmten Bereich und andererseits der in § 4 Abs. 5 leg. cit. geregelten Ausnahme von dieser Anschlussverpflichtung, mit der insbesondere - wie dies der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. September 1998, Zl. 98/06/0139, ausgeführt hat - jene anschlusspflichtigen Grundstücke, für die bereits eine Anlage zur schadlosen Entsorgung der Abwässer vorhanden ist, nach Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen von der Anschlussverpflichtung ausgenommen werden können sollen, ergibt sich, dass der bloße Umstand von sich auf Grund einer gewährten Ausnahme ergebenden Mindereinnahmen für den Betreiber der öffentlichen Kanalanlage nicht als Schädigung öffentlicher Interessen im Sinne dieser Bestimmung gewertet werden kann. Das dargestellte System von Anschlusspflicht und Ausnahmen geht davon aus, dass § 4 Abs. 5 Stmk KanalG bei Vorliegen der Voraussetzungen in jeder Gemeinde Ausnahmen ermöglicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 93/07/0176, ausgeführt hat, ist davon auszugehen, dass die Gewährung einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. für sich allein in der Regel keine Schädigung öffentlicher Interessen bewirkt. Dass die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit öffentlicher Abwasserentsorgungsanlagen ein öffentliches Interesse darstellt und im Verfahren gemäß dem Stmk. Kanalgesetz wahrzunehmen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof - worauf die Beschwerdeführer auch zutreffend verweisen - bereits im hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 94/07/0001, ausgesprochen. Dass durch die vorliegenden Ausnahmen von der Kanalanschlusspflicht die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der vorliegenden öffentlichen Kanalanlage in Frage gestellt wäre, davon ist weder im Gutachten vom 10. April 1996 noch in den Ausführungen der belangten Behörde die Rede. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinden des Landes Steiermark gemäß dem Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71, ermächtigt sind (§ 1), durch Beschluss des Gemeinderates eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben. Nach diesem Gesetz (§ 2 Abs. 1) ist der Kanalisationsbeitrag einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht. Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. aus den mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschoße und Kellergeschoße je zur Hälfte eingerechnet werden. Der Einheitssatz ist gemäß § 4 Abs. 2 Kanalabgabengesetz vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 7) nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage höchstens bis zu 5 v.H. dieser Baukosten für den Meter festzusetzen. Bei der Festsetzung des Einheitssatzes sind aus Bundes- und Landesmitteln für die Errichtung und die Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage gewährte Beiträge und Zuschüsse in Anschlag zu bringen. Die Erhebung von laufenden Gebühren für die Benützung von öffentlichen Kanalanlagen obliegt dem freien Beschlussrechte der Gemeinden (§ 6 Abs. 1 Kanalabgabengesetz). Die Kanalbenützungsgebühren dürfen das Jahreserfordernis für Instandhaltung und Betrieb der Kanalanlage, einschließlich zu leistender Annuitäten für die Rückzahlung von Darlehen, die für die Errichtung, die Erweiterung, den Umbau oder die Erneuerung der technischen Einrichtungen der öffentlichen Kanalanlage aufgenommen worden sind, sowie die Bildung einer angemessenen Erneuerungsrücklage, nicht überschreiten. Nach diesem Finanzierungssystem für öffentliche Kanalanlagen sind je nach der Anzahl der im Sinne des § 2 Abs. 1 Kanalabgabengesetz gesetzlich Anschlussverpflichteten der Kanalisationsbeitrag (einmalig) bzw. die Kanalbenützungsgebühren (jährlich) festzusetzen. Wenn sich aus der Nichtteilnahme der Beschwerdeführer am öffentlichen Kanalsystem ergibt, dass die verbleibenden Anschlusspflichtigen etwas höhere jährliche Gebühren zu leisten haben, stellt diese etwas höhere Belastung der einzelnen Rechtsunterworfenen jedenfalls keine Schädigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 4 Abs. 5 Stmk. Kanalgesetz dar. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht das Vorliegen einer Schädigung öffentlicher Interessen aus den von ihr dargelegten Gründen angenommen. Es ist den Beschwerdeführern auch Recht zu geben, dass das vorliegende Gutachten die Frage des Vorliegens der Schädigung öffentlicher Interessen keinesfalls schlüssig und nachvollziehbar begründet hat. Angemerkt wird, dass bei der allfälligen Beurteilung der wirtschaftlichen Situation einer öffentlichen Kanalanlage stets die gesamte Kanalanlage in Betracht zu ziehen wäre und nicht nur ein Bauabschnitt.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

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